Wer sich auf Schweizer Strassen nicht mehr sicher fühlt, der hat vermutlich einen Rezvani gesehen. Der kalifornische Automobilhersteller Rezvani Motors verkauft seit wenigen Wochen ein Auto auf dem internationalen Markt, das mehr Panzer als Wagen ist: 2800 Kilogramm kugelsicherer Stahl, mit Achtzylindermotor und 420 PS plus, auf geländetauglichen 35-Zoll-Reifen im Pick-up-Stil. Der Rezvani «Vengeance» ist der aggressivste und leistungsfähigste dreireihige SUV der Welt. Kreiert von einem Videospieldesigner, der – basierend auf dem Cadillac Escalade – ein Auto wie aus einem Science-Fiction-Game entworfen hat.
Die Türgriffe sind mit Elektroschockern ausgestattet, die Aussenspiegel mit Pfefferspray. Das braucht man zwischen Rorschach und Lyss. Chassis und Gläser halten auch dem Beschuss mit Maschinengewehren aus nächster Nähe Stand. Vielleicht was für eine Spritztour durchs UN-Viertel in Genf? Der Bolide ist für 285’000 Dollar aufwärts zu haben, je nach Ausstattung.
Gasmaske und Helm sind optional
Diese liest sich wie der feuchte Traum eines jeden Preppers (Personen, die sich mit Lebensmittelvorräten, Waffen, Werkzeug und Funkgeräten in ihrem Hausbunker auf den Weltuntergang vorbereiten). Zwischen Militärfahrzeug, Kampfjet und Geländewagen spielt das motorisierte Ungetüm alle Stücke, die auch ein SUV von Tesla, BMW oder Audi bieten: flott, gemütlich, hochwertig verarbeitet und mit dem Smartphone steuerbar. Nur halt angereichert um Gasmasken, kugelsichere Westen und Helme, die im Inneren verstaut sind. Das gehört zwar nicht zur Grundausstattung, kann aber zusätzlich erworben werden.
Für wen sind die Rezvanis nun gedacht, wenn nicht nur für überängstliche oder gewaltaffine Menschen? Ganz einfach: «Für Menschen, die ein einzigartiges Fahrzeug mit einem aussergewöhnlichen Design besitzen möchten, das sie ihrer Sammlung von Luxusfahrzeugen hinzufügen möchten. Oder Kunden mit Familien, die gerne stilvoll reisen. Prominente, die in einem aufsehenerregenden Fahrzeug ankommen wollen. Und erfolgreiche Menschen, die unsere fesselnden Designs lieben», sagt Rezvani-Präsidentin Cynthia Karimi.
Zum Beispiel Scheichs in den arabischen Staaten des Nahen Ostens, der US-Sänger Chris Brown, NBA-Star Jeffrey Teague, Schauspieler Jamie Fox oder Rap-Ikone Xzibit. Bevor Karimi Rezvani leitete, war sie fürs Marketing zuständig.
Flugrausch hinterm Lenkrad
Gegründet wurde das Unternehmen 2014 von Ferris Rezvani, einem amerikanisch-iranischen Unternehmer. Er sammelte Automobilerfahrung mit Sportwagen in Handarbeit bei dem niederländischen Kleinserienhersteller Vencer.
Die Sucht nach Nervenkitzel und Extremen hat er von seinem Vater geerbt, der Militärpilot für F4-Kampfjets war. Ferris Rezvani wollte den Flugrausch und die G-Kräfte im Schleudersitz vom Cockpit hinters Lenkrad bringen. Er baute eine Reihe von Extremsportwagen, die teils 700 PS auf die Strasse brachten und in 2,9 Sekunden von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigten. Das war, bevor Rezvani Motors damit begann, Geländewagen und SUV in der Panzeredition zu bauen.
SUV sind nach wie vor beliebt
Freilich kann man diesen Wahnsinn auf vier Rädern belächeln. Aber das Marktpotenzial für solche Sports Utility Vehicles ist da. Rezvani spielt in derselben Liga wie Rolls-Royce, Range Rover, Bentley, Mercedes, Lamborghini oder Porsche. Alle diese Hersteller haben gewaltige SUV im Angebot, die mit Luxusausstattungen und viel PS aufwarten und enorme Treibstofffresser sind.
Obwohl diese Fahrzeuge in der Öffentlichkeit immer wieder für Unmut sorgen und bei Umweltschützern und Umweltschützerinnen als Dreckschleudern verschrien sind, verkaufen sich die grossen Wagen nach wie vor sehr gut. Auf der Beliebtheitsskala in der Schweiz rangieren SUV im Jahr 2022 im Vergleich zu allen anderen Fahrzeugtypen im Mittelfeld (siehe Grafik).
Dafür sind die Wachstumsraten enorm: Elektroautos und SUV gehören zu den einzigen Kategorien, die bei den Verkäufen nennenswert zulegen konnten – und das bereits seit mehreren Jahren. In der Schweiz und in ganz Europa. Zehn Stück der Panzerwagen hat Rezvani bislang nach Europa verkauft.
Wenn es in Zukunft mehr werden sollen, dann muss sich der US-Hersteller früher oder später dem politischen Willen zu mehr Nachhaltigkeit und weniger CO2 auf dem alten Kontinent fügen. Derzeit gibts die Monsterwagen nur fossil betrieben. «Im Moment konzentrieren wir uns auf kraftstoffbetriebene Fahrzeuge, die zu dem aufregenden Design unserer Fahrzeuge passen», sagt Karimi. Zwar gebe es eine Hybridoption für das Rezvani-Modell «Tank». Aber: «Die meisten unserer Kunden und Kundinnen sind froh, dass unsere Fahrzeuge nicht elektrisch sind.» Letztendlich werde man sich nach der Nachfrage richten.
Aus der Schweiz bestellbar
Karimi hofft auf mehr davon: Ob mit Benzin oder später auch mit Akku – kaufen können die Fahrzeuge auch Interessierte aus der Schweiz. «Man kann direkt bei uns in Südkalifornien bestellen», sagt Karimi. Ein Verkaufsteam führe virtuell und per Telefon durch den gesamten Konfigurations- und Bestellprozess. Getestet werden kann das Vehikel aber nur im Experience Center in den USA.
Den Markteintritt mit Showroom in der Schweiz plane Karimi vorerst nicht. Dafür reichen die Produktionskapazitäten noch nicht aus. Auch ist nicht klar, ob der aufgerüstete Wagen in der Vollversion auf Schweizer Strassen überhaupt zugelassen würde. Rund fünfzig Stück pro Jahr stellt Rezvani davon her. Bestellungen aus aller Welt würden die Produktion bereits jetzt bei weitem übersteigen.