Es war einer der erbittertsten Streitfälle in der Geschichte des Kunstmarktes. Ein «neunjähriger Alptraum», wie es Yves Bouvier selbst nennt. Vor kurzem hat der Genfer Milliardär und Kunsthändler nun seinen Rechtsstreit mit dem russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew beigelegt. «Gerichte auf der ganzen Welt haben nun einstimmig entschieden, dass ich unschuldig bin», teilte Bouvier in einem Communiqué mit. Die Anwälte Bouviers nennen das Ende der Fehde einen «Sieg auf ganzer Linie». Das, obwohl die Kosten des Verfahrens zu Lasten des Genfers fallen.
Auch Rybolowlews Anwälte äussern sich zur Einigung: «Die Parteien haben eine vertrauliche Einigung im Bezug auf alle ihre Streitigkeiten erzielt, die Verfahren in verschiedenen Gerichtsbarkeiten beinhalteten», heisst es in der Erklärung von Sandrine Giroud und ihrem Partner Benoît Mauron. «Sie haben keine Ansprüche gegeneinander und werden sich nicht zu ihren früheren Streitigkeiten äussern.»
Yves Bouvier, bekannt für seine Rolle im Kunsthandel und als Besitzer mehrerer Freihäfen, stand im Zentrum des Streits, der 2015 begann. Rybolowlew, Besitzer des AS-Monaco-Fussballclubs und einflussreicher Geschäftsmann, beschuldigte Bouvier, die Preise für 38 vermittelte Kunstwerke, einschliesslich Werke von Leonardo da Vinci und Amedeo Modigliani, künstlich erhöht zu haben. Der Vorwurf lautete, dass Bouvier Rybolowlew um etwa 1,9 Milliarden Franken betrogen habe.
Ein Rechtsfall rund um die Welt
Ein erbitterter Rechtsstreit bricht aus, eine Klage jagt die andere, rund um den Globus. Rybolowlew, der unter anderem das Düngemittelunternehmen Uralkali aufgebaut hat, leitete mehrere Verfahren wegen Betruges ein, unter anderem in Monaco, Frankreich und Singapur.
Bouvier habe sich gegenüber Rybolowlew immer als Mittelsmann und nicht als Eigentümer der Bilder ausgegeben, wie «Bloomberg» bei der Verhaftung Bouviers schrieb. Rybolowlew sei ihm auf die Spur gekommen, als er sich mit einer Beraterin des Kunstsammlers Steven A. Cohen unterhielt, die meinte, Cohen habe den Modigliani «Nu sur coussin bleu» für 93,5 Millionen Dollar veräussert. Rybolowlew hatte Bouvier dafür 118 Millionen Dollar gezahlt. Bouvier wurde wegen der Anklage 2015 in Monaco kurzzeitig festgenommen.
Das Verfahren in Monaco wurde 2019 eingestellt. Geleakte Dokumente enthielten Informationen über angebliche Beziehungen zwischen Rybolowlew und monegassischen Beamten, so die «Financial Times». Einer davon solle auch der Justizminister gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft von Monaco leitete daraufhin eine Untersuchung gegen Rybolowlew ein, der Verdacht: Bestechung und Korruption. Die Untersuchung dauert an, ein Verfahren wurde noch nicht eröffnet. Rybolowlews Anwältin bestreitet gegenüber der «Financial Times» die Vorwürfe und betont, dass ihr Mandant unschuldig sei, bis das Gegenteil bewiesen sei.
Das in der Schweiz laufende Verfahren wurde am 20. November dieses Jahres eingestellt, wie die Genfer Staatsanwaltschaft mitteilt. «Die Parteien haben beantragt, dass keine weiteren Schritte im Strafverfahren unternommen werden, und erklärt, dass sie die Einstellung des Verfahrens nicht anfechten werden.» Mit diesem Entscheid verfällt auch die hängige Klage in Singapur.
Die Debatte der Zollfreilager
Ein zentraler Punkt des Streits war Bouviers Rolle als Eigentümer von Zollfreilagern in Singapur. Die «New York Times» bezeichnet den Genfer Geschäftsmann auch als «Freeport King». In Freihäfen können Güter – auch Kunstwerke – zollfrei gelagert werden. Bouvier wurden in Singapur Betrug und Geldwäscherei vorgeworfen und sein Vermögen eingefroren. Das Vermögen wurde wieder freigegeben, nachdem das singapurische Gericht die Schweiz als Zuständigkeitsbereich definiert hatte.
Der Streit der Milliardäre löste auch eine Debatte im EU-Parlament um Freihäfen aus. Details des Rechtsstreits stützten einen Vorstoss im Jahr 2020, der vorsah, Freihäfen gesetzlich zu verbieten. Grund sei, dass die Anlagen als Mittel für internationale Geldwäsche genutzt werden. Seit dem Vorfall in Singapur wird Bouvier in der Kunstszene ein Interessenkonflikt vorgeworfen, da er einerseits die Kunstwerke seiner Kunden und Kundinnen lagert, anderseits aber auch als Kunsthändler agiert.
Der gestohlene Picasso
Noch im gleichen Jahr, in dem die Klagen gegen Bouvier in Monaco und Singapur eingereicht wurden, erstreckte sich der Fall bis nach Frankreich. Berichten zufolge warf die Stieftochter von Pablo Picasso, Catherine Hutin-Blay, Bouvier vor, zwei Bilder und ein Skizzenbuch ihres Stiefvaters ohne ihr Einverständnis an Rybolowlew veräussert zu haben. Gelagert waren die Artefakte in Bouviers Pariser Lagerunternehmen Art Transit. Bouvier wies alle Vorwürfe zurück.
Die Werke seien für 36 Millionen Euro an Rybolowlew verkauft worden, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Der Oligarch übergab die als gestohlen geltenden Werke aus eigener Initiative der französischen Polizei. Bouvier kündigte an, Rybolowlew wegen Rufschädigung zu verklagen.
Einigung betrifft nicht Klage gegen Sotheby’s
Der Rechtsstreit zwischen Bouvier und Rybolowlew scheint nun ein Ende gefunden zu haben. Die Prozesskosten in der Höhe von 100’000 Franken würden zulasten von Bouvier gehen, schreibt das Portal «Artnet», das den Fall eng begleitet hat. Über die Einzelheiten der Einigung wurde Stillschweigen vereinbart, auch darüber, warum die Kosten Bouvier auferlegt wurden.
Die Einigung hat keinen Einfluss auf das laufende Verfahren in New York, das Rybolowlew gegen das Auktionshaus Sotheby’s angestrengt hat. Er wirft dem Auktionator vor, Bouvier geholfen zu haben, die Preise für die Werke in die Höhe zu treiben.
Eines dieser Gemälde ist Leonardo da Vincis «Salvator Mundi», das Bouvier laut «Artnet» 2013 für 83 Millionen Dollar erworben hatte und für 127 Millionen Dollar an Rybolowlew verkaufte. Als dieser das Bild 2017 bei «Christie’s» versteigerte, ging es für 450 Millionen Dollar unter den Hammer. Laut Christie’s ist dies damit das teuerste jemals auf der Welt versteigerte Kunstwerk.
Im Oktober 2018 verklagte Rybolowlew dann das Auktionshaus wegen Betrugs und Vertragsbruchs auf 380 Millionen Dollar Schadenersatz – der Prozessbeginn vor dem New Yorker Gericht ist für Januar 2024 angesetzt.