Das Gewächshaus ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 120 Personen sind an diesem 12. April ins Gartencenter Guggenbühl gekommen – so viele wie noch nie bei einem Anlass der FDP-Sektion Bonstetten-Stallikon-Wettswil. Grund für den Grossandrang: der Auftritt von Petra Gössi.

An diesem Mittwochabend also referiert die neue FDP-Präsidentin zwischen Zitronenbäumen, Töpfen mit Bougainvilleen und Jasminsträuchern über die Bedeutung der bilateralen Verträge, ihre Skepsis gegenüber einem EU-Rahmenabkommen und die Nachteile der Vorsorgereform. Sie tut dies unaufgeregt, ganz ohne Sprechnotizen, und lässt sich nicht aus dem Konzept bringen, auch wenn ihr mal ein Wort nicht in den Sinn kommt – wie etwa «dieser Koordinationsabzug», ein Fachbegriff aus der zweiten Säule. «Ich kann mir dieses Wort einfach nie merken», sagt sie – und lacht. Spitzbübisch. So wie sie immer wieder lacht.

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Vergleich mit Doris Leuthard

Und die Zuhörer lachen mit ihr. Beim Apéro unterhalten sie sich darüber, dass es eben auch diese kleinen Fehler seien, die Gössi menschlich machten, sympathisch, authentisch. Einige ziehen gar schon den Vergleich mit Doris Leuthard, die heute jedes Popularitätsranking dominiert – und von 2004 bis 2006 in ihrer kurzen Präsidentschaft der CVP wieder etwas Selbstvertrauen einflösste. Nach dem Leuthard-Effekt könnte es also einen Gössi-Effekt geben, sagt eine Bonstetterin. Und ihre Begleiter nicken.

Obwohl: Die Ausgangslage für Gössi ist eine ganz andere. Leuthards CVP lag nach den Wahlen 2003 am Boden. Sie hatte nicht nur – wie in allen Jahren zuvor – nochmals Wähleranteile eingebüsst, sondern auch einen ihrer zwei Bundesratssitze an Christoph Blocher und seine SVP verloren.

Da hat es Gössi deutlich komfortabler. Ihr Freisinn ist nach jahrelangem Sinkflug vor rund drei Jahren wieder auf die Siegerstrasse eingebogen. Ein erstes Indiz für die Trendwende zeigte sich bei den bernischen Kantonswahlen im Herbst 2014: Die FDP gewann 0,3 Prozent. Nicht viel zwar und auf historisch tiefem Niveau. Aber immerhin. Im Frühjahr 2015 folgte die Bestätigung: in Baselland mit einem Plus von 3,9 Prozent, in Luzern mit 2,2 und in Zürich mit stolzen 4,4 Prozent.

Als Stand-up-Comedian durch die Schweiz

Aus der Loser-Partei war plötzlich wieder eine potenzielle Gewinnerin geworden. Das verdankt sie auch ihrem damaligen Präsidenten. Die Forscher vom Institut GfS Bern orteten schnell «einen signifikanten Philipp-Müller-Effekt», wie Co-Leiter Lukas Golder festhält.

Der Gipser aus dem Aargau, wie sich Philipp Müller gerne selbst darstellte, markierte Distanz zur Grosswirtschaft, die immer wieder mit Pleiten, Staatsrettungsaktionen und Millionenboni von sich reden machte, und brachte etwas Leben in den schwer gebeutelten Freisinn. Getreu seinem Motto «Mobilisieren, mobilisieren, mobilisieren» tingelte er als Stand-up-Comedian durch die Schweiz, von Sektion zu Sektion. Immer mit einem Witz im Gepäck, immer mit einem träfen Spruch zur Hand.

Wie an jenem Dienstagabend im luzernischen Dagmersellen im April 2013, wo er – angesprochen auf die Abzocker-Debatte – seinem Unmut freien Lauf liess und über ein Treffen mit einem Spitzenmanager berichtete: «Ich fragte den Manager, ob er wisse, was er mit seinen (…) Bezügen von 7,2 Millionen Franken beim Volk anrichte. Er gab mir zur Antwort, es sind nicht 7,2 Millionen, sondern 8,9 Millionen Franken. Diese Arroganz. Ein Arschloch bleibt ein Arschloch.» Das «Zofinger Tagblatt» übermittelte die Episode. Die Basis applaudierte, die Medien nahmen die grossen Lettern hervor und empörten sich über Müllers Wortschatz, doch die Aufregung legte sich schnell.

Das war bei seinem Vorgänger Fulvio Pelli noch ganz anders: Als dieser 2007 Daniel Vasella – mit vergleichsweise milden Tönen – fehlende «Tugend der Bescheidenheit» vorwarf, reagierte der Novartis-Lenker prompt: Er trat beleidigt aus den «Freunden der FDP» aus.

Jahrelanger Versuch

Jahrelang hat die FDP versucht, ihr Image als willige Erfüllungsgehilfin der «Abzockergilde» abzulegen, die Firmen wie die Swissair und die UBS an den Rand des Ruins trieb. Pelli, der Tessiner Anwalt mit vielen Verwaltungsratsmandaten, zeigte zwar den Managern immer wieder die rote Karte, ja er empfahl nach Brady Dougans 70-Millionen-Bonus den CS-Aktionären gar, den Vergütungsbericht abzulehnen.

Damals war das ein bemerkenswerter Akt und markierte den Anfang vom Ende der langjährigen Freundschaft zwischen der Schweizerischen Kreditanstalt und dem Freisinn. Doch Pelli drang damit nicht durch. Dafür brauchte es einen Müller – und ein A-Wort.

Das neue Selbstbewusstsein der FDP

Trotzdem: Die FDP bleibt die Partei der Wirtschaft. Für den Präsidenten der «Freunde der FDP», Peter Gomez, ist sie «alleinige Wirtschaftspartei». Der Gönnerverein zählt heute rund 250 Mitglieder. Die Mitgliederliste ist geheim, bekannt ist nur, dass neben Gomez Multiverwaltungsrat Andreas Schmid und Swiss-Re-Doyen Walter Kielholz im Vorstand sind.

Gegründet wurden die «Freunde» 2004, als der Zuger Anwalt Rolf Schweiger die FDP führte. Er verfolgte zwei Ziele: Erstens wollte er die Politik dafür sensibilisieren, dass es für den Wohlstand in der Schweiz nebst dem gewerblichen Sektor auch Weltkonzerne brauche. Und zweitens hoffte er, mit dem Verein die finanzielle Basis der FDP zu verbreitern. «Andere Parteien haben einen Mäzen, die FDP dagegen hat viele Freunde», sagt Schweiger mit Seitenhieb gegen die SVP und Blocher.

Die «Freunde» zahlen je 2000 Franken oder mehr, was der Partei jährlich mindestens eine halbe Million in die Kasse spült. Ein ähnliches Konstrukt gibt es auch in Gössis Heimat, gegründet 2005. Treiber war der Unternehmer Stefan Hiestand, der damals in der Geschäftsleitung der Kantonalpartei sass. Mit dabei war auch die frisch gewählte Kantonsrätin und Parteisekretärin Gössi. Die «Freunde der FDP Schwyz» sind ein exquisiter Club mit 35 Mitgliedern, wie Hiestand erklärt, der die Vereinigung noch heute präsidiert.

Profitieren vom direkten Austausch

Ob Schweiz oder Schwyz, die Gönnervereine sehen sich nicht nur als reine Zahlstelle. Ihre Mitglieder profitieren vom direkten Austausch mit FDP-Parlamentariern oder Exekutivpolitikern. So gibt es nach Abschluss jeder Session in Zürich ein Mittagessen, bei dem Gössi in Begleitung von Fraktionschef Ignazio Cassis und allenfalls weiterer National- oder Ständeräte jeweils die neusten politischen Entscheide aus Bundesbern erklärt.

Gössi betont, dass es sich dabei nicht etwa um eine Befehlsausgabe der Wirtschaft an die Partei handle. Im Gegenteil: «Ich nutze jeweils die Gelegenheit, den Unternehmern zu erklären, dass die FDP nicht nur für optimale wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen kämpfen kann, sondern auch Antworten finden muss auf die sozialpolitischen Fragen.» Liberalismus bedeutet für sie «Selbstverantwortung, gepaart mit sozialer Verantwortung».

Und sie redet den Mitgliedern ins Gewissen, dass sie selbst wieder mehr Verantwortung übernehmen und eigenständig dazu beitragen sollten, gesellschaftlich relevante Probleme zu lösen. Im Gegenzug würden Gesellschaft und Politik der Wirtschaft wieder mehr Spielraum gewähren. Das ist ihr «New Deal».

Sie sagt, was sie denkt

Es ist Ausdruck des erstarkten Selbstbewusstseins beim Freisinn. Und Gössi strotzt davon. Sie steht zwar wie viele Unternehmer ein für eine rigide Finanzpolitik, einen schlanken Staat, weniger Bürokratie und mehr Wettbewerb – und damit grundsätzlich für die Interessen der Wirtschaft. Aber diktieren lässt sich die 41-jährige Juristin nichts.

Sie sagt, was sie denkt. Und sie sagt es direkt, in ihrem Schwyzer Dialekt. Sie scheut auch keine Kraftausdrücke und denunzierte etwa in der hitzigen Zeit, als es um die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative ging, die CVP-Vorschläge im «Bund» als eine «Verarschung des Souveräns». Für viele war das zu ordinär, Gössi hingegen steht zu ihrer Aussage. «Im Muotatal kann man nicht lange um den heissen Brei reden.» Man müsse sagen, was Sache sei. «Wenn es jemandem nicht passt, dann soll er mich halt beim nächsten Mal nicht mehr wählen.»

Es war nicht das einzige Mal, dass Gössi die CVP angreift. Sie tut es immer wieder. Das hat auch mit den Schwyzer Verhältnissen zu tun, wo die Christdemokraten, die einstigen Machthalter, von der SVP an den Rand gedrängt wurden und nach links auswichen, was Gössi nicht verstehen kann. Der Konflikt hat aber auch mit Gerhard Pfister zu tun, der mit seiner CVP der FDP den Rang als «die Wirtschaftspartei» ablaufen will.

Weniger Berührungsängste mit der SVP

Mit der SVP hat Gössi weniger Berührungsängste. Kantonal ging sie eine Listenverbindung mit ihr ein. Auf nationaler Ebene hingegen versucht sie Distanz zu markieren und kritisiert das Gebaren der SVP als «Kampfrhetorik» und «Ankündigungspolitik» – etwa bei der immer wieder angedrohten Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit. «Die SVP soll diese doch endlich lancieren, statt nur darüber zu reden. Wir sind bereit, wir werden sie bekämpfen.»

Verbiegen will sie sich nicht. Offen gibt sie auf dem Podium in Bonstetten zu, dass sie persönlich gegen die Energiestrategie 2050 sei, obwohl ihre Partei die Ja-Parole beschlossen hat. «Natürlich hätte ich, als ich sah, dass das Projekt von der FDP mehrheitlich unterstützt wird, am Schluss der parlamentarischen Debatte ins Ja-Lager wechseln können. Dann hätte ich diese Unstimmigkeit aus dem Weg geräumt.» Aber Gössis Schwyzer Grind hat das nicht zugelassen. «Man muss immer ehrlich bleiben.»

Verlieren verboten

Pellis strategische Arbeit und Müllers Mobilisierungs- und Abgrenzungseffort: Das ist das Fundament, auf dem Gössi jetzt aufbauen kann – und muss. Denn für sie heisst es: Verlieren verboten. Sonst geht sie in die Geschichte ein als jene Präsidentin, welche die historische Chance verspielt hat, den Freisinn wieder zu stärken. Bis anhin sieht es gut aus: Die FDP gehört weiterhin zu den Siegerinnen. Seit den Nationalratswahlen hat sie in kantonalen Parlamentswahlen insgesamt 20 Sitze gewonnen, 9 davon in der Ära Gössi. Offen ist, ob das schon ihr Verdienst ist oder ob die Partei noch von Müllers Schwung profitiert. Politologe Golder tendiert eher zur zweiten Interpretation.

Medial jedenfalls hat Gössi noch keine grossen Pflöcke eingeschlagen. Bei den gewichtigen Dossiers – Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, Energiestrategie und Altersreform – liess sie Parteikollegen den Vortritt. Nur bei der Steuerreform war sie in der ersten Reihe, wurde dort aber von ihren Mitstreitern übertönt.

Niemand in Bundesbern hatte Gössi für den FDP-Chefposten auf dem Radar, als der frühere Parteipräsident Franz Steinegger ihren Namen in die Runde warf. Einige konnten sich einen spöttischen Kommentar nicht verkneifen. Doch sie mussten in diesem Jahr lernen, dass sie Gössi nicht unterschätzen sollten. Auch wenn sie mehrheitlich noch immer als «unfassbar» gilt: Persönlich mögen selbst ihre Gegner die Frau, die gerne lacht und bei der Politik immer sachlich bleibt.

Was Gössi genau antreibt, vermag aber niemand so richtig zu sagen. Und ebenso unklar bleibt, wer eigentlich ihre «Freunde» sind. Nicht selten sieht man sie in der Session während der Mittagspause 
alleine im Bundeshaus-eigenen Café Vallotton sitzen.

Skeptiker sind verstummt

Bei der FDP hingegen hat sie alle für sich eingenommen. Keiner weiss etwas Negatives zu berichten, auch jene nicht, die zu Beginn skeptisch waren. Wie etwa Alain Schwald, Vorstandsmitglied der Jungfreisinnigen Zürich. Gössis gesellschaftspolitisch eher konservative Ansichten sowie ihr Auftritt beim Kongress der Jungpartei hätten ihn nicht überzeugt, sagt er am Rand des Bonstetter Anlasses im Gewächshaus. Jetzt kommt er aus dem Loben gar nicht mehr heraus: Sie sei «publikumsnah», «fantasievoll», «authentisch».

Gössi selbst räumt Fehler ein und sagt, dass man auch Zeit brauche, in ein Amt hineinzuwachsen. «Hauptsache, die Lernkurve zeigt steil nach oben.» Die Schweiz ist mehr als Schwyz, auch wenn der Kanton mit seinen reichen Zürichseegemeinden und dem ärmeren, bäuerlich geprägten Hinterland eine Art «Abbild der Schweiz» sei.

Gelernt hat Gössi in diesem Jahr etwa, dass die Geschlechterfrage durchaus real ist. «Ich hätte nie gedacht, dass mich die Frage ‹Mann oder Frau?› je beschäftigen würde.» Doch das tut sie immer wieder. Etwa wenn der Publizist Peter Rothenbühler ihr in der «Schweizer Illustrierten» empfiehlt, «sich einer kleinen Stilberatung» zu unterziehen, «denn offenbar gehört die Auswahl der passenden Kleider nicht zu Ihren Kernkompetenzen». Gössi nimmt es mit Humor, weiss aber, dass ihre männlichen Ratskollegen «in ihren ausgebeulten Anzügen» so etwas nie werden lesen müssen.

Schollenverbunden

Auch die welschen Parteikollegen mögen sie, obwohl ihr Französisch «noch über einen merklichen Spielraum für Verbesserungen verfügt», wie «Le Temps» es höflich formulierte. Gössi nimmt zwar einmal die Woche Französischstunden und liest Joël Dickers «Le Livre des Baltimore» in der Originalversion. Die Fortschritte aber sind überblickbar. «Das muss besser werden», räumt sie ein – und lacht. Italienisch hingegen beherrscht sie, stammt doch ihre Mutter aus dem Tessin. Als zweisprachig bezeichnet sie sich aber nicht, denn letztlich ist sie, das Einzelkind, zusammen mit ihren Cousins aufgewachsen – und da hat man Deutsch gesprochen. In Küssnacht am Rigi.

Das ist der Ort ihrer Kindheit, der Ort, wo sie heute noch wohnt, wo es sie wieder hingezogen hatte nach Aufenthalten in Bern und Zürich. Die FDP-Präsidentin spricht von «Schollenverbundheit» und der «Nähe zur Natur», was ihrem Drang nach Sport entgegenkommt: Sie taucht, fährt Ski, klettert. Gössi ist nicht verheiratet, hat keine Kinder, mehr verrät sie nicht.

Ihr Privatleben hält sie bewusst bedeckt, nur gerade ihr Vater Anton (78) posierte schon mit ihr. Er führt in Küssnacht ein Haushaltswarengeschäft, das er Ende Mai schliessen wird. Politisch war er nur kurz aktiv, bei den Jungfreisinnigen. Aber er hat sich lange bei der lokalen «Chlausengesellschaft» engagiert. Damit erklärt Gössi ihre Überzeugung, dass im Schweizer Milizsystem jeder etwas an die Gesellschaft zurückgeben müsse. Sei es in einem Verein, einer wohltätigen Organisation oder eben in der Politik.

Büro im «Weissen Schloss» der «Zürich»-Versicherung

Fürs Geld übernimmt niemand das FDP-Präsidium: Nebst den rund 130'000 Franken, die Gössi inklusive Spesen als Nationalrätin bekommt, erhält sie aus der Parteikasse «ein paar tausend Franken», die ungefähr ihre Spesen decken. Auf den Karrieresprung in der Politik folgte eine Lohneinbusse im Beruf. Denn sie musste ihr Pensum bei der Steuer- und Beratungsfirma Baryon von 60 auf noch knapp 10 Prozent herunterfahren.

Ihr Büro kann sie dort aber behalten, 
im «Weissen Schloss» der «Zürich»-Versicherung am General-Guisan-Quai in Zürich, auch für die Parteiarbeit – ein Privileg, wie sie einräumt. Dieses geniesst sie auch dank ihres Chefs Martin Wipfli, den sie 2004 kennen gelernt hat.

Wipfli war damals in der Geschäftsleitung der Kantonalpartei, Gössi neu Kantonsrätin. 2007, bei ihrer ersten Nationalratskandidatur, war er Wahlkampfleiter. Seitdem hat Wipfli ihre politische und berufliche Laufbahn begleitet. Und er hat ihr nach ihrem grössten Rückschlag – dem Scheitern bei der Anwaltsprüfung – eine zweite berufliche Chance angeboten, die besser zu ihrer FDP-Karriere passte als die Jobs beim Caterer oder beim Putzinstitut, die sie zwischendurch gemacht hatte. Über Wipfli, heute Gemeindepräsident von Feusisberg, und seine Baryon-Mandate kommt Gössi auch immer wieder in direkten Kontakt mit Unternehmern und Leuten aus der Wirtschaft. Allein auf die Meinung der Verbände will sie sich nicht abstützen.

Fast nur in Schwyz unterwegs

Gross ist ihr Rückhalt in der Schwyzer FDP. Früh erkannten führende Köpfe dort, dass Gössi «mehr kann, als man meint». Mit ihr wollten sie endlich den Nationalratssitz zurückerobern, den sie 2003 mit der Abwahl von Maya Lalive d’Epinay verloren hatten. Diese hatte zwar national immer wieder für Aufsehen gesorgt, die Schwyzer verweigerten ihr aber nach vier Jahren die Gefolgschaft.

Anders Gössi. Sie war in ihrer ersten Amtszeit als Nationalrätin fast nur in Schwyz unterwegs – dort dafür überall: bei den Misswahlen von Kühen, den Trachtenvereinen, den Dorffesten. «Das war ein bewusster Entscheid», sagt sie heute. Und es hat sich ausbezahlt: Sie konnte ihr Wahlresultat von 9236 auf 19 780 Stimmen mehr als verdoppeln.

Erstes Ziel: SP überholen

Jetzt steht sie also ganz an der Spitze. Ihre Herkunft, das Steuerparadies Schwyz, und ihr Umfeld, die Anwalt- und Treuhandszene, machen sie für ihre politischen Gegner suspekt. Einige glauben, sie werde ferngesteuert. «So ne Seich!» Sie sei einfach eine überzeugte Liberale. Und sie glaube, «dass das liberale Gedankengut ein riesiges Potenzial hat». Sie spricht von 30, ja 40 Prozent. Ganz so hoch aber will sie die Messlatte für die Nationalratswahlen 2019 nicht setzen. Einmal hat sie von 21 Prozent gesprochen. Jetzt will sie – mit Fraktionschef Cassis und Generalsekretär Samuel Lanz – einfach die SP überholen und die FDP als zweitstärkste Kraft positionieren.

Damit sie ihrem Ziel etwas näher kommt, hat sie Müllers Rezept nicht nur übernommen, sondern noch intensiviert. Über 100 FDP-Anlässe hat Gössi in ihrem ersten Präsidialjahr besucht. Rund zweimal pro Woche steht sie also irgendwo in dieser Mehrzweckhallen-Schweiz auf der Bühne, trifft die «Basis» in Restaurantsäli, Begegnungszentren oder eben in Gewächshäusern. Auch in Bonstetten bleibt sie noch länger bei den Leuten, spricht mit ihnen, posiert für Erinnerungsfotos, bevor sie dann in ihren Audi steigt und zurückfährt – nach Küssnacht am Rigi.