Einen grossen Bruder hatte Freddy Burger nicht. Sondern eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Die «Sandwich-Position», wie er es nennt, hat den mittlerweile 54-Jährigen in seiner Jugendzeit ebenso nachhaltig geprägt wie sein Geburtsdatum: der 29. Dezember. Ob in der Schule, beim Eishockey oder beim Schwimmen: «Ich war immer jünger als alle anderen meines Jahrganges, ich musste immer strampeln.»
Das Strampeln hat sich bezahlt gemacht. Freddy Burger gewann als Jugendlicher das Zürcher Limmatschwimmen, er spielte beim Zürcher Schlittschuh-Club in der Eishockey-Nationalliga B, und er brachte es vom Hochbauzeichner zum unbestrittenen Zampano des Schweizer Showbusiness. Jetzt setzt er gar noch eins drauf. Wenn am 3. September die erste Folge der TV-Show «Big Brother» in Familie Schweizers gute Stube flimmert, kann er sich die Hände reiben: Die Schweizer Ausgabe der ebenso erfolgreichen wie umstrittenen Reality-Soap wird von B&B Endemol produziert. Das erste «B» steht für Hannes Bichsel, der 1991 seinen Dienst als Unterhaltungschef des Schweizer Fernsehens DRS quittierte, und mit dem zweiten «B» – Freddy Burger – die private Fernsehproduktionsfirma Bichsel & Burger Medien AG (B&B) gründete. Endemol Entertainment, unter anderem Erfinderin von «Big Brother», ist die grösste Fernsehproduktionsgesellschaft Europas und hat sich Ende Mai zu 50 Prozent an B&B beteiligt (siehe Kasten «Burger ist der perfekte Partner»). Mittlerweile wurde Endemol vom spanischen Telekommunikationsgiganten Telefónica geschluckt.
Die rasch wachsende Endemol hatte bisher Firmen stets zu 100 Prozent übernommen oder sich wenigstens eine komfortable Mehrheit gesichert. Der vergleichsweise kleinen B&B gelang es als Erster, mit de Mol ins Geschäft zu kommen, dabei 50 Prozent der Anteile zu behalten, bei der neuen Gesellschaft mit Hannes Bichsel den Geschäftsführer und mit Freddy Burger den Verwaltungsratspräsidenten zu stellen. Für Bichsel ist die Begründung einfach: «Burger ist ein unermüdlicher Motor, und er verfolgt seine Ziele absolut konsequent.» Und: «Er hat ein unglaubliches Beziehungsnetz.» Freddy Burger indes lächelt auf den Stockzähnen: «Ich habe einfach mit John de Mol geredet und Vertrauen geschaffen.»
Wie viel der Endemol-Boss für die Beteiligung hingeblättert hat, mag Freddy Burger nicht verraten. Er sagt bloss: «Es war für uns ein guter Deal. Ich bin zuerst ein bisschen erschrocken, als John sein Angebot machte.» Ebenso wenig gibt Burger bekannt, wie viel TV 3 für die Ausstrahlung von «Big Brother» berappen muss. Der Betrag dürfte sich an der Dringlichkeit messen, mit der das schmalbrüstige TV-Küken der TA-Media nach «Expedition Robinson» endlich wieder einen Quotenknüller braucht.
Überhaupt, wenn es um Geld geht, wird der sonst zugängliche Mann augenblicklich zur Auster. Zumindest was den Kameraschwenk auf seine Kontoauszüge anbelangt, würde er als Kandidat für «Big Brother» durchfallen. 100 Millionen Franken Umsatz generieren die 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freddy Burger Management Group (FBM), lässt er sich widerwillig entlocken. Doch die Gewinnzahlen der FBM-Gruppe, die ihren Sitz in einer hablichen Villa am Zürichberg hat, sind für die Öffentlichkeit ebenso tabu wie jene der 24 zum Konglomerat gehörenden Firmen, die Burger allein oder mit verschiedenen Partnern gehören. Wie der Fünfliber in den Schlitz des Kässeli passt dazu der Umstand, dass alle Firmen zu 100 Prozent aus eigenen Mitteln finanziert sind und keine der Liegenschaften eine Hypothekarbelastung von mehr als 50 Prozent ihres Wertes aufweist. «Ich will nie in eine Situation kommen, in der ich als Bittsteller zu einer Bank müsste», lautet einer von Burgers Kernsätzen. Und nur schon der Gedanke, den Launen von Shareholdern ausgesetzt zu sein, bereitet ihm Kummer. Entsprechend hat er bisher über einen Börsengang je auch nur ernsthaft nachgedacht. Bemerkenswertes Detail: Burger tauschte die Hälfte seiner 50 Prozent an B&B nicht gegen Aktien der hochrentablen Endemol, sondern er wollte Bargeld. «Ich habe ein enormes Sicherheitsbedürfnis», sagt er, «und einen ausgeprägten Hang zur Unabhängigkeit.»
Dazu passt auch die komplexe Konstruktion seiner Unternehmensgruppe. Viele hätten ihm schon gesagt, es gebe steuertechnisch schlauere Lösungen. Doch er will lieber ruhig schlafen können. «Meine Projekte sind zum Teil ziemlich riskant. Die Konstruktion der FBM Group verhindert, dass im Fall des Scheiterns eines Unternehmens alles andere ins Wanken kommt.» Wobei die Risiken, die Burger eingeht, ihn keineswegs als Hasardeur erscheinen lassen: «Ich gehe stets von einem Worst-Case-Szenario aus.» Und wenn er sich doch einmal verkalkulieren sollte, gibt er nicht auf: «Aus Anstand gegenüber meinen Angestellten habe ich noch nie eines meiner Unternehmen in Konkurs gehen lassen.»
Solche Haltungen haben ihre Wurzeln in der Jugend von Freddy Burger. Er, der in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Zürich Schwamendingen aufgewachsen ist, «weiss noch immer, was sich gehört». Dass Ehrlichkeit und Vertrauen über alles gehen, hat ihn seine heute 77-jährige Mutter gelehrt, mit der er fast täglich telefoniert. Am Anfang seiner Laufbahn standen nicht die dicken Verträge, über die er sich heute ärgert, sondern Abmachungen per Handschlag. So engagierte er als Vizepräsident des Tanzclubs Zürich in den frühen Sechzigerjahren Beatgruppen für Auftritte. 1965 veranstaltete er mit geliehenem Geld im Hallenstadion ein Konzert mit Cliff Richard and the Shadows – und floppte. Doch danach ging es nur noch aufwärts: 1966 wurde er Manager der Sauterelles, die mit ihrem Shouter Toni Vescoli zum helvetischen Pendant der Beatles wurden. Es folgten die Managements von Pepe Lienhard und Udo Jürgens sowie der Einstieg als Partner bei Good News, der damals wie heute wichtigsten Schweizer Konzertagentur, die 1981 an den Medienkonzern Ringier veräussert wurde und seit kurzem zur Deutschen Entertainment AG (Deag) gehört.

Freddy Burger war schon bald ein gemachter Mann, vermied es aber sorgfältig, sich als Nouveau Riche zu outen. Was soll er, fragt er rhetorisch, mit Chauffeur, Koch, Leibwächter und dergleichen? Ihn habe nie nach einer Villa mit Zürichseeanstoss gelüstet, ihm reiche das Haus in der derzeit von Fluglärm geplagten Agglogemeinde Ebmatingen. Und von italienischen Sportflitzern auf schwere Mercedes umgestiegen ist er seinerzeit bloss, weil sich Udo Jürgens mit dem deutschen Nobelkarossenbauer verbandelte – er bekam die Wagen günstiger als beim Vater seiner ersten Frau, einem Mercedes-A-Vertreter. Hat da ob so viel Understatement nicht eben die lebensgrosse Figur von Buchhalter Nötzli, die in einer Ecke von Freddy Burgers Büro steht, das Gesicht für Sekunden zu einem Lächeln verzogen? Übrigens: Auch der Schweizer Volksschauspieler Walter Roderer, der als Buchhalter Nötzli Triumphe feierte, wurde von einer Burger-Unternehmung gemanagt.
Burgers Understatement ist ein krasser Widerspruch zu Burgers Geschäftsfeldern: Künstlermanagement, Eventmarketing und Gastromanagement – Bereiche, in denen Bühnenpräsenz und Scheinwerferlicht dominieren. Für den Unternehmer indes ist der Widerspruch nur ein scheinbarer. «Da ich mich nicht für die Bühne eigne und keinerlei Drang ins Rampenlicht verspüre, viele Künstler aber wenig von Organisation und Finanzen verstehen, ist beiden Seiten gedient.»
Die augenfälligsten Beispiele dafür finden sich bei den FBM- Firmen im Bereich Künstlermanagement. Seit 24 Jahren ist Burger Manager des Entertainers Udo Jürgens – «eine einmalige Partnerschaft, wir sind ein unvergleichliches Duo», findet er. Der Erfolg ist offensichtlich: 70 Millionen Tonträger hat Jürgens bisher verkauft. Davon profitiert auch Burger; unter anderem ist er zu 50 Prozent an den Rechten der 700 Jürgens-Kompositionen beteiligt. Ab 2. Okober wird das Goldkehlchen unter dem Motto «Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an» auf Tournee gehen, bereits jetzt sind 160 000 Tickets verkauft, ein einsamer Rekord für einen deutschsprachigen Entertainer.
Nach demselben Muster gestrickt ist auch die Beziehung zwischen Burger und dem erfolgverwöhnten Schweizer Big-Band- Leader Pepe Lienhard. Die Zusammenarbeit ist mittlerweile drei Jahrzehnte alt. Dass ihn Burger bis heute managt, bezeichnet Lienhard als «keineswegs selbstverständlich». «Ich habe grossen Erfolg, aber Freddy Burger bewegt sich mittlerweile in Dimensionen, in denen andere Manager mich schon längst als zu klein und unwichtig fallen gelassen hätten.» Lienhard bezeichnet Freddy Burger als seinen «Halbbruder» – der Begriff «grosser Bruder» wäre angemessener.

Wie «Fascht e Familie» funktioniert die FBM-Gruppe auch sonst, etliche der engsten Mitarbeiter des Patrons sind seit mehr als zwei Jahrzehnten an Bord. Daneben arbeiten in Burgers Firmen überdurchschnittlich viele junge, dynamische Leute. Ein stimmiger Mix, wie die Erfolge zeigen. Burger hat den Zürcher Diskotheken- Klassiker «Mascotte», den er seit 1982 mit Udo Jürgens zusammen besitzt, nach schwierigen Zeiten wieder in Schwung gebracht. Er hat das serbelnde Zürcher Aussichtsrestaurant Sonnenberg in eine Gastroperle verwandelt, in der sich die Fifa-Gewaltigen und die Zürcher Finanz- und Unternehmerschickeria die Türklinke in die Hand geben. Oder er hat mit seinen «Adagio»-Klubs in Zürich und Luzern ein ungemein erfolgreiches Konzept für Menschen ab 30 erfunden, die sich in der rauhen Gegenwart nach Plüsch und Edelkitsch sehnen. Ende Jahr wird nun in Berlin das erste «Adagio» im Ausland eröffnet. Und zwar nicht irgendwo in Berlin, sondern im selben Haus wie das Musicaltheater am Potsdamer Platz, der besten aller Adressen in der deutschen Hauptstadt. 1200 Quadratmeter gross wird das Lokal werden, dreimal grösser als das «Adagio» in Zürich. Und «zig Millionen», so Burger, wird es an Investitionen verschlingen: «Es ist eine riesengrosse Kiste.» Geht die Rechnung auf – und darüber bestehen kaum Zweifel – werden in den nächsten drei Jahren weitere vier «Adagios» in Deutschland eröffnet. Wo, wird derzeit evaluiert, in Frage kommen gemäss Burger «ausschliesslich erstklassige Locations».
Stetig ausgebaut hat Freddy Burger auch das Angebot seiner Traditionsfirma Rent-a-Show. Neben dem seit 30 Jahren florierenden Veranstaltungs- und Vermittlungsgeschäft hat er erfolgreich ins Segment Grossanlässe investiert. Events wie die Aufführungen des Cirque du Soleil, die Titanic-Ausstellung oder mit Good News koproduzierte Mammutopern wie «Die Zauberflöte» und «Aida» im Zürcher Hallenstadion tragen alle die Handschrift von FBM. Arrondiert hat Burger sein Reich in den letzten zwei Jahren mit der Übernahme des Mucical- Theaters Basel und des Zürcher Theaters Stadthof 11.
Wenn es nach dem Erfolg der Geschäfte ginge, müsste Freddy Burger stets in Partylaune sein. Er ist allerdings ein Partymuffel: In der Freizeit widmet er sich lieber seiner Familie. Sichtlich stolz ist er auf seine junge Frau Christine, die 1998 als Juristin doktoriert hat und jetzt das Anwaltspatent in Angriff nimmt. Und seiner beiden Buben wegen verbringt der Vielarbeiter zwölf Wochen des Jahres in seinem Rustico am Lago Maggiore, in der Ferienwohnung im Bündnerland oder im Haus an der portugiesischen Küste – wobei er mit seinem Unternehmen im Dauerkontakt steht. Er sei ein «durch und durch bürgerlich denkender, schollengebundener Mensch», erklärt Burger, «am wohlsten fühle ich mich, wenn ich zu Hause für meine Familie und Freunde grillieren kann.» Gleichzeitig sieht er sich als «Visionär, der stets die Herausforderung sucht. Die Kunst besteht darin, die Balance zwischen diesen Extremen zu finden – sie ist die Basis für Zufriedenheit und Erfolg.»

Doch zuweilen lassen sich Zufriedenheit und Erfolg schlecht unter einen Hut bringen. Die ursprünglich heftige Kritik an «Big Brother» jedenfalls beschäftigt ihn, obwohl er sie für unangebracht hält. «Ich bin kein Moralapostel. Die Menschen, die mitspielen, tun das ebenso freiwillig wie jene, die zusehen», sagt Freddy Burger. Mittlerweile ist die Kritik leiser geworden. Für ihn ein Zeichen, dass die Sendung nicht zu jenen Werten im Widerspruch steht, die ihm so wichtig sind: Ehrlichkeit und Integrität. Wobei er zu bedenken gibt: «Wir sind eine haltlose Gesellschaft geworden, es gibt keine Werte und keine Ethik mehr. Ich leide sehr darunter.» Erstaunliche Worte für jemanden, der seinen Wohlstand im Showbiz erarbeitet hat, einer Branche, in der gezinkte Karten so selbstverständlich zum Poker gehören wie das Rotlicht zum Milieu. Doch auch wenn Freddy Burger sagt: «Bordelle haben eine Berechtigung», hat er der lukrativen Versuchung stets widerstanden. «Ich betreibe ausschliesslich saubere Lokale, und ich mache ausschliesslich saubere Geschäfte.» Es findet sich in der Branche niemand, der das ernsthaft in Zweifel zieht. Als «knallhart» wird Burger zwar oft bezeichnet, aber bei diesem Urteil schwingt nie der Begriff «unfair» mit. Sondern im Gegenteil ein Stück Bewunderung, dass es dem gewieften Verhandler immer wieder gelingt, Verträge so abzuschliessen, dass ihm die etwas grössere Hälfte des Kuchens bleibt.

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