Ein Smartphone, das immer weiss, wo es ist, und dank genauen 3D-Karten sogar in Innenräumen navigieren kann: Das ist das ehrgeizige Ziel des «Project Tango» von Google, das schon nächstes Jahr marktreif sein soll. Eine Herausforderung für die beteiligten Wissenschaftler der ETH Zürich.

Für das 3D-Smartphone soll die Welt in Zukunft nicht mehr am Bildschirmrand aufhören, wie Google in einem Werbefilm erklärt. Es soll wie der Mensch ein Bild des dreidimensionalen Raums haben und sich darin bewegen können. Dazu will die Firma die beste Technologie aus Robotik und digitaler Bildverarbeitung im Gerät vereinen.

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Gleiche Technik wie für mobile Roboter

Führend in diesen Forschungsfeldern sind die ETH-Professoren Marc Pollefeys und Roland Siegwart und ihre Mitarbeiter. «Die gleiche Technik braucht man auch für mobile Roboter: Sie müssen wissen, wo sie sind, und einen Plan der Umgebung haben», erklärt Siegwart auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

Der Prototyp, den die ETH-Forscher von Google bekommen haben, enthält neben den üblichen Drehraten- und Beschleunigungssensoren eine zusätzliche Kamera, die räumliches Sehen ermöglicht, und eine Infrarotquelle. Diese projiziert ein für das menschliche Auge unsichtbares Raster auf die Umgebung. Die Kamera zeichnet es auf, und die Software errechnet daraus detaillierte Rauminformationen.

Mit rund 250'000 3D-Aufzeichnungen pro Sekunde registriert das Gerät alle seine Bewegungen sowie seine Umgebung und fertigt auf diese Weise ein vollständiges 3D-Modell seiner Umwelt an, so die Idee. Dies ermöglicht eine GPS-ähnliche Navigation sogar in Innenräumen, wo das Satellitensystem nicht funktioniert.

Spiele im Wohnzimmer

Eine Unzahl von Anwendungen in Form von Apps ist mit dieser Technologie denkbar: Sehbehinderte könnten damit Hindernissen wie Treppen oder Tische ausweichen, Kunden könnten testen, wie ein im Warenhaus gesehenes Sofa in der eigene Wohnung wirkt, oder man könnte sich - spielerischer - im eigenen Zuhause Schlachten mit virtuellen Armeen liefern. Auch den Onlinekleiderkauf könnte eine 3D-Vermessung des Körpers erleichtern.

Noch gelingt es dem Gerät jedoch nicht, in allen Alltagssituationen eine einzige, gut abgestimmte 3D-Karte zu erstellen. Daran tüfteln nun die ETH-Wissenschaftler. Simon Lynen, Doktorand in Siegwarts Robotik-Gruppe, will etwa erreichen, dass das Telefon bereits bekannte Orte wiedererkennt, während es seine Umgebung scannt. Dazu entwickelt er eine Software, die Abweichungen in den 3D-Karten in Echtzeit korrigieren kann.

Bestimmte Muster wiedererkennen

Dazu muss das Gerät bestimmte Muster in den Pixeln der Bilder wiedererkennen - auch wenn diese aus einem anderen Winkel aufgenommen werden. Eine schwierige Aufgabe ist das insbesondere angesichts der geringen Rechenleistung von Smartphones.

Mitarbeiter des Informatikprofessors Pollefeys versuchen das Problem zu lösen, auch dann 3D-Karten erstellen zu können, wenn die Kamera das abgestrahlte Infrarotmuster etwa im hellen Sonnenschein nicht wahrnehmen kann. Dazu versuchen sie, Tiefeninformationen aus einer Abfolge von normalen 2D-Bildern zu erfassen - also ähnlich, wie wenn Menschen die Umgebung mit beiden Augen wahrnehmen.

Fragen zum Datenschutz

Das Know-how, um aus visueller Information geometrische Raumdaten zu gewinnen, haben die Forscher in früheren Projekten gewonnen. Dazu gehören Flugroboter, die dank Kameras autonom fliegen und sich im Raum orientieren, das führerlose Parkieren von Elektroautos an der Ladestation und eine App, mit der das Smartphone dreidimensionale Objekte einscannen kann.

Googles Pläne, das 3D-Smartphone nächstes Jahr auf den Markt zu bringen, hält Siegwart für machbar. Die Frage sei, wie gut die 3D-Karte dann bereits berechnet werden kann. Danach sind dann die App-Programmierer dran, um ihrer Fantasie für Anwendungen freien Lauf zu lassen.

Neue Fragen dürfte indes der Datenschutz aufwerfen, wenn Abertausende 3D-Modelle von privaten und öffentlichen Innenräumen aufgezeichnet werden. Doch kontrolliere - wie auch jetzt schon - vor allem der Nutzer selbst, was er in die Welt hinausschickt, sagt der Robotiker. «Es ist aber zu raten, vorsichtig damit umzugehen.»

  Quelle: You Tube/Google ATAP