Peter Wuffli, Präsident der «Freunde der FDP», ist derzeit zufrieden mit den Freisinnigen: «Dass die Partei in der Lage ist, für die kommende Bundesratswahl mit insgesamt vier valablen Kandidaten aus der Romandie aufzuwarten, ist doch eine starke Leistung.»
Die anstehende Bundesratswahl rückt die FDP in den Fokus. Nicht immer nur positiv – etwa mit dem Hin und Her um eine Kandidatur des Parteipräsidenten Fulvio Pelli. Doch mit Pellis Verzicht und der rechtzeitigen Nomination des Neuenburger Ständerats Didier Burkhalter und des Genfer Nationalrats Christian Lüscher, der als Anti-EU-Hardliner auch der SVP genehm ist, haben die Freisinnigen jüngst wieder Terrain gutgemacht. Und sollten sie doch einen Sitz an die CVP mit deren Kandidaten Urs Schwaller verlieren? Zumindest FDP-Freund Wuffli wäre weiterhin in Spendierlaune: «Die Welt würde deswegen nicht untergehen.»
Der frühere UBS-CEO politisiert gerne. Das ist selten geworden unter Managern, in den vergangenen Dekaden war eher Politkverdrossenheit angesagt. Doch ein kleines Grüppchen von Wirtschaftsleuten organisierte sich im Herbst 2004 entgegen dem Zeitgeist: wirtschaftliche Hochkaräter, neben Wuffli etwa der damalige Credit-Suisse-Präsident Walter Kielholz, Unique-Frontmann Andreas Schmid und Novartis-Lenker Daniel Vasella. Sie wollten sich aktiv für die freisinnigen Anliegen ins Zeug legen (siehe «Mitgliedschaft ist Privatsache» in 'Weitere Artikel').
Das früher engmaschige Netz zwischen Politik und Wirtschaft war lose geworden. Die Gründe für die Entfremdung: die Internationalisierung der grossen Konzerne, der zunehmende Performance-Druck auf die Topmanager und letztlich auch einseitige Interessen von Polit- wie Wirtschaftsseite.
Vor einem Jahr dann erlebte die Beziehung zwischen Politik und Wirtschaft mit der Finanzkrise eine Zerreissprobe. Ausgerechnet die UBS musste um Staatshilfe anklopfen. Da krachte es auch ordentlich im Gebälk beim Club der privaten FDP-Gönner. Der frühere UBS-CEO und Topverdiener Wuffli geriet als Präsident des Vereins unter Beschuss. Intern von Vertretern des Werkplatzes, aber vor allem vonseiten der eigenen Partei. Die Glaubwürdigkeit des Gönnerclubs stand auf dem Spiel.
Vasellas Ärger. Der Aargauer Nationalrat Philipp Müller verlangte öffentlich Wufflis Rücktritt, weil dieser zum Imageproblem für die Liberalen werde. Der Ton wurde leicht gehässig. Fraktionschefin Gabi Huber meinte zur Frage eines Rücktritts von Wuffli: «Ich hoffe, er sieht selber ein, dass ein solcher Schritt angebracht wäre.» FDP-Präsident Fulvio Pelli meinte Ende Oktober 2008, Wufflis Rücktritt als Präsident der Freunde sei «eine offene Frage». Im vergangenen Winter wurde die Angelegenheit im Vorstand des Vereins und mit dem Parteipräsidium diskutiert. «Sie ist seither vom Tisch», erklärt Wuffli heute.
Nicht zuletzt weil er mit einem überraschenden Coup seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nahm. Wuffli kündigte von sich aus an, er werde einen Teil seiner UBS-Boni zurückzahlen. Und er lobt heute die FDP sogar dafür, wie «konsequent» sie die liberalen Grundsätze in der Krise hochgehalten habe.
Andere reagierten dünnhäutiger. Daniel Vasella etwa hat den Club der FDP-Sympathisanten verlassen. Er war offensichtlich verärgert darüber, dass Fulvio Pelli Vasellas zweistelliges Millionensalär öffentlich kommentierte, und meinte: «Manchmal arbeitet die Wirtschaft gegen ihre Interessen, indem sie übertreibt.» Der FDP-Präsident hatte kein Blatt vor den Mund genommen und gegenüber der «NZZ am Sonntag» gesagt: «Herrn Vasella fehlt die Tugend der Bescheidenheit; ich als Liberaler schätze Bescheidenheit. Ich bin also mit Herrn Vasella nicht einverstanden. Aber ich weigere mich zu sagen, wie viel er verdienen soll. Das müssen die Aktionäre von Novartis entscheiden, nicht Pelli.»
Zu viel für den Novartis-Chef. Er gab seinen Austritt aus dem Verein und scheint nachhaltig verstimmt. «Viele Parteiexponenten» seien ihm «zu anpässlerisch», meinte der Pharma-Boss kürzlich in einem «Blick»-Interview: «Sie opfern ihre Haltung der kurzfristigen Popularität.» Und weiter: «Es ist kein Geheimnis, dass ich mit Herrn Pellis Parteiführung nicht glücklich bin.» Wie viele andere Wirtschaftsleute lobt Vasella dagegen die «Schärfe der Positionen der SVP unter Christoph Blocher».
Den Vorwurf, dass die Kritik an den Spitzenboni während der Finanzkrise rein populistisch motiviert war, will der Generalsekretär der Partei, Stefan Brupbacher, nicht gelten lassen. Man habe ganz einfach getreu den liberalen Grundsätzen reagiert. Dass das nicht nur Freude ausgelöst habe, sei «selbstverständlich». Abgesehen von dem einen Austritt hätten die Diskussionen aber eher dazu geführt, dass man sich näher gekommen sei.
Das ist gut so, denn finanziell leisten die Freunde der FDP mit rund 500 000 Franken jährlich einen gewichtigen Beitrag in die Parteikasse. Bei einer Million Franken Fraktionsgeldern vom Bund und zwei Millionen Franken privaten Zuwendungen trägt der Verein somit ein Sechstel der gesamten Mittel bei und immerhin ein Viertel der freien Zuflüsse. Ein bedeutender Beitrag, gerade in Zeiten, in denen viele Firmen aus Spargründen oder grundsätzlichen Überlegungen ihr Parteiensponsoring überdenken.
Persönliche Chemie. Ein wichtiger Geldgeber fällt zumindest in diesem Jahr aus: Die FDP verzichtet auf Spenden der UBS, solange diese vom Staat unterstützt wird. Die Grossbank ihrerseits hat vorderhand jegliche Parteienfinanzierung in der Schweiz eingestellt und prüft, ob künftig wieder Beiträge fliessen sollten. Der Hintergrund: Als der Bund sich indirekt bei der Grossbank beteiligt hatte, wurden Klagen laut, dass ein staatlich gestütztes Institut nicht einzelne Parteien bevorzugen dürfe.
Was den politischen Diskurs angeht, ist keine spezielle Dynamik auszumachen. Als heimliche politische Masterminds agieren die Wirtschaftsführer kaum. Die Frage, ob der Verein auch zu einzelnen politischen Inhalten Stellung nehmen solle, wurde von den Initianten zu Beginn zwar diskutiert, dann aber verworfen. Den meisten wäre das in ihrer Hauptrolle in der Wirtschaft wohl zu heikel geworden. Und so beschränken sich die Freunde auf die materielle Unterstützung und den gelegentlichen Dialog. Der Austausch findet meist individuell statt. Die gemeinsamen Aktivitäten des Vereins sind eher bescheiden. Einmal im Jahr veranstalten die FDP-Freunde anlässlich der Generalversammlung Workshops mit Fraktionsmitgliedern, in denen der Ideen- und Gedankenaustausch gepflegt wird. Dazu kommen zwei Vorstandssitzungen jährlich.
Im Einzelfall aber ist der Austausch intensiv. Präsident Wuffli etwa, aber auch Vize Andreas Schmid haben einen guten Draht zu FDP-Chef Fulvio Pelli. Aktiv in der politischen Diskussion engagiert sich auch SIX-Group-Präsident und Wirtschaftsprofessor Peter Gomez. Zudem sitzen Präsident und Vizepräsident des Vereins im beratenden Strategiegremium
der Partei. Da beklagen sich einzelne FDP-Fraktionsmitglieder schon mal, es sei nicht wirklich «transparent», wie stark der Einfluss der Wirtschaftsleute letztlich ausfalle, da «alles direkt und meist auf Präsidialebene abläuft».
Die persönliche Chemie spielt jedenfalls eine grosse Rolle. Der frühere Vereins-Vizepräsident Rolf Dörig etwa konnte es wesentlich besser mit Pellis Vorgänger Rolf Schweiger. Dörig ist von seinem Amt zurückgetreten und ist nur noch ordentliches Mitglied. Offiziell wegen der neuen Verpflichtungen als Adecco-Präsident, inoffiziell, weil er ähnlich wie Vasella nicht sehr glücklich über Pellis Parteiführung ist. Dörig und Vasella sollen nicht die Einzigen im Club mit dieser Meinung sein.
Der nüchterne Wuffli hingegen versteht sich mit dem Kopfmenschen Pelli: «Ich bin der Meinung, Fulvio Pelli macht einen guten Job, er hat sich mutig gegen Parteidissidenten ausgesprochen, die kantonalen Parteien gestärkt und es geschafft, in der Krise konsistent liberal zu bleiben.» Das einzige Handicap des Tessiners sei, so Wuffli, «dass sein Kommunikationsstil in der Deutschschweiz nicht immer gut rüberkommt».
Politmotivation. Grundsätzlich erklärt Wuffli sein Engagement so: «Für mich ist die Qualität des politischen Systems entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes.» Und Wuffli ist «mehr denn je der Meinung, dass wir da zu wenig investieren». So freimütig wie der Präsident spricht kaum ein Mitglied der FDP-Freunde über seine Politmotivation.
Da die Mitgliedschaft und auch der Mitgliederbeitrag jeweils an die Person gebunden sind, betrachten die meisten ihr Engagement als Privatsache. Anfragen an Mitglieder oder Vorstände werden fast ausnahmslos abgewimmelt. Offensichtlich wollen die Wirtschaftsführer eine zusätzliche Angriffsfläche durch ihr politisches Bekenntnis vermeiden. FDP-Generalsekretär Brupbacher sieht hinter der Zurückhaltung einfach nur die gute alte Schweizer «Tradition der Diskretion». Die Anonymität sei ein entscheidender Punkt, erklärt auch Peter Wuffli: «Viele Mitglieder wollen ihre Verantwortung wahrnehmen, aber sie möchten keinen öffentlichen Zirkus deswegen.»
Seit Anfang Jahr wirbt der Verein aktiv um neue Mitglieder, insbesondere um Vertreter des Werkplatzes und aus kleinen und mittelgrossen Betrieben, aber auch aus der Romandie und aus breiteren Kreisen über die Wirtschaft hinaus. Man will endlich den Ruf loswerden, ein exklusiver Club der Zürcher Finanzwelt zu sein. Eine «falsche Wahrnehmung», klagt Präsident Wuffli. Sie gründet freilich darin, dass neben dem Ex-UBS-CEO mit dem früheren CS-Präsidenten Walter Kielholz ein zweites Schwergewicht aus der Finanzbranche im Vereinsvorstand sitzt.
Bei vielen bleibt das diffuse Gefühl, dass «die Partei eben doch am Gängelband der Mächtigen läuft», wie ein Nationalrat sagt. Und dieser Eindruck werde erst beseitigt, wenn die Freunde durch alle Schichten hinweg vertreten seien.
Die Akquisition von neuen Sympathisanten «läuft gut», freut sich FDP-Sekretär Brupbacher. Der Verein zählt mittlerweile über 160 Mitglieder, 20 Prozent mehr als vor einem Jahr. Nicht zuletzt die Wirtschaftskrise, so meint er, habe den Leuten bewusst gemacht, «dass eine liberale Politik nicht einfach vom Himmel fällt». Auch Präsident Wuffli glaubt, dass die Krise zu einer «Jetzt erst recht»-Haltung geführt habe und angesichts einer drohenden Regulierungswelle zu einem verstärkten Einsatz für liberale Werte.
Tatsächlich geht seit der grossen Krise in der Firmenwelt die Angst vor neuen Schranken durch die Politik um. Hier bietet sich eine Chance für die Freisinnigen. Die SVP wartete lange Zeit mit mehr Charisma und Köpfen auf und punktete mit Unternehmer Christoph Blocher auch in der Wirtschaftswelt, wo Firmenchefs wie Marcel Ospel oder Daniel Vasella ungeniert mit der Volkspartei flirteten. Doch seit der Blocher-Abwahl verstrickte sich die Partei in interne Konflikte.