Sie ist in diesen Tagen die gefragteste Frau Europas. Sie verhandelt mit der halben Welt über neue Freihandelsabkommen. Und wann immer es um den lodernden Handelsstreit zwischen der EU und den USA geht, der sich gerade zu einem Flächenbrand auszudehnen droht, taucht ihr Name auf: Cecilia Malmström. Die liberale EU-Handelskommissarin hat aber auch viele Feinde. Gewerkschaften, Konsumentenschützer, Greenpeace, Globalisierungsgegner. Und Donald Trump.
Am Mittwoch trifft sie den US-Präsidenten in Washington. Zusammen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird sie ausloten, wie weit sich Trump von seinem Kurs abbringen lässt. Der verfolgt hartnäckig seinen Plan: Im eigenen Land neue Arbeitsplätze zu schaffen – indem er Zölle auf ausländische Produkte hochfährt, in der Hoffnung die Produktion im eigenen Land möge anziehen.
Der europäischen Wirtschaft droht ein Dämpfer
Vor dem Treffen mit Malmström und Juncker drohte Trump, die Zölle für VW, BMW, Porsche oder Mercedes-Benz anzuheben: von 2,5 Prozent auf 20 Prozent oder mehr. Trump findet es ungerecht, weil die EU umgekehrt einen Zoll von 10 Prozent auf US-Autos verlangt. So sagte er über das EU-Treffen: «Sie werden am 25. Juli kommen, um mit uns zu verhandeln. Wir haben gesagt, dass es eine gewaltige Vergeltung gibt, wenn wir nicht etwas Faires verhandeln».
Für die EU steht viel auf dem Spiel: «Erheben die USA auch Zölle auf Autos, wäre das katastrophal», sagte Malmström. Von den seit Juni installierten US-Zöllen auf Stahl und Aluminium seien nur EU-Exporte im Wert von 6,4 Milliarden Euro pro Jahr betroffen. Bei Autos jedoch gehe es um Ausfuhren im Wert von 50 Milliarden Euro. Macht Trump ernst, würde das Deutschland, der wirtschaftliche Motor der EU, empfindlich treffen. Und so auch die vielen Autozulieferer in der Schweiz.
Liste für weitere Zölle im Gepäck
Was können die beiden EU-Funktionäre ausrichten? Zumindest Malmström hat mit Trump noch eine Rechnung offen. Denn Juncker gab ihr Ende 2014 das Handelsdossier, damit sie das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP der argwöhnischen Bevölkerung schmackhaft macht. Es hätte ihr grosser Wurf werden sollen. Zwar harzten die Verhandlungen bereits mit der Obama-Administration. Doch als Trump Präsident wurde, wischte er das Abkommen endgültig vom Tisch. Die unzähligen Stunden an Gesprächen und Verhandlungen – für nichts.
Nun könnte Malmström mit einer Schlichtung im Handelsstreit doch noch einen gewissen Erfolg verbuchen. Könnte. Bisher aber half Diplomatie nicht. Vielmehr hat Malmström bereits eine Liste für weitere Zölle auf US-Produkte im Gepäck, sollte der Streit vollends eskalieren. Schon Ende Juni verhängte die EU als Vergeltungsmassnahme Zölle auf US-Produkte wie Mais, Erdnussbutter, Jeans, Whiskey und Motorräder.
Wollte Journalistin werden
Im Handelsstreit ist Malmström die europäische Antwort auf Trump. Sie ist Mutter von Zwillingen, sammelt Stoffpinguine und ist Patriotin. Eine europäische Patriotin. Und so etwas wie der Star der EU-Kommission, wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» jüngst schrieb. Als Kind lebte die heute 50-jährige Schwedin in Paris, hatte Aufenthalte in Barcelona und Stuttgart und sie spricht vier Sprachen fliessend. Sie engagierte sich fürs proeuropäische Lager, als Schweden 1994 über den EU-Beitritt abstimmte.
Als junge Frau wollte sie Journalistin werden, scheiterte jedoch an der Aufnahmeprüfung zur einzigen Journalisten-Schule Schwedens. Also studierte sie Politikwissenschaften, wurde halt Politprofi. 1999 schaffte sie den Sprung ins Europäische Parlament, 2006 kehrte sie zurück als Europaministerin nach Stockholm, 2010 wechselte sie nach Brüssel in die EU-Kommission. In ihrer ersten Amtsperiode war sie Kommissarin für Inneres und erlebte da ihren erschütterndsten Moment, wie sie dem «Handelsblatt» verriet.
Malmströms erschütterndster Moment
Als 2013 im Herbst 300 Flüchtlinge vor der italienischen Insel Lampedusa ertranken, reiste sie mit dem damaligen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zur kurzerhand organisierten Trauerfeier. Die weissen Särge in der Halle sehe sie noch heute vor sich, sagt sie. Europa war ohnmächtig und stand kurz vor der Flüchtlingskrise, die zwei Jahre später ihren Höhepunkt fand, als 1,3 Millionen Menschen in der EU einen Asylantrag stellten.
Angesichts dessen ist der Handelsstreit mit den USA eine nüchterne Angelegenheit. Er bringt Malmström sogar gewisse Vorteile. Denn seit Trump zum Präsidenten gewählt wurde, sind alternative Handelspartner gefragt. So jettet sie zuletzt häufig nach Japan, Mexiko und in die Mercosur-Staaten. Mit Japan hat die EU im Juli ein Freihandelsabkommen unterzeichnet, das 99 Prozent aller Zölle zwischen den beiden Wirtschaftsräumen beseitigt. Mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur ist die EU auf der Zielgerade. Und mit China hat die EU in Sachen Marktöffnung erstmals seit Jahren wieder Fortschritte gemacht.
Das jedoch dürfte Trump kaum beeindrucken. Kurz vor dem Treffen mit Juncker und Malmström bekräftigte er auf Twitter seine Haltung: «Zölle sind das Grösste!»