«Geldgierig», «egoistisch» und mit «sehr grosser krimineller Energie»: Das Winterthurer Bezirksgericht hat das schriftliche Urteil im Erb-Prozess veröffentlicht und kritisiert den Verurteilten Rolf Erb darin aufs Schärfste.
Wegen seiner unüblichen Länge wurde das Urteil nicht wie sonst üblich in Papierform abgegeben, sondern für einmal auf einem USB-Stick. Fast tausend Seiten brauchte das Bezirksgericht, um die Machenschaften des letzten Konzernchefs der Erb-Gruppe nachzuzeichnen und seine Vergehen zu beurteilen.
Rolf Erb wurde im März wegen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung und mehrfacher Gläubigerschädigung schuldig gesprochen und zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er mit gefälschten Jahresabschlüssen Bankkredite erschwindelte, um mit dem Geld fragwürdige Ausland-Investitionen zu finanzieren.
Feudales Schloss und eine Oldtimer-Sammlung
Erb richtete damit einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe an, wobei sich das Ausmass bis heute nicht abschliessend beziffern lässt. Immerhin, hält das Gericht im Urteil fest, das der Nachrichtenagentur sda vorliegt, seien mit diesen Taten «nur» juristische Personen, in erster Linie 17 Banken, geschädigt worden. Zusätzliches menschliches Leid habe Erb im Gegensatz zu anderen Betrügern nicht verursacht.
Weitere positive Gesichtspunkte fand das Gericht jedoch nicht. Der Verurteilte habe mit direktem Vorsatz und mit Bereicherungsabsicht gehandelt. Ihm sei es nur darum gegangen, die Erb-Gesellschaften am Leben zu erhalten und sich damit seinen sozialen Status zu sichern.
Es sei in diesem Zusammenhang geradezu symbolisch, dass Erb im feudalen Schloss Eugensberg TG gewohnt und eine exklusive Oldtimersammlung besessen habe. Kurz vor dem Zusammenbruch des Konzerns habe er dann noch «gerettet, was zu retten war».
Kurz vor seinem Privatkonkurs überschrieb Erb Vermögenswerte von Dutzenden von Millionen Franken an seine minderjährigen Zwillinge. Diese Last-Minute-Schenkungen erklärte das Bezirksgericht inzwischen für ungültig. Die Güter fliessen zurück in die Konkursmasse.
Schuld auf toten Vater abgeschoben
Erb hatte während des Prozesses immer betont, dass sein verstorbener Vater Hugo der eigentliche Patriarch gewesen sei und er selber lediglich dessen Anweisungen ausgeführt habe. Dieser Argumentation glaubte das Gericht allerdings nicht.
Der Verurteilte sei keineswegs Unbeteiligter gewesen, hält es im Urteil fest. Es hätten sich kaum Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass sein Vater der eigentliche Patriarch, die graue Eminenz und unangefochtener Führer der Erb-Gruppe gewesen sei.
Vielmehr habe Rolf Erb mit dieser Argumentation versucht, seine eigene Schuld auf Menschen zu schieben, die sich nicht mehr wehren könnten. Der Verurteilte selber sei aber erster Ansprechpartner für die Banken gewesen und habe die Präsentationen mit den geschönten Abschlüssen durchgeführt.
Fall liegt beim Zürcher Obergericht
In seinem Urteil zeigt sich das Gericht überzeugt, dass die Machenschaften von Rolf Erb noch Jahre angedauert hätten - wäre die Erb-Gruppe nicht zusammengebrochen.
Wie aus dem Urteil hervorgeht, hätte das Gericht eigentlich auch zehn Jahre unbedingter Freiheitsstrafe für angemessen gehalten. Dies wurde von der Staatsanwaltschaft auch so gefordert. Man habe die Strafe jedoch auf acht Jahre reduziert, weil Strafen von zehn Jahren den Delikten gegen Leib und Leben vorbehalten sein sollten.
Bald wird sich das Zürcher Obergericht mit dem Zusammenbruch des Konzernes befassen müssen. Erb hat das Urteil weitergezogen.
(tno/rcv/sda)