Experten rechneten noch im letzten Frühjahr mit einem Anstieg der Ausgaben in der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr 2000 um vier bis sechs Prozent. Herausgekommen ist es noch schlimmer: Jetzt bestätigt Peter Marbet, Pressesprecher des Konkordats der Schweizerischen Krankenversicherer (KSK), dass sich die im letzten Herbst geäusserten Befürchtungen voll erfüllt haben: «Die Kostensteigerung beläuft sich auf Grund unserer provisorischen Hochrechnungen auf über sechs Prozent oder gegen eine Milliarde Franken.»

Helsana-Chef Manfred Manser kommentiert: «Überrascht bin ich nicht nur vom Ausmass der Kostensteigerung, sondern vor allem von der Tatsache, dass wir offensichtlich eine Trendwende verzeichnen.» Denn erstmals seit der Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) vor fünf Jahren ist eine Zunahme an Stelle einer Abflachung des Anstiegs zu verzeichnen: 1999 hatten sich die Kosten um 4,1 Prozent erhöht.

Die Kostenexplosion ist dramatisch: 1996 berappten die Krankenversicherer 12,5 Milliarden Franken für Leistungen in der obligatorischen Krankenversicherung. 1999 waren es 14,6 Milliarden, im Jahr 2000 nun über 15,5 Milliarden. «Und es gibt keinen Grund, warum es nicht so weitergehen soll», prog- nostiziert Gesundheitsökonom Willy Oggier. Daher ist nach der durchschnittlichen Prämienerhöhung von 5,5 Prozent für 2001 auch für 2002 laut Marbet mit «drastischen Erhöhungen» zu rechnen.

Die fatale Entwicklung belegen Zahlen der Marktleader: Bei der CSS betrug die Kostensteigerung im letzten Jahr knapp 5 Prozent, bei der Helsana waren es gegen 6,5 Prozent. Die Kostentreiber sind:
  • Für Medikamente gab die Helsana 12 Prozent mehr aus. Bei der CSS stiegen die Ausgaben für von Ärzten abgegebene Pillen um 12 Prozent. Bei den Apotheken ist ein Plus von 15 Prozent zu verzeichnen. Total dürften sich die Ausgaben für von Ärzten und Apotheken verkaufte Medikamente von 2,9 auf über 3,2 Milliarden Franken erhöhen.
  • Stabilisiert haben sich Kosten für stationäre Behandlungen im Spital, die rund 3,6 Milliarden ausmachen: Während sie bei der Helsana um weniger als ein Prozent anstiegen, nahmen sie bei der CSS um ein Prozent ab. Aber die Ausgaben für ambulante Behandlungen schossen bei der CSS um 13, bei der Helsana gar um 16 Prozent in die Höhe. Total stiegen sie um rund 200 Millionen auf gegen 1,75 Milliarden. Dank dieser Verlagerung entlasten sich die Kantone auf dem Buckel der Prämienzahler. Im Gegensatz zu stationären müssen sie bei ambulanten Behandlungen keinen Kostenanteil übernehmen.
Manser will nun «definitiv Taten» sehen: «Ein weiteres Laisser-faire wäre unerträglich.» Überprüft werden müsse der Leistungskatalog für die Grundversicherung, verlangt Manser. Zudem gelte es, die Spitalfinanzierung neu zu regeln und Überkapazitäten im Gesundheitswesen abzubauen. CSS-Chef Georg Portmann fordert Preissenkungen bei den Medikamenten sowie Verhandlungen mit Ärzten, um eine Aufhebung des Vertragszwangs zu erreichen. Noch immer kann jeder zugelassene Arzt zu Lasten der Krankenkassen abrechnen, ungeachtet der Wirtschaftlichkeit seiner Arbeit.

Beim Bundesamt für Sozialversicherung ortet man die Prob- leme auch bei den Kassen. «Deren Chefs sind nicht gewillt, in ihrem Bereich kostendämpfende Massnahmen durchzusetzen», sagt Vizedirektor Fritz Britt und kritisiert die mangelhafte Rechnungskontrolle der Versicherer. Allein mit diesem Schwarzpe-terspiel ist die Kostenexplosion nicht zu stoppen.
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