Grosse Erschütterung
An der Sitzung am 5. Dezember eskalierte der Konflikt. Biedermann schlug vor, zunächst eine Autoevaluation bei dem langjährigen HSG-Professor Martin Hilb in Auftrag zu geben, bevor die Nachfolgeplanung angegangen werde. Für Bruderer, die dieses Thema am stärksten forciert hatte, der ultimative Beweis, dass Biedermann es mit der Nachfolgeplanung nicht ernst meinte – sie entschloss sich zum Rücktritt.
Noch grösser war die Erschütterung von Roth an diesem Tag – allerdings aus einem anderen Grund. Ethos war in der epischen Schlacht um den Bauzulieferer Sika erstmals als Nebenkläger aufgetreten und kämpfte an der Seite des aufständischen Verwaltungsrats gegen den Verkauf an Saint-Gobain. Die treibende Kraft war auch hier Biedermann, der mit dem Entscheid voll ins Risiko ging: Bei einer Niederlage müsste sich Ethos an den Verfahrenskosten beteiligen, die sich für die Stiftung auf eine halbe Million belaufen könnten – mehr als einen Jahresgewinn. Da galt es, die Kosten tief zu halten.
«Treuwidriges Verhalten»
Bisher war es Roth, die für Ethos den anwaltlichen Beistand geleistet hatte. Für 2017 hatte sie eine Rechnung von 39'445 Franken geschickt – angesichts der gesamten Anwaltskosten des Falls von mehr als 20 Millionen Franken ein eher homöopathischer Betrag. Doch Biedermann war er zu hoch: Er wollte Roths Honorar um etwa 10'000 Franken drücken. Das Traktandum schob er am Vorabend der VR-Sitzung nach, allerdings ohne Dokumentation. An der Sitzung liess er Papiere verteilen, die die zu hohe Honorarforderung Roths belegen sollten.
Diese seien «inhaltlich unwahr, bewusst unvollständig und dienen dazu, Unwahrheiten zu verbreiten», schrieb Roth anschliessend an ihre Ratskollegen. «Sie wurden ganz bewusst so aufgesetzt von Dominique Biedermann und unterstützt von einem willfährigen Direktor Vincent Kaufmann, der munter mitmachte.» In einer weiteren Mail direkt an Biedermann schrieb sie: «Dein Verhalten ist treuwidrig und absolut schikanös mir gegenüber.»
«Noch nie erlebt»
Biedermann bat seinen Vize Uster um Vermittlung, doch ohne Erfolg. «Ich hatte mit Monika Kontakt, sie will keine Verhandlung und hält an ihrer Rechnung fest», schrieb er per Mail – und erteilte seinem Präsidenten eine weitere Rüge. Speziell sei, «dass die Unterlagen erst am Sitzungstag verteilt wurden, nicht am Vormittag oder zu Beginn der Sitzung, sondern erst beim betreffenden Traktandum.» Er merkte an: «Ich war und bin seit 35 Jahren in verschiedenen Räten tätig, eine solche Massregelung eines Ratsmitglieds durch einen Präsidenten habe ich noch nie erlebt.»
Für Biedermann ging der Schuss nach hinten los: Ethos muss die Rechnung zahlen, und Roth legte ihr Mandat mit dem VR-Sitz nieder. Eine kleine Rache gönnte sie sich noch: «Was die Akten anbelangt, so umfassten diese sehr viele Ordner; diese verbleiben bei mir aus Beweisgründen für meine Forderung und mein Mandat. Sollte Ethos Kopien wollen, so kostet das pro Kopie CHF 2 sowie die Kosten des Hilfspersonals, das die Kopien machen müsste (gegen Vorauskasse).»
Biedermann schickte Roth und Bruderer ein Schreiben der Genfer Kanzlei Bianchi-Schwald mit der Drohung einer Ehrverletzungsklage. Sein Vize Uster stellte sich plötzlich wendig auf seine Seite und schoss via «SonntagsBlick» auf die Ex-Verwaltungsrätinnen: «Das grösste Kapital von Ethos ist die gute Reputation. Deshalb sind diese Vorwürfe auch so schwerwiegend.» In der Tat – besonders, wenn sie stimmen.
Dieser Text erschien in der Januar-Ausgabe 01/2018 der BILANZ.