Etwas Seltsames ist in der Hotelwelt geschehen. Egal, ob man in Auckland, Madrid, Shanghai oder Zürich eincheckt, wirken die Hotels merkwürdig vertraut: florale Tapeten und Mid-Century-Möbelklassiker in der Wohnzimmer-artigen Lobby, Rohholztische, bunte Bodenfliesen und industrielle Deko-Glühbirnen im Restaurant, Eames Plastic Chairs im Zimmer und U-Bahn-Wandkacheln im Bad. Überall begegnen wir demselben Look & Feel.
 
Dabei ist es nicht so, dass die neuen Hotels und aufgefrischten Hotelklassiker alle zu globalen Ketten mit denselben Corporate-Designern gehören würden. Vielmehr haben sich alle unabhängig voneinander eine ähnliche Hipster-Ästhetik mit demselben Vanille-Flair angeeignet. Die digitalen Plattformen verbreiten ihre «Weisheit der Massen» und die damit einhergehende Vereinheitlichung der Geschmäcker mit viraler Effizienz – dies in lässigen New-Generation-Hotels genauso wie in feinen Luxusherbergen. Mit dem Ergebnis, dass man sich überall auf der Welt stets an denselben Orten glaubt und Hotels nicht nur vermehrt einander gleichen, sondern ebenso coolen Coffee-Shops, Arbeitsräumen, Boutiquen und Lounges ähneln. Diese modernen Lebensräume können durchaus geschmackvoll sein, doch weckt deren innere Leere ein wachsendes Unbehagen.

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Charismatische Hotels, die es kein zweites Mal gibt

Wie sollen wir also reisen in dieser Ära des platten, austauschbaren Tourismus? Wie entkommen wir der globalen Spiessigkeit und wo beginnt der heutige Luxus? Für viele Reisende liegt die Antwort in charismatischen Hotels, die es in ihrer Art kein zweites Mal gibt.

Philippe Perd sagt es deutlich – und nicht ganz unbescheiden: «Es gibt nur ein Hôtel du Cap-Eden-Roc, so wie es nur eine Mona Lisa gibt.» Der Hausherr dieser Hotelikone an der französischen Riviera bringt das gegenwärtige Anforderungsprofil an ein ideales Hotel auf den Punkt: Der Einmaligkeitscharakter ist in den Augen fortgeschrittener Reisender und den insgesamt 184 beurteilenden Experten im 22. BILANZ-Hotel-Ranking von zentraler Relevanz.

Die Methodik

Das Hotel-Ranking der BILANZ basiert auf 600 Expertentests in den letzten 18 Monaten, auf einer schriftlichen Umfrage bei 108 Schweizer Top-Hoteliers, auf den aktuellen Bewertungen relevanter Reisepublikationen und Testportale sowie auf den Erfahrungen von 76 befragten Hotelkennern und Reiseprofis. BILANZ rechnete die Einstufungen dieser vier Bewertungssäulen in ein einheitliches 100-Punkte-Schema um.

Hier geht’s zu den vollständigen Ranglisten des BILANZ-Hotel-Rankings 2018.

Trend 1: Hideaways mit Einmaligkeitscharakter

Mehr denn je geht es für Hoteliers heute darum, eine Gegenwelt zur schleichenden Gleichförmigkeit zu erschaffen und dabei die eigenen Normen und Werte so hinreissend umzusetzen, dass sowohl die herkömmlichen Bewertungskriterien als auch die Zimmerpreise oder das Wetter für den Gast keine entscheidende Rolle mehr spielen.

Wer ins «Hôtel du Cap» reist, fährt nicht einfach an die Côte d’Azur, sondern taucht hier in eine andere Welt und Zeit ein, so famos wie in den schönsten Filmen. Im mediterranen Privatpark fühlt man sich wie am Set von Fitzgeralds «Zärtlich ist die Nacht», während das lautlos aufmerksame Hotelteam für einen ganz heutigen Energiefluss sorgt.

Auch die Villa Feltrinelli am Gardasee, die in der Kategorie der weltbesten Ferienhotels (siehe Bildergalerie unten «Die weltbesten Ferienhotels 2018») vom elften auf den zweiten Rang hochkletterte, ist ein finessenreicher Gegenentwurf zum Luxus-Mainstream. «Je platter die anderen Hotels werden, desto mehr Mühe geben wir uns, das standardisierte Hospitality-Denken über Bord zu werfen», sagt der Schweizer Gastgeber Markus Odermatt.

In derselben Liga spielen auf ihre ganz eigene Art das Inselresort Fregate Island Private auf den Seychellen, das Post Ranch Inn in Kalifornien, das Soneva Jani auf den Malediven, Schloss Elmau in Bayern und das Riffelalp Resort ob Zermatt.

Trend 2: Vom Einfachen das Beste

Im Zuge des neuen Luxus gehen urbane Erfolgsgestresste, die um die Kostbarkeit ihrer freien Stunden wissen, tendenziell nicht mehr dreimal pro Jahr auf Fernreisen, sondern nur noch einmal alle drei Jahre. Dafür sehnen sie sich öfter mal nach ländlich-kultivierten Fluchtpunkten in der Nähe, suchen nach Perfektion in der Einfachheit, tanken neue Lebensenergie bei langen Bike- und Wandertouren in unverschandelter Natur oder finden bei einem Yoga-Retreat wieder zu sich selber.

Zyniker nennen dies «Langeweile-Tourismus». Doch Hotels an einstigen B- oder C-Standorten fernab von Glamour und Betriebsamkeit, dafür mit hohem Erholungswert und einer Aura von Wärme und Herzlichkeit, gewinnen an Bedeutung. Bodenständig ehrliche, oftmals familiengeführte Häuser mit charmantem Design und lustvoller Küche wie die Post Bezau im Bregenzerwald, die Adler Mountain Lodge auf der Seiser Alm oder das Parkhotel Bellevue in Adelboden haben in diesem Markt ihre Chance erkannt und ihr Angebot so erweitert, dass es ermattete Stadtmenschen locker auch eine Woche in der Provinz aushalten.

Trend 3: Wildnis mit Stil

Eine weitere Lösung des anspruchsvollen Reisenden, sowohl dem Mehrheitsgeschmack als auch dem Overtourism zu entfliehen, besteht darin, tatsächlich zu neuen Horizonten in den entlegensten Regionen der Erde aufzubrechen und Wow-Erlebnisse in wilder Natur zu suchen, ohne dabei ein Jota an Komfort zu opfern.

Hierfür scheint die Deplar Farm im Norden Islands das Modell der Stunde zu sein – auch weil viele mal das magische Grün und Violett des Polarlichts erleben wollen. Gleichermassen wichtige Punkte auf der Landkarte der betuchten Freizeit-Abenteurer sind das Amangiri in der Canyon-Wüste von Utah und das Tierra Patagonia im chilenischen Nationalpark Torres del Paine sowie die Safari-Destinationen Singita Sabora Tented Camp in der Serengeti und Sandibe Okavango Lodge in Botswana.

Trend 4: Reiseziel «Ich»

Für andere Urlauber besteht der neue Luxus darin, ihrem Körper das zurückzugeben, was ihm vom täglichen Wahnsinn geraubt wurde. Vorbeugende Gesundheitsmassnahmen unter ärztlicher Anleitung sind ein Riesending im Tourismus, und keinem Health-Retreat gelingt die Umsetzung derzeit so gut wie dem Palace Merano in Südtirol.

Ähnlich gut schneiden das Como Shambhala Estate auf Bali, das Chiva Som in Thailand sowie die beiden Schwesterbetriebe Lanserhof Lans in Tirol und Lanserhof Tegernsee in Oberbayern ab. In der Schweiz hat sich das Waldhotel im Bürgenstock Resort als Kompetenzzentrum für «Health & Medical Excellence» eingeführt, was unbedingt stimmt und den Neuling auf Platz 9 vor das Grand Resort Bad Ragaz katapultiert (siehe Bildergalerie oben «Die besten Ferienhotels der Schweiz 2018»).

Trend 5: Old Cool

Natürlich begeistern nach wie vor auch zahlreiche Herbergen in den urbanen Zentren und altbekannten Sehnsuchtszielen. So gelingt es manchen Hotelikonen, ihre Rolle im 21. Jahrhundert neu zu definieren, die Faszination des Besonderen am Leben zu erhalten und gar noch attraktiver zu werden als je zuvor. Das Art-déco-geprägte Claridge’s in London ist eines dieser Häuser, die jene Gelassenheit und gewachsene Aura ausstrahlen, die man mit Geld allein nicht kaufen kann.

Auch The Mark in New York, Le Bristol in Paris, The Peninsula Hong Kong oder das Sunset Tower Hotel in Los Angeles zählen zu den Fixsternen am Hotelhimmel, die schon viele Generationen von Gästen glücklich gemacht haben und zugleich ganz von heute sind (siehe Bildergalerie unten «Die weltbesten Stadthotels 2018»).

Hierzulande sind insbesondere das Beau-Rivage Palace in Lausanne, das Fairmont Le Montreux Palace und das Les Trois Rois in Basel, aber auch das erstplatzierte Castello del Sole in Ascona und das Gstaad Palace in Würde gereifte Orte, die sich nicht wie Stillstand anfühlen, sondern wie zeitgemässe Perfektion.

Sie stellen sicher, dass sich bestens geschulte Mitarbeiter flexibel und situationsabhängig auf jeden einzelnen Gast einzustellen verstehen – und dass es lange nachdem im letzten Pop-up-Lokal der letzte Matcha Chai Latte geschlürft wurde noch einen sachverständigen, empathischen Concierge wie Gianluca Turvano geben wird (siehe Bildergalerie unten «Die zehn Hotelmitarbeiter des Jahres 2018»).

Trend 6: Tiefgestapelter Luxus

Die grösste Gefahr droht all diesen Traditionshäusern von den neuen Märkten: Seit Gäste aus den kometenhaft aufstrebenden Schwellenländern begonnen haben, sich mit oft prolligem Gehabe in den Hotelklassikern breit zu machen, wendet sich der etablierte Gast unweigerlich ab. Und sucht sich ein raffinierteres Umfeld mit tiefgestapeltem Luxus. So geben sich Hotels nach aussen hin neuerdings gern so, als wären sie gar kein Hotel.

Im Ett Hem in Stockholm ist dieser Trend auf die Spitze getrieben. Man fühlt sich, als wäre man zu Besuch in der Stadtvilla eines wohlhabenden Freundes, der gerade verreist ist, aber für alles gesorgt hat und die Gäste der Obhut seines liebenswerten Personals überlässt. Mit dem verschwiegenem Charme eines Privatclubs und gekonntem Understatement betören auch La Réserve Paris und The Lowell in New York, das J.K. Place Roma und das Aman Venice. Sie zählen jeweils zu den höchstbewerteten Hotels ihrer Destination.

In Schweizer Städten ist die Nische der leisen, bewusst unter dem Radar fliegenden Nobelabsteigen erst noch kunstgerecht zu besetzen – am ehesten wird das wunderbare Dreisternehotel Florhof in Zürich diesem Anspruch gerecht. Doch haben die heimischen Ferienhotels Le Crans in Crans-Montana, Paradies in Ftan und The Omnia in Zermatt eine diskrete Strahlkraft, der sich verwöhnte Reisende nicht entziehen können. Unter den internationalen Ferienhotels sind die Huka Lodge in Neuseeland, das &Beyond Vira Vira im chilenischen Pucón und The Cotton House auf der Karibikinsel Mustique unaufgeregt faszinierende Lieblingsorte der ultrareichen Bonvivants, welche die gewöhnlichen Reichen meiden möchten. Jacques Brouchier, Maître de plaisir im Cotton House, ist überzeugt: «Ein Hotel ist nur so gut wie seine Gäste.»