Achtung! Dies hier ist Werbung. Werbung für ein neues politisches Produkt, das einen englischen Namen trägt und Flat Tax heisst, was kein guter Name sei, wie viele Leute sagen, die das Wort zum ersten Mal hören. Dabei passt Flat Tax exzellent. Kurz und bündig, sieben Buchstaben, zwei Worte. Auf deutsch liesse sich das nicht übersetzen, sonst müsste man Steuer sagen, ein Wort, das Assoziationen weckt, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Nichts ist so unsexy wie das Thema Steuern, nichts so undurchsichtig, so undurchschaubar.
Genau! Dies ist bereits die erste Botschaft. Das Alte muss schlecht gemacht werden, denn hier wird für das Neue geworben. So funktioniert Werbung. Freilich ist es in diesem Fall derart kinderleicht, sich über das bisherige Steuersystem lustig zu machen, dass das hoffentlich allen Erwachsenen zu denken gibt. Wie kann ein System, das in erster Linie unendlich kompliziert ist, auch vernünftig sein? Effizient? Oder gerecht?
Klar, Steuern zahlt niemand gern, aber darum geht es erst am Schluss. Vorher ärgern sich die Leute, wie mühsam schon das Deklarieren ist. Dass man gezwungen wird, sich mit Formularen, Belegen, Gesetzen, Treuhändern, Tricks und Tipps und all dem Kram auseinander zu setzen, der offiziell «Wegleitung» genannt wird, bis man endlich in der Lage ist, das dicke Couvert mit allen Beilagen abzuschicken, worauf sich der Staat zunächst Zeit lässt. Nach einigen Monaten flattert eine Rechnung in Franken und Rappen ins Haus, zuerst provisorisch, bis sie irgendwann korrigiert und für definitiv erklärt wird, zu einem Zeitpunkt, an dem man mindestens ein weiteres dickes Couvert zur Deklaration abgeschickt hat. Der alljährliche Staatsterror.
Dies ist der Moment für die erste Pointe, die inzwischen hoffentlich schon so bekannt ist, dass sie als Pointe nicht mehr richtig funktioniert: Mit der Flat Tax fände die Steuererklärung auf einer Postkarte Platz. Oder «auf einem Bierdeckel», wie es ein Hotelier aus Brig volksnah übersetzt.
Schweizer Politiker tasten sich langsam, aber sicher ans Thema heran. «Bürokratie halbieren», versuchte die CVP im Herbst 2003 auf eidgenössischen Wahlkampf zu machen. «Mit der CVP wird die Steuererklärung in einer Stunde möglich». Der Slogan haute nicht wirklich hin, aber das lag daran, dass ihn die CVP nicht wirklich verkauft hat. Inzwischen sucht auch die FDP nach neuen Inhalten, um künftig etwas attraktiver zu sein. Was ist den Radikalen unter dem Titel «Avenir Radical» eingefallen? «Einfach steuern» lautet eine ihrer Top-ten-Forderungen. «Die FDP fordert eine radikale Vereinfachung des Steuersystems in der Schweiz.»
Die FDP meint das womöglich sogar ernst. Nachdem sie am 16. Mai die Abstimmung über das Steuerpaket grandios verloren hatte – womit das heutige Steuersystem übrigens noch komplizierter und ungerechter geworden wäre –, nach dieser Schlappe also redete FDP-Präsident Rolf Schweiger gegenüber der linken WoZ erstmals Klartext: «Die Vorstellung, dass man die Steuererklärung in zehn Minuten ausfüllen kann, hat politischen Charme.»
Gegenüber der rechten NZZ redete ein anderer Klartext, der in dieser Frage hoffentlich zur entscheidenden Figur wird: Hans-Rudolf Merz, unser neuer oberster Säckelmeister, freisinnig auch er. Der möchte «längerfristig noch ganz andere Reformen studieren», nannte namentlich die Flat Tax und ergänzte sibyllinisch: «Es gibt ein internes Arbeitspapier.»
Die Flat Tax ist keine Utopie. Eine ganze Reihe von Ländern haben sie eingeführt, trotz dem englischen Namen. In Russland und der Ukraine zahlen alle Leute 13 Prozent Steuern, in Estland und Lettland alle 24 oder 25 Prozent, in der Slowakei zahlen ab diesem Jahr alle Leute und alle Unternehmen 19 Prozent Steuern. Im neuen Osten sind die Steuern tatsächlich flach – englisch: flat –, und davon begeistert sind nicht nur die westlichen Investoren, sondern auch einheimische. «Wir starteten bei null. Wir mussten die Ökonomie, die Demokratie, den Rechtsstaat aufbauen», erklärt Juhan Parts, der 37 Jahre junge Premier Estlands, im «Magazin» des Zürcher «Tages-Anzeigers». «Das ist der richtige Weg. Keine Zölle, keine Steuern für Investoren, ein sehr transparentes Steuersystem.»
Zurück in den Westen, wo man noch Werbung machen muss für ein Ding, das in den USA erfunden wurde, und zwar von Urliberalen, die ihre Rezepte leider nur noch im neuen Osten an den Mann und die Frau bringen. Bei uns ist Nachhilfe angesagt: Es folgen jetzt drei Fragen, und auf jede dieser Fragen gibt es nur eine einzige Antwort, wobei sich die dritte Antwort von selbst ergibt. Womit klar wird: Die Flat Tax ist kein Hirngespinst, sondern ein Konstrukt der Logik.
Erste Frage: Warum ist das jetzige Steuersystem so kompliziert? Einzig mögliche Antwort: Weil es so viele verschiedene Abzüge gibt.
Zweite Frage: Warum gibt es so viele Abzüge? Zweite einzig mögliche Antwort: Weil sich der Staat nicht getraut, seine hohen Tarife voll und ganz zu verlangen.
Letzte Frage: Warum sind die Tarife so hoch? Dritte einzig mögliche Antwort: Weil so viele Abzüge erlaubt sind, was das Ausfüllen der Steuererklärung leider so mühsam macht, wie es ist.
Am schlimmsten wirkt das System auf die Steuersubjekte persönlich. «Der sanfte Verlust der Freiheit», nennt der ehemalige deutsche Bundesrichter Paul Kirchhof sein neues Buch. «Der Steuerpflichtige taumelt in den Freiheitsverzicht, ohne dass die rechtsstaatlichen Warnsignale dieses Freiheitsverlustes aufleuchten.» Diese Warnsignale leuchten nicht auf, weil die berühmten Abzüge, die gegen oben schier grenzenlos sind, auf die reicheren Leute wirken wie einst das berühmte Gift des Sozialismus auf die ärmeren Leute. Ohne diese Abzüge würden es die Reicheren nicht aushalten. Mit diesen Abzügen scheint ihnen das jetzige System knapp erträglich.
Das heutige Steuerwesen wird damit zu einer Art Emmentaler Käse. Es hat ein paar Löcher drin, die das Ganze gerade als noch geniessbar erscheinen lassen.
Allerdings ist unser Emmentaler kein exportfähiges Erfolgsprodukt, von Löchern wird niemand satt. Um Steuern zu sparen, muss jedes Steuersubjekt etwas tun, was es sonst vermutlich nie täte. Es muss ein Haus kaufen und dieses renovieren, während sein Nachbar, der sich eine teure Wohnung mietet und einen Porsche kauft, keinen Steuerrabatt erhält. Es muss seinen Bonus, den es für ausserordentliche Leistungen kriegt, als Nachzahlungen in eine Pensionskasse stecken, während der Geschäftskollege, der mit dem Bonus-Geld eine Segeljacht postet oder es in die Softwarefirma seines Sohnes investiert, schon wieder keinen Rabatt erhält.
Nächste Frage: Warum mutieren so viele Schweizerinnen und Schweizer zu Eichhörnchen, die ihr Geld neben der ersten und der zweiten auch noch auf einer dritten Säule verstecken? Richtig, es gibt auch hier nur eine einzig mögliche Antwort. Und zu ergänzen wäre, dass diejenigen Leute, die diese dritte Säule am wenigsten nötig haben, am fleissigsten sparen, angeblich freiwillig, in Wahrheit vom Steuervogt gezwungen.
Das Resultat dieser Politik ist messbar: Zur Zeit der Pensionierung sind die Leute im Durchschnitt nicht nur reich, sondern sehr reich. Unter den über 65-Jährigen im Kanton Zürich versteuert jeder fünfte Verheiratete mehr als eine Million Franken Vermögen, jeder zweite mehr als 359 000 Franken. Je älter die Leute, um so gigantischer ihre Rücklagen: Im Kanton Solothurn versteuern die 60- bis 70-Jährigen im Schnitt 176 000 Franken Vermögen, die 70- bis 80-Jährigen im Schnitt 258 000 Franken und die über 80-Jährigen im Schnitt 299 000 Franken.
Der Basler Ökonomieprofessor Silvio Borner kommentiert: «Bei der Altersvorsorge ist die Frage absolut berechtigt, ob das schweizerische System nicht weit über das Ziel hinausgeschossen hat. Heute lebt ein Grossteil der Rentner in komfortablen finanziellen Verhältnissen, und es werden in der Mehrzahl der Fälle sogar nach der Pensionierung noch zusätzliche Ersparnisse gebildet.» Man muss hier wohl oder übel von einer «Übervorsorge» sprechen, die ihre Ursache – Wiederholung gehört zur Werbung wie der Ärger zur Steuererklärung – im Steuersystem hat.
Umgekehrt wird das jetzige Unsystem von knallharten Lobbys verteidigt. Zum Beispiel von rund 2500 Treuhänderinnen und Treuhändern in der Schweiz, die dank 26 komplexen und kantonal verschiedenen Steuersystemen gutes Geld verdienen. Oder von den wenigen grossen und vielen kleinen Banken und Versicherungen, die mit der zweiten und dritten Säule bis hin zu steuerlich privilegierten Lebensversicherungen prächtig Geld verdienen. Und daneben gibt es unzählige kleinkarierte Politikerinnen und Politiker, die in erster Linie an das Wohl der Hauseigentümer denken und deswegen grossartig gewählt werden. All diesen Leuten sei hiermit gesagt: Bitte, kämpft weiter für die Interessen eurer Leute. Aber hört endlich auf, diese Sonderinteressen mit «belebenden Impulsen und richtigen Anreizen für die Wirtschaft» zu rechtfertigen. Wie sagt es doch der deutsche Steuerrechtler Kirchhof: «Der Staat kann dem einen nur die Gunst erweisen, wenn er den anderen dafür benachteiligt – ihm mit Missgunst begegnet.»
Strahlendes Beispiel für diese unsinnige Politik ist der Kanton Baselland, der das Wohneigentum besonders stark fördert, noch stärker als alle übrigen Kantone. Das bekommen freilich auch jene 55 Prozent der Haushalte zu spüren, die kein Wohneigentum haben. In Baselland sind die Steuertarife nämlich hoch, viel höher jedenfalls als in andern, vergleichbaren Kantonen. Den Baselbieter Wohnbauförderern sei darum das Buch von Kirchhof empfohlen. Dort steht: «Die Hoffnung auf einen steuerlichen Prosperitätsantrieb beruht auf einem Trugschluss. Der Staat kann nämlich nur leistender Wohltäter sein, wenn er vorher besteuernder Übeltäter gewesen ist.»
Dies ist – endlich! – der Kern dieser Kampagne: Die Steuern sind zu hoch. Die Tarife müssen runter. Der Staat soll nicht länger Übeltäter sein.
Das Rezept heisst Flat Tax. Man verlange von den Reichen lieber ein bisschen weniger. Aber man ziehe diese flachen Tarife dafür konsequent ein. Alle sollen gleich viel oder besser: alle sollen gleich wenig bezahlen. Wenn die noch arme Slowakei eine Flat Tax von 19 Prozent einführen kann, dann kann sich die noch reiche Schweiz wohl eine Flat Tax von 18 Prozent leisten. Damit die Erfolgreichen unter den Erfolgreichen hier zu Lande wissen: Der Staat nimmt etwas. Der Staat nimmt 18 Prozent vom Lohn und vom Gewinn und vom Zins und von der Dividende. Aber niemals mehr und nirgendwo mehr. 18 Prozent, das soll genügen für die Bundessteuer, die Kantons- samt der Gemeindesteuer. 18 Prozent, das ist übrigens exakt die heute gültige Steuerbelastung in Wollerau SZ, dem günstigsten Ort der Schweiz (6,5 Prozent für Kanton, Gemeinde, Bezirk, 11,5 Prozent für den Bund).
Spätestens an diesem Punkt bringen alle sozial aufgeschlossenen Leute den immer gleichen Einwand vor: Das sei doch nicht gerecht, wenn alle Leute, ob arm oder reich, gleich viel Steuern zahlen müssten. Die Antwort lautet: Ja, das wäre tatsächlich unsozial.
Selbst die beiden Erfinder der Flat Tax, die beiden US-Amerikaner Robert E. Hall und Alvin Rabushka, die ihr Buch «The Flat Tax» im Jahr 1981 herausgaben, haben einen Abzug zugelassen. Aber nur einen einzigen, für den es keinen Beleg, keine Quittung braucht. Völlig unbürokratisch darf jede Person eine Pauschale vom Einkommen abziehen. Die beiden amerikanischen Erfinder dachten an eine Pauschale von 25 000 US-Dollar für eine vierköpfige Familie. «Millionen von US-Amerikanern würden im Gegensatz zu heute gar keine Steuern mehr bezahlen», preist Alvin Rahbushka seine Idee, als wäre er ein europäischer Sozialdemokrat.
Auf die Schweiz von heute übertragen, heisst das: Diese Pauschale beträgt 15 000 Franken pro Person – egal, ob diese Person einmonatig oder hundertjährig ist, verheiratet oder homosexuell. Jedes Paar mit zwei Kindern weiss damit: Die ersten 60 000 Franken sind steuerfrei. Was darüber hinausgeht, wird besteuert, zum flachen Tarif, der für alle gleich ist. Zu 18 Prozent.
Konkret heisst das:
- Eine Familie mit zwei Kindern und 60 000 Bruttoeinkommen zahlt neu null Franken Steuern. Dies im Gegensatz zu heute, wo sie gemäss den offiziellen Tabellen der Eidgenössischen Steuerverwaltung in der Stadt Zürich 2472 Franken zahlt oder gar 3720 Franken wie in Freiburg (ohne direkte Bundessteuer, sie ist hier vernachlässigbar).
- Eine Familie mit 100 000 Franken Einkommen brutto zahlt neu 7200 Franken Steuern (= 18 Prozent von 40 000). Heute zahlt sie, wiederum gemäss den offiziellen Tabellen der Eidgenössischen Steuerverwaltung, in der Stadt Zürich 7750 Franken, in der Stadt Bern 10 880 Franken oder in Basel 11 770 Franken (jeweils inklusive direkte Bundessteuer, die in diesem Bereich langsam einsetzt).
- Eine Familie mit 1 000 000 Franken Einkommen zahlt mit der Flat Tax neu 169 200 Franken Steuern. Heute zahlt sie, wenigstens nach den offiziellen Tabellen der Eidgenössischen Steuerverwaltung, in der Stadt Zürich 336 000 Franken, in Lausanne sogar 366 000 Franken, in Zug 207 700 Franken und in Wollerau heute 166 000 Franken (immer inklusive direkte Bundessteuer, die hier natürlich einschenkt).
So weit das klassische Modell mit einem einzigen Abzug, einer Pauschale, die «unten» entlastend wirkt. Es gibt sogar Varianten, die für die Leute «ganz unten» noch attraktiver wären. Auch daran denkt unser Finanzminister Hans-Rudolf Merz: «Längerfristig möchte ich noch ganz andere Modell studieren», sagt er zur NZZ. «Etwa die Flat Tax, eine negative Einkommenssteuer oder Sozialabzüge vom Steuerbetrag.»
Was etwas kompliziert tönt, ist in Wahrheit simpel. In den USA spricht man von «Steuergutschriften», und solche sind auch in Grossbritannien bestens eingeführt. Auf die Schweiz übertragen, heisst dies etwas salopp: Jedes Kind erhält 5000 Franken bar auf die Hand. Und jede erwachsene Person erhält ebenfalls 5000 Franken bar auf die Hand, sobald diese selber ein minimales Einkommen versteuert. Nicht die Drückeberger, nicht die Alters- und Vermögensrentner sollen von Steuergutschriften profitieren, sondern die Working
Poors. Also Leute, die brav arbeiten, sich aber kaum die Krankenkassenprämien leisten können.
Solche Steuergutschriften lassen sich schön mit einer Flat Tax kombinieren. Sie ersetzen dann einfach den pauschalen Abzug. Konkret sieht das so aus:
- Ein Working-Poor-Paar mit drei Kindern verdient 50 000 Franken im Jahr. Es zahlt auf diese 50 000 Franken Einkommen dann 18 Prozent, also 9000 Franken. Auf der andern Seite erhalten die fünf Personen vom Staat je 5000 Franken, macht 25 000 Franken Steuergutschrift. Effektiv bleibt also 14 000 Franken im Jahr übrig – eine echte Ergänzungsleistung für Familien.
- Ein Single ohne Kind kommt auf 200 000 Franken Einkommen. Er gibt 18 Prozent davon als Steuer ab, 36 000 Franken im Jahr. Aber auch dieser Single erhält seine Gutschrift von 5000 Franken, zahlt per saldo nur 31 000 Franken. Damit sinkt der effektive Steuersatz von 18 auf 15,5 Prozent.
Nun werden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, spätestens hier kritisch: Das ist doch Hokuspokus, Bauernfängerei! Hier wird suggeriert, der Staat könne die Leute «unten» und «oben» und «in der Mitte» entlasten, ohne dass er deswegen Einnahmen verliert. Das ist billigste Reklame, diese Rechnung geht nie auf! Wenn alle weniger zahlen, muss irgendjemand mehr zahlen! Wer?
Bitte sehr, wir kommen nun zum Kleingedruckten. Das hier ist Werbung, aber moderne Werbung macht keinen Bogen um die Pfützen. Also steht hier auch in ganz normal gedruckten Buchstaben: Klar gibt es jemand, der effektiv mehr zahlen müsste als heute. Nämlich alle diejenigen, die im heutigen Emmentaler-System durch die Löcher schlüpfen. Die «Gratisbürger», die nicht nur nach Zug oder nach Ausserschwyz zügeln, sondern zudem auch noch ihre Sonderabzüge geltend machen (für Kaderpensionskassenbeiträge, Häuserrenovationen und anderes mehr). Spitzenverdiener, die «null Franken» Vermögen und «null Franken» Einkommen versteuern, dafür aber zum Glück in der Presse manchmal geoutet werden.
Zur unsozialen Wirkung dieser Steuerabzüge gibt es eine neue Studie, die das Büro Ecoplan im Auftrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung über die «Verteilung des Wohlstands in der Schweiz» erstellt hat. Erstmals wurde quasioffiziell die Differenz erhoben, die sich ergibt zwischen den Einkommen gemäss der offiziellen Einkommens- und Verbrauchserhebung des Bundesamts für Statistik einerseits und den Einkommen gemäss Steuerstatistik andererseits. Resultat: Im Schnitt sind die steuerbaren Einkommen um 21 Prozent tiefer. Bei den ärmsten 10 Prozent der Haushalte beträgt diese Differenz aber nur 10 Prozent, bei den reichsten 10 Prozent der Hauhalte beträgt die Differenz jedoch 45 Prozent. Endlich ist nun auch aus wissenschaftlicher Sicht erwiesen, wer unser kompliziertes Steuersystem am stärksten austrickst: die Einkommensstärksten.
Jetzt kommt die Schlusspointe: Mit der Flat Tax werden nicht nur die Treuhänder und Berater arbeitslos, auch einige Funktionäre auf den vielen Amtsstellen. Sobald man sich daran macht, die Flat Tax in die Praxis umzusetzen, wird man überrascht sein: Man kann das jetzige Steuersystem mit allen den Paragrafenwälzern streichen, voll und ganz.
In die Lücke tritt die so genannte Quellensteuer, die, und das ist der Clou, bereits existiert. Die Flat Tax funktioniert in der Schweiz bestens, heute schon. Sie hat keinen englischen Namen, sondern eine drei Buchstaben kurze Abkürzung, die jedes Schulkind kennt: AHV. Hier werden sämtliche Lohneinkommen zu einem proportionalen Steuersatz besteuert, schön flach, schön an der Quelle. Bei den Unselbstständigen funktioniert das automatisch, bei den Selbstständigen ist das Prozedere leider etwas kompliziert, das ist nicht zu vermeiden. Aber entscheidend ist: Das ganze übrige Steuersystem wird dann abgeschafft. Es braucht nicht einmal eine Postkarte, auch keinen Bierdeckel. Es braucht überhaupt keine Steuererklärung mehr. Der Staat kann seine Einkommenssteuern einziehen wie heute die AHV.
Und was ist mit den Zinsen oder Dividenden? Auch diese Einkommen kann der Staat direkt an der Quelle abzweigen. Die Schweiz tut das heute schon, sehr effizient und weltweit beachtet: Das hiesige System der Verrechnungssteuer ist ein exportfähiges Produkt (während die berühmte neue Zinssteuer, die in der EU eingeführt wird, löchriger ist als unser berühmter Käse – aber das nur in Klammern). Sobald die Schweiz also eine Flat Tax einführt, wird die heute bestehende Verrechnungssteuer einfach und unbürokratisch weitergeführt. Statt 35 Prozent werden freilich nur 18 Prozent eingezogen, ab sofort jedoch unwiderruflich.
So löst sich der heutige Steuerdschnungel in Luft auf: Die neue Flat Tax ist eine doppelte Quellensteuer, die es bereits gibt. Und weil dieses neue System so simpel ist, lassen sich auch die mutmasslichen Einnahmen zuverlässig hochrechnen: Die heutige AHV-Lohnsumme bringt, wenn sie zu 18 Prozent versteuert wird, Einnahmen von 47 Milliarden Franken. Die heutige Verrechnungssteuer bringt, wenn man 18 Prozent unwiderruflich einzieht, gut und gerne 13 Milliarden Franken. Macht 60 Milliarden Einnahmen auf der einen Seite.
Auf der andern Seite kosten die neuen Steuergutschriften sehr viel Geld. 5000 Franken pro Kind und 5000 Franken für alle Erwerbstätigen – das ergibt rund fünf Millionen Bezüger und damit 25 Milliarden Franken Kosten. 60 Milliarden Einnahmen minus 25 Milliarden für die Steuergutschriften gleich 35 Milliarden Franken effektive Steuereinnahmen.
So weit das Modell. Und jetzt zurück zur Realität: Das heutige Unsystem der direkten Einkommenssteuer bringt im Jahr dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden insgesamt 40 Milliarden. Die neue, gerechte Flat Tax bringt also einen kleinen Verlust von fünf Milliarden, der politisch gewollt ist. Die Flat Tax soll in der Schweiz – ähnlich wie in Russland, Estland oder der Slowakei – einen Boom auslösen. Dieser Boom wird sogleich die Löhne und die Verrechnungssteuern ansteigen lassen. Das sind die beiden Quellen, von denen das Geld künftig ganz direkt dem Staat zufliesst.
Und unter uns gesagt: Darüber ärgern werden wir uns trotzdem. Wir müssen ja weiterhin Steuern zahlen. Aber wir werden wenigstens nicht mehr belästigt. Und wir wissen: Alle zahlen, alle zahlen gleich viel: 18 Prozent. Und alle bekommen gleich viel: 5000 Franken pro Kopf, bar auf die Hand. Das ist vielleicht kein Honigschlecken, aber im Vergleich zu heute ein Stück Schlaraffenland.
Literatur zum Thema
- Markus Schneider: Weissbuch 2004. Weltwoche Verlag, 2003
- Paul Kirchhof: Der sanfte Verlust der Freiheit. Hanser Verlag, 2004
- Manfred Rose: Vom Steuerchaos zur Einfachsteuer. Schäffer-Poeschel Verlag, 2003
- Michael Leysinger: Eine Flat Tax für die Schweiz! Als PDF unter www.legatax.ch/flattax/flattax.pdf
- Robert E. Hall, Alvin Rabushka: The Flat Tax. 2. Auflage von 1995. Als PDF unter www.hooverstanford.edu/PRESSWEBSITE/FlatTax/contents.html
Unter dem Titel www.flattax.ch wird demnächst eine Internetseite zum Thema eröffnet. Weitere Informationen finden sich unter www.einfachsteuer.de und unter www.markusschneider.ch