Um acht Uhr abends klickt Lauritz Beige das Print-Icon auf dem Excel-Toolbar an. Während der Drucker die provisorische Jahresrechnung der Bärenthal-Gruppe ausdruckt, ertönt in weiter Ferne eine Guggenmusik, die sich für den Schmutzigen Donnerstag einspielt. Lauritz ist zwar ein begeisterter Fasnächtler, doch heute Abend muss er mit Moritza Bärenthal, Inhaberin der Bärenthal-Spezialmaschinen-Gruppe, die Jahresbilanz besprechen. Und das sind die Bilanz und die Erfolgsrechnung, die Lauritz Beige der Inhaberin wenig später vorlegt.
«Das sieht ja viel versprechend aus», meint Moritza erwartungsvoll. Lauritz gibt sich bedeckt und meint: «Du darfst nicht vergessen, Moritza, dass wir zwar einen schönen Gewinn ausweisen, aber wir haben auch grosse Projekte, die finanziert sein müssen. Denk nur an das in diesem Jahr ausgelöste Investitionsvolumen von 2,5 Millionen Franken. Die Banken und unsere Investoren sind lediglich bereit, eine Million Franken zu finanzieren; die anderen 1,5 Millionen Franken müssen wir selber verdienen. Dazu kommen noch die Investitionen in das Umlaufvermögen (Warenvorräte, Kundenforderungen), die unsere finanziellen Mittel zusätzlich beanspruchen werden. Wir schaffen zudem, wie du weisst, zehn neue Arbeitsplätze, alles hoch qualifizierte Leute. Die müssen sich aber zuerst einarbeiten. Ihre Produktivität wird nicht vom ersten Tag an die bei uns üblichen 120 Prozent betragen.»
Moritza fragt, wo denn die 2,5 Millionen Franken provisorischen Gewinns steckten und ob dieser denn nicht bar zur Verfügung stehe. Auch hier konnte Lauritz keine Frohbotschaften bringen. «Du siehst in der Bilanz: Wir haben lediglich 300 000 Franken Barmittel, und unsere Bankkreditlimiten sind vollständig ausgeschöpft. Wir leben liquiditätsmässig von der Hand in den Mund, machen zwar schöne Gewinne, aber unsere Investitionstätigkeit ist derart rasant, dass wir knapp mit dem verdienten Geld diese Expansion finanzieren können.»
Moritza ist promovierte Naturwissenschaftlerin, und sie kann die Ausführungen von Lauritz nicht ganz nachvollziehen. Da sie aber das offene Gespräch sucht, fragt sie weiter: «Bei diesem Gewinn sollte es doch möglich sein, bei den Banken um einen Sonderkredit nachzusuchen.» «Ja», meint Lauritz, «das sollte eigentlich möglich sein. Nur dürfen wir uns keine allzu grossen Illusionen machen. Seitdem alle KMUs – und dazu gehören wir – über die Rating-Hürde springen müssen, ist es nicht mehr so einfach, mit diesen Instituten Geschäfte abzuwickeln. Und dann vergisst du die Steuern. Wenn es uns nicht gelingt, den Gewinn von 2,5 Millionen Franken wegzuputzen, sei es durch höhere Abschreibungen oder durch Rückstellungen, zahlen wir auf diesem Gewinn 25 Prozent Steuern, nämlich 625 000 Franken. Das können wir uns schlicht und einfach nicht leisten.»
Hier blenden wir uns aus dem Gespräch zwischen Lauritz und Moritza aus und fragen uns, was eigentlich geschehen ist.
Die Bärenthal-Gruppe, ein typisches KMU, befindet sich in einer rasanten Wachstumsphase. Sie benötigt dazu nicht nur viel Entrepreneurship, sondern eben auch viel Kapital.
Die Banken sind recht zurückhaltend bei der Bereitstellung solcher Gelder. Man erwartet, dass mindestens die Hälfte der Expansionsfinanzierung aus eigenen Mitteln stammt. Traditionellerweise sind es die Aktionäre, die diese Mittel zur Verfügung stellen. Es gibt auch noch Venture-Finanzierungen oder Private Equity. Letzteres kommt für die Bärenthal-Gruppe aber aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Oder es gibt dann eben das Instrument der Eigenfinanzierung, was die Bärenthal-Gruppe macht, indem sie Gewinne erzielt und diese nicht an die Aktionäre ausschüttet, sondern zurückbehält.
Nun gibt es da einen «stillen Aktionär», und zwar einen besonders geldgierigen, nämlich die öffentliche Hand. Diese verlangt im Fall der Bärenthal-Gruppe eine «Dividende» von 25 Prozent des ausgewiesenen Gewinns. Und zwar verlangt sie das Geld bar auf die Hand. Ganz ungeachtet dessen, ob die Aktionäre eine Dividende erhalten oder nicht oder ob das Unternehmen sich in einer Expansionsphase befindet.
Es ist deshalb verständlich, dass Moritza und Lauritz noch bis in den späten Abend damit beschäftigt sind, den Gewinn von 2,5 Millionen Franken hinunterzutrimmen. Denn jeder Franken Gewinn kostet 25 Rappen Steuern, und zwar in bar. Und gerade solche Geldabflüsse kann die Bärenthal-Gruppe sich in dieser Phase nicht leisten.
Gibt es da Alternativen? Ja, die Flat Tax für Unternehmen.
Die Flat Tax geht von einem wichtigen Grundprinzip aus: Nur Menschen können Steuern bezahlen. Auch wenn vordergründig die Bärenthal-Gruppe Steuern bezahlt, die Konsumentinnen und Konsumenten, das heisst Menschen, werden letztlich diese Steuer über den Preis zahlen müssen.
Ein zweites Prinzip der Flat Tax besagt, dass Einkommen nur einmal (und nicht doppelt oder auch nicht «keinmal») besteuert werden soll. Und die Flat Tax soll genügend Mittel für die öffentliche Hand bereitstellen, für die Steuerpflichtigen einfach nachzuvollziehen und zu berechnen sein und volkswirtschaftlich sinnvolle Impulse geben. Daneben soll sie auch noch ökonomisch effizient erhoben werden.
Was bedeutet das nun für die Bärenthal-Gruppe? Eigentlich kann und soll das Unternehmen nur dann Steuern bezahlen müssen, wenn es einen Liquiditätsüberschuss hat, beispielsweise nach diesem Schema:
Sie bemerken, dass die Zahlen in der Steuererklärung nicht mit denjenigen in der Erfolgsrechnung (siehe Aufstellung oben links) übereinstimmen. Bei Anwendung der Flat Tax werden in der Steuererklärung die cashwirksamen Positionen aufgeführt.
Die Bärenthal-Gruppe hat mehr Ausgaben als Einnahmen und zahlt deshalb bei Anwendung der Flat-Tax-Methode keine Steuern. Denn in einem wirklich einfachen Steuersystem zahlt ein Unternehmen nur Steuern auf dem Totalbetrag der überschüssigen Geldeinkünfte, das heisst auf Geldeinnahmen abzüglich Geldausgaben. Dazu gehören klarerweise auch die getätigten (und bezahlten) Investitionen in das Anlagevermögen. Denn ein Gewinn ist nur dann realisiert, das heisst verfügbar, wenn er in Form von Bargeld vorliegt. Im konkreten Fall der Bärenthal-Gruppe würden also für das vergangene Steuerjahr keine Steuerzahlungen fällig. Anders verhält es sich natürlich, wenn es in einem späteren Steuerjahr zu Cash-Überschüssen kommt; dann müssen natürlich Steuern bezahlt werden. Aber dann ist ja auch das Geld dazu vorhanden.
Im Weiteren wird die Besteuerung der in einem Unternehmen erwirtschafteten Wertschöpfung gesplittet. Das Unternehmen zahlt Steuern von den Löhnen seiner Mitarbeiter im Rahmen einer Quellensteuer. Die Mitarbeiter selbst zahlen Steuern auf demselben Lohneinkommen. Die bereits bezahlten Quellensteuern werden selbstverständlich angerechnet. In der Regel sollte die Quellensteuer gleich hoch sein wie die Steuer auf dem Lohneinkommen, dies selbstverständlich auch wieder nach dem System der Flat Tax (siehe Artikel zum Thema «Flat Tax: Das Manifest»).
In «Flat-Tax-Steuererklärung» (siehe Artikel zum Thema «Flat Tax : Mehr Geld für die Firma») möchte ich darlegen, wie einfach es sein wird, eine Steuererklärung für Unternehmen auszufüllen. Auf der Zeile 1 werden die Bruttoeinnahmen aus Verkäufen aufgeführt; davon werden auf der Zeile 2 die Unkosten abgezogen sowie auf der Zeile 3 die Zahlungen für den Erwerb von Anlagevermögen. In unserem Beispiel erhalten wir ein steuerbares Einkommen von 0 (Zeile 4), denn die Einkünfte sind tiefer als die Ausgaben für Investitionen in Arbeit, Entwicklung und Anlagen. Zu beachten ist, dass hier nur die bar bezahlten Aufwendungen und Erträge berücksichtigt worden sind. Deshalb besteht zu der traditionell von Lauritz erstellten Erfolgsrechnung kein unmittelbarer Zusammenhang. Erst wenn das Unternehmen mehr Cash erarbeitet, als es ausgibt, kommt der Staat zum Zuge, und zwar mit einer Einheitssteuer von meinetwegen 15 Prozent.
Wir sehen, dass sämtliche heute üblichen Diskussionen zwischen Steuerbehörden und steuerpflichtigen Gesellschaften über die Bewertung von Warenvorräten, angefangenen Arbeiten sowie Wertberichtigungen auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vom Tisch sind, denn besteuert wird nur noch, was cash in das Unternehmen einfliesst.
Interessant ist auch die Möglichkeit, sämtliche Investitionen steuerlich sofort geltend zu machen. Endlich hören wir auf mit der ganzen komplizierten und willkürlichen Berechnung von Abschrei-bungen. Ersetzt werden diese durch etwas weitaus Besseres, das ausserdem noch die Bildung von Kapital fördert: eine sofortige 100-prozentig steuerwirksame Abschreibung auf allen getätigten Investitionsausgaben im ersten Jahr mit unbeschränkter Verlustvortragsverrechnung.
So neu ist das eigentlich gar nicht; in verschiedenen Kantonen schreiben schon heute gut gehende Unternehmen ihre Investitionen vollumfänglich ab, und das mit dem ausdrücklichen oder verdeckten Segen des Fiskus (Einmalabschreibung). Dasselbe geschähe auch – zu jedermanns Erleichterung – mit der noch komplizierteren Rückstellungspraxis.
Aber aufgepasst: Das will natürlich nicht heissen, dass alte, beliebte Themen nicht dennoch weiter auf dem Tisch liegen. Ich denke da beispielsweise an die Fringe-Benefits oder die mehr oder weniger offenen oder verdeckten Lohnauszahlungen. Diese Zusatzleistungen laufen, wenn auch verdeckt, meist vollständig ausserhalb des heutigen Steuersystems, was einerseits ungerecht ist, andererseits aber auch keinen Sinn macht. Die Kosten dieser Leistungen werden von den Unternehmen abgezogen, bei den Arbeitnehmern hingegen nicht oder kaum je besteuert. Bereits heute ist der Kampf gegen solche Lohnnebenleistungen angesagt: Bei Grenzsteuersätzen zwischen 40 und 60 Prozent führt das Ansinnen der Steuerbehörden, obwohl berechtigt, bei den Steuerpflichtigen zu einem Aufschrei, denn die zusätzlichen Steuerkosten sind gleichbedeutend mit einem Schlag ins Genick des bereits jetzt schon gebeutelten Steuerzahlers.
Es ist hinlänglich bekannt – und wird am Beispiel der Bärenthal gut dokumentiert, aber von den Politikerinnen und Politikern immer wieder verleugnet –, dass hohe Steuersätze die Kapitalbildung massiv behindern. Ein Beitrag des Gesetzgebers zur Lösung dieses Problems lag bisher darin, einem speziellen Investitions- oder Sparanreiz gleich wieder etwas nachfolgen zu lassen, das den Steuerausfall kompensierte. Damit wurde ein wahrer Irrgarten von unbrauchbaren Vorschriften und Steuerformularen sowie ineffizienten Instrumenten geschaffen (man denke nur etwa an die Arbeitsbeschaffungsreserven oder an das Risikokapitalgesetz).
Die Idee der Flat Tax ist nun, nochmals ganz von vorne zu beginnen und alle heutigen Anreize, sofern überhaupt vorhanden, durch ein einfaches, einheitliches Steuerprinzip zu ersetzen und bei der Unternehmenssteuer die ganzen Investitionen für das Jahr, in dem sie getätigt wurden, als steuerwirksame Aufwendungen zu behandeln. Damit läge der gesamte Anreiz für die Kapitalbildung auf der Investitionsseite anstatt wie heute auf einer kaum funktionierenden Aufteilung zwischen Investitions- und Sparanreiz.
Die Steuerbehörden und die Unternehmer müssen sich nicht mehr länger darüber streiten und massenweise Gerichte und Experten beschäftigen, um herauszufinden, was unter Investitionen und was unter laufenden Aufwendungen zu verstehen ist. Die Aufwendungen für Investitionen sind von jedermann einfach zu beurteilen. Und man bedenke: Jede Form von Investition in der Wirtschaft ist im Grunde genommen nichts anderes als der ultimative Akt des Sparens. Es werden damit die Fundamente für die künftigen Wertschöpfungen gelegt. Ein Steuersystem, bei dem Ersparnisse Steuerfreiheit geniessen, ist im Endeffekt nichts anderes als eine Verbrauchssteuer. Denn Verbrauch ist der Unterschied zwischen Einkommen und Ersparnis. Wenn also nur verbrauchsbesteuert wird, werden Investitionen gefördert. Damit ist eines der wichtigsten Prinzipien der Einheitssteuer erfüllt, nämlich ein volkswirtschaftlich sinnvoller Impulsgeber zu sein.
Kommt hinzu, dass die Flat Tax einen der grössten Nachteile des heute geltenden schweizerischen Steuersystems eliminieren würde, nämlich die wirtschaftliche Doppelbesteuerung. Einerseits wird der im Beispiel Bärenthal gezeigte Geschäftsertrag besteuert, andererseits werden die Aktionäre bei der Zahlung der Dividende nochmals zur Kasse gebeten. Diese Doppelbesteuerung reduziert natürlich den Anreiz zur Gründung neuer Kapitalgesellschaften. Eine Flucht in die Personenunternehmung (Einzelfirma, Kollektivgesellschaft usw.) nützt auch nichts; denn zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen sind dort nach heutigem System ebenfalls horrend hohe Steuersätze zu gewärtigen, nämlich 45 bis 60 Prozent. Bei der Einheitssteuer wird lediglich der Konsum besteuert, nämlich einerseits mit einer Lohnsteuer (gegebenenfalls noch mit der Mehrwertsteuer) und andererseits mit dem Cash-Überschuss bei Unternehmen.
Da Investitionen (auch diejenigen von unternehmerisch tätigen Privatpersonen) sofort vollumfänglich steuerlich geltend gemacht werden können, besteht ein grosser Anreiz, neue Investitionen zu tätigen. Dadurch werden der Volkswirtschaft wichtige Impulse gegeben, nicht zuletzt auch dadurch, dass das ganze System viel einfacher und damit effizienter zu handhaben ist.
Und noch etwas: Heute, in der Tiefzinsphase, beklagen sich viele KMUs, dass sie kein Geld für Investitionen erhalten, dabei sei doch so viel Geld auf dem Markt. Stimmt! Wohin geht also das ganze Geld? Es fliesst in nicht produktive Investitionen, beispielsweise in Einmaleinlagen für Lebensversicherungen, und dies nur, weil diese steuerlich begünstigt werden. Solche steuerlichen Anreize bewirken krasse Fehlallokationen. Zudem werden diese dann noch mit bürokratischen Massnahmen bekämpft. Mit der Flat Tax passiert das nicht mehr. Der Investor kann seinen Steuerberater und seine Steuersparmodelle schlichtweg vergessen und sich ausschliesslich auf die unternehmerischen Gesichtspunkte seiner Investitionen konzentrieren. Es wird also mehr Geld für die KMUs zur Verfügung stehen. Heute ist das kaum der Fall, denn der Investor, der in KMUs investiert (statt beispielsweise in US-Immobilien oder fragwürdige Einmaleinlagen-Lebensversicherungen), wird durch die bestehende wirtschaftliche Doppelbesteuerung bestraft. Es ist also ohne weiteres damit zu rechnen, dass mit der Flat Tax mehr Kapital für produktive Investitionen frei wird, und das zum Wohle aller.
Heute beschäftigt sich eine Heerschar von Steuerspezialisten, Anwälten, Notaren und anderen Berufsleuten damit, herauszufinden, wie die Steuerlast vermindert werden kann. Bei einer Besteuerung auf Cash-Basis (darauf läuft es bei der Flat Tax für Unternehmenssteuern hinaus) werden die Steuern dann bezahlt, wenn das Geld fliesst. Das zu ermitteln, braucht nicht viel Zeit, denn entweder ist Geld geflossen oder eben nicht. Irgendwelche Manipulationen, das anders zu beeinflussen, sind gar nicht möglich.
So hätten sich Moritza Bärenthal und Lauritz Beige ohne weiteres der schrägen Klänge der Guggenmusiken erfreuen können, statt über den Bilanzen zu brüten.