Der kürzlich verstorbene deutsche Altbundeskanzler Helmut Kohl nannte sie einst sein «Mädchen», heute trägt Angela Merkel den Beinamen «Mutti». Sie ist die erste Frau, die in Deutschland zur Regierungschefin gewählt wurde und auch die erste Ostdeutsche in diesem Amt. Längst gilt Merkel als die mächtigste Frau Europas.
Nach der Bundestagswahl am 24. September will sie ihren bisherigen zwölf Amtsjahren vier weitere hinzufügen.
Geboren wurde Merkel am 17. Juli 1954 in Hamburg, also in Westdeutschland. Ihr Vater, ein Pfarrer, zog aber noch in ihrem Geburtsjahr mit der Familie in die DDR, weil es im kommunistischen Osten zu wenig Pfarrer gab.
Eine Ausnahmeschülerin
Merkel wuchs in Templin (Brandenburg) auf. Sie war eine Ausnahmeschülerin, die nach den Worten ihrer früheren Lehrerin Erika Benn «alles wusste und konnte» und die auch eine Russisch-Olympiade gewann.
Merkel studierte dann in Leipzig Physik. Sie habe sich bewusst für die Naturwissenschaften entschieden, auch weil sich die DDR-Führung in Naturgesetze wenig einmischen konnte, heisst es auf ihrer Internetseite. Danach arbeitete sie an der Ost-Berliner Akademie der Wissenschaften.
Politischer Karrierestart nach der Wende
Politisch aktiv wurde sie erst nach dem Fall der Berliner Mauer. In der letzten DDR-Regierung unter Lothar de Maizière (CDU) wurde sie 1990 stellvertretende Regierungssprecherin.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands machte Kanzler Kohl sie 1991 zur Frauen- und 1994 zur Umweltministerin. Als Kohl nach seiner Abwahl 1998 in den Strudel einer Parteispendenaffäre geriet, distanzierte sich Merkel öffentlich von ihrem Mentor.
2000 wurde sie Bundesvorsitzende der CDU, zwei Jahre später auch Chefin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Bundestagswahl 2005 gewann sie knapp gegen die SPD von Kanzler Gerhard Schröder, am 22. November 2005 wurde Merkel zum ersten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt.
Angefeindet wegen strengen Sparkurs
In Merkels Regierungsjahre fiel unter anderem die Euro-Schuldenkrise. Als Krisenmanagerin in Europa gewann sie international Statur, wegen ihres Beharrens auf einem strengen Sparkurs wurde sie aber vor allem im Süden des Kontinents angefeindet.
In der Flüchtlingskrise 2015/2016 schien ihre Kanzlerschaft zeitweilig zu kippen. Ihre Entscheidung, syrische Kriegsflüchtlinge ins Land zu lassen und der anschliessende unkontrollierte Zustrom hunderttausender von Asylbewerbern kostete sie viel Zustimmung. Auch in der eigenen Fraktion schwoll das «Merkel muss weg»-Geraune an.
Mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen erholten sich ihre Popularitätswerte. Im Wahlkampf wird sie aber von rechten Demonstranten ausgepfiffen.
Bekannt für Kehrtwenden
Merkel wurde für Kehrtwenden bekannt, etwa bei der Atomenergie: Erst machte sie den von Rot-Grün durchgesetzten Atomausstieg rückgängig, um ihn wenig später nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 wieder in Kraft zu setzen.
Sie stimmte der Aussetzung der Wehrpflicht zu, die lange Zeit als Markenkern konservativer Politik galt. Kurz vor Ende der Wahlperiode gab sie dann auch freie Bahn für eine Abstimmung über die Ehe für alle.
Konservative Kritiker werfen ihr seit langem vor, die CDU habe unter ihr an Profil verloren und sei zu weit nach links gerückt. Als Machtpolitikerin verstand sie es aber immer, innerparteiliche Gegner beiseite zu schieben.
«Sie kennen mich»
Zu Merkels Markenzeichen wurden die zu einer Raute vor dem Bauch geformten Hände. «Sie kennen mich», sagte sie vor der Wahl 2013 den Fernsehzuschauern, und auch jetzt wirbt sie damit, dass sie für Kontinuität stehe.
Privat kennen die Deutschen ihre Kanzlerin allerdings nur wenig. Es ist bekannt, dass sie nicht im Kanzleramt wohnt, sondern in einer Etagenwohnung bei der Berliner Museumsinsel. Von den deutschen Medien wird es schon als bemerkenswert registriert, wenn sie einmal ein Kochrezept zum Besten gibt. Verheiratet ist die kinderlose Kanzlerin seit 1998 in zweiter Ehe mit dem öffentlichkeitsscheuen Quantenchemiker Joachim Sauer.
(sda/ccr)