Anton Schlecker blickt starr zu seinen Anklägern. Der Mann, der einst in abenteuerlicher Geschwindigkeit ein Drogerie-Imperium errichtete und es ebenso schnell wieder verlor, wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ein Gericht in Deutschland verurteilte den 73-Jährigen am Montag wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 54'000 Euro.
In weisser Farbe auf blauem Grund fand sich sein Name noch vor fünf Jahren in nahezu jedem deutschen Dorf: «Schlecker», das verbanden die Menschen einst mit günstigen Drogerieprodukten. Nun verbinden sie es mit einer der grössten Pleiten der jüngeren Geschichte. Es war im Jahr 2012, als sein Unternehmen Insolvenz anmeldete und 30'000 Beschäftigte ihre Arbeit verloren.
Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass er als Eigentümer der gleichnamigen Drogeriekette in den Monaten vor der Pleite Vermögen in Millionenhöhe zugunsten seiner Familie beiseite geschafft hatte - Geld, das den Gläubigern am Ende fehlte. Schlecker selbst ist heute mittellos.
Regelmässige Kontrollen
Die Pleite seines Lebenswerks bedeutete auch für Anton Schlecker den Ruin, denn als eingetragener Kaufmann haftete er mit seinem Privatvermögen. Ungewöhnlich für einen Konzern, der zeitweise mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz machte. Doch die Rechtsform hatte einen Vorteil: Schlecker konnte in seinem Imperium durchregieren, ohne Rücksicht auf andere.
Früher, als die Läden noch liefen, habe im Hinterzimmer eines jeden Geschäfts ein Foto von Anton nebst Gattin Christa hängen müssen, erinnern sich ehemalige Verkäuferinnen. Tradition hatten auch die Touren, die der Patriarch unternahm.
In einem seiner schnittigen Sportwagen klapperte er Filialen ab, um höchstpersönlich nach dem Rechten zu sehen. Am Ende stand er dort vor halbleeren Regalen. Die Warenbeschaffung war zum Problem geworden, denn die Geschäfte liefen nicht mehr gut und dem Unternehmen ging das Geld aus.
Starker Expansionseifer
Dabei galt Schlecker einst als begnadeter Unternehmer. Am 28. Oktober 1944 als einziger Sohn unter drei Geschwistern in Ulm geboren, sollte er später in den elterlichen Metzgereibetrieb einsteigen.
In der Freizeit spielte Anton junior in der betriebseigenen Elf. Im Fussball - und im Berufsleben gab er Gas: 1965 legte er mit gerade einmal 21 Jahren die Meisterprüfung ab. Er war der jüngste Metzgermeister der Bundesrepublik. 1970 heiratete Schlecker die Fremdsprachenkorrespondentin Christa. Im Folgejahr kam Sohn Lars zur Welt, zwei Jahre später Meike.
Als 1974 die Preisbindung für Drogerieartikel wegfiel, hatte Schlecker die entscheidende Idee: Er setzte nicht länger auf Fleischwaren, sondern eröffnete 1975 im schwäbischen Kirchheim/Teck den ersten Schlecker-Drogeriemarkt. Von da an ging es steil bergauf: Nach zwei Jahren betrieb er schon 100 Drogeriemärkte, nach neun Jahren öffnete Laden Nummer 1000. Schlecker wuchs und wuchs.
Realität ausgeblendet
Am Ende wurde dem Gründer der Expansionseifer zum Verhängnis. «Aus purem Wachstum heraus sind Probleme viele Jahre zu spät angegangen worden», sagte 2012 Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.
Bereits ab 2008 verlor die Drogeriekette nur noch Geld. Es scheint, als wollte Schlecker das nicht wahrhaben. Seiner Familie machte er weiter teure Geschenke. Eine Wohnungssanierung hier, ein Karibikurlaub dort, 200'000 Euro für jeden Enkel.
Obwohl Schlecker heute selbst kein Geld mehr hat, lebt er immer noch in der alten Familienvilla hinter hohen Mauern - Gütertrennung und das Vermögen seiner Frau machen es möglich. Es könnte sein, dass Schlecker das Leben in der Villa demnächst mit dem in einer Gefängniszelle tauschen muss.
(sda/ccr)