Klettern die Temperaturen draussen über zehn Grad, lassen die ersten Feierabend-Rauchwolken über den Dächern und Gärten selten lange auf sich warten und verbreiten mit ihrem typischen Duft unmissverständlich die Botschaft: Die Grillsaison ist eröffnet.
In den nächsten Monaten werden Steaks, Rippen, Würste, selten Gemüse, manchmal Käse und immer öfter auch ein grosses Stück Fleisch auf den Rost gelegt, gewendet und gehegt, bis sie à point sind. Die Menschheit (oder genauer: die Männer) und das Feuer, das ist eine geschichtsträchtige Liebesgeschichte, die kaum erstaunt, schliesslich grillieren wir, seit wir jagen.
Die bescheidenen Zeiten sind vorbei
Die bescheidenen Zeiten aber, in denen es ein paar Holzscheite und einen Rost fürs Glück brauchte, sind längst vorbei. Heute ist der Grill auf dem Balkon, der Dachterrasse oder im Garten das, was das Auto in der Garage ist: ein Gerät, das nicht nur nützlich ist, sondern auch die kühnsten Fantasien in Sachen Technik befriedigt und selbstverständlich mit einer unendlichen Liste an Gadgets ergänzt werden kann. Und dem vor allem die Männerwelt verfallen ist. Alles Klischees? Nicht wirklich: Nach wie vor werden in der Schweiz 80 Prozent aller Grills von Männern erworben.
Zeitgleich mit den steigenden Frühlingstemperaturen flattern die ersten Prospekte ins Haus. Neuheiten mit so wohlklingenden Namen wie The Beefer, LotusGrill oder KipGrill versprechen das Entdecken neuer Technologien, kitzeln die Neugier, nicht aber unbedingt die Kauflust. Allen Innovationen zum Trotz: Hierzulande ist der herkömmliche Kugelgrill nach wie vor das meistgekaufte Modell. Nicht umsonst, denn er ist ein Klassiker, günstig im Einkauf, einfach in der Handhabung und überzeugend im Resultat.
Grill gegen Ehekrach
Mehr Spielraum am Feuer bieten die trendigen BBQ-Grills oder ausgefallenere Modelle wie etwa das Big Green Egg (BGE), das derzeit Grill-Aficionados regelrecht ins Schwärmen bringt. Der optisch gefällige Holzkohlengrill wurde zwar bereits in den siebziger Jahre in den USA erfunden, in der Schweiz erhältlich ist er aber erst seit drei Jahren. Seither klettern die Verkaufszahlen rasant in die Höhe: Während 2011 noch bescheidene 45 Stück an den Mann gebracht wurden, liessen sich letztes Jahr bereits 500 verkaufen, dieses Jahr sollen es gar 800 sein.
In der Schweiz vertreibt John Daly den grünen Alleskönner. Der Ire verkaufte einst als Tourismusexperte seine Heimat der Welt, zog vor zehn Jahren der Liebe wegen in die Schweiz und hat vor vier Jahren ganz per Zufall den Big-Green-Egg-Grill entdeckt.
«Mit diesem Grill werden Sie nie mehr Ehekrach haben»
An einem sonnigen Nachmittag steht der gross gewachsene Mann auf dem Gelände der Higa – der Südostschweizer Frühlingsmesse –, umrahmt von der gesamten Big-Green-Egg-Kollektion, und preist die Vorteile des grünen Eis einem interessierten Publikum an: «Mit diesem Grill werden Sie nie mehr Ehekrach haben, weil Beilagen schon fertig sind und die Würste noch roh – er schafft es, sich in nur zehn Minuten von 0 auf 200 Grad zu erhitzen.» Die Augen der Männer glänzen – schliesslich gehört das Thema so sicher zum Grillieren wie der Senf zur Wurst. «Und man kann damit nicht nur grillieren, sondern auch Pizza, Brot und eine Wähe backen.» Jetzt glänzen auch die Augen der Frauen.
Der Big-Green-Egg-Grill ist ein Allroundgerät, mit dem man grillieren, backen, räuchern und sogar niedergaren kann. Erfunden hat ihn der Vietnamveteran Ed Fisher. Er liess sich dabei von den traditionellen Kamados inspirieren. Diese populären Tonöfen, bei denen die Temperatur mittels Luftzug reguliert wird, sind ein fester Bestandteil der traditionellen Strassenküchen Vietnams.
Kombination von Techniken
Die archaische Methode kombinierte Fisher mit dem Schwedenofen und dem Römertopf-Prinzip, beides ebenfalls althergebrachte Kochtechniken. Wie beim Schwedenofen wird die Holzkohle von oben statt von unten angezündet, was nicht nur einen geringeren Verbrauch zur Folge hat, sondern auch weniger Rauch erzeugt. Bei der Römertopf-Methode hingegen wird der Kochkammer der Sauerstoff entzogen, das Gargut wird sanft und ohne Verbrennungsgefahr gekocht.
Erst die Kombination dieser drei Prinzipen macht ihn zum Alleskönner. Das ovale Keramikgehäuse ist am unteren Ende mit einem Schieber und auf dem Deckel mit einem regulierbaren gelöcherten Aufsatz (ähnlich wie beim Fondue-Rechaud) versehen. Damit lassen sich über die Zu- und Abluft die Temperaturen regulieren.
Hitze und Elastizität
«Die grösste Herausforderung war die Suche nach dem richtigen Material», sagt John Daly, während er mit dem Finger auf die 15 Millimeter dicke Keramikschicht klopft. «Es musste sowohl grosse Hitze aufnehmen können wie auch eine gewisse Elastizität aufweisen, um den extremen Temperaturschwankungen standzuhalten. Das BGE kann bis auf 1000 Grad erhitzt werden, und dies im Sommer genauso wie im Winter, wenn es längere Zeit in der Kälte gestanden ist.» Fündig wurde Ed Fisher schliesslich bei der Nasa: Für ihre Space Shuttles entwickelte die Raumfahrtbehörde überdurchschnittlich poröse Hitzeschutzkacheln.
Dieses Material absorbiert die Hitze gleichmässig und garantiert so auch über längere Kochzeiten eine konstante Temperatur. Um die dichte und lang anhaltende grüne Farbe zu bekommen, wird die Glasur zweimal gebrannt. «Die Zusammensetzung der Nasa-Keramik ist öffentlich bekannt. Wie lange und wie heiss sie für das Grillgehäuse allerdings gebrannt wird, ist ein streng gehütetes Firmengeheimnis», sagt John Daly. Deshalb könne auch die Fabrik in New Mexico, in der die gesamte Jahresproduktion von 100 000 Stück gebrannt wird, nicht besucht werden.
Derzeit ist das BGE in fünf verschiedenen Grössen, von Mini bis X-Large, erhältlich. Zwei weitere Grössen sind in Planung. Während sich Freizeit-Grilleure am häufigsten für das Modell Large entscheiden, steht in den Küchen der Profi-Köche oft das kleinste Modell. Etwa bei Andreas Caminada oder Fabian Spiquel: Der Chefkoch der eklektischen «Maison Manesse» in Zürich ist vom kleinen grünen Grill begeistert: «Er ist schnell heiss und kann über die gesamte Zeitspanne unserer Öffnungszeiten eine konstante Temperatur halten.» Spiquel schätzt die Vielseitigkeit des BGE und setzt dieses längst nicht mehr nur fürs Grillieren von Fleisch ein. Letzte Woche etwa habe er Melonen bei grosser Hitze kurz auf den Rost gelegt. «Dadurch bekamen sie einen wunderbar exotisch-karamelligen Geschmack.»
Geschmackliche Veredelung
Die Möglichkeit des BGE, Produkte am Ende des Kochprozesses geschmacklich zu veredeln, hat es auch Mischa Käser vom Ristorante Italia in Zürich angetan. «Seit wir das Ei in der Küche haben, können wir unser Bistecca Fiorentina noch authentischer zubereiten. Vor dem Servieren legen wir dieses kurz auf den Grill und fügen der Holzkohle ein wenig Rebholz bei, das verstärkt den typischen Holzgeschmack zusätzlich.» Doch den grössten Vorteil des BGE ortet Käser in der Tatsache, dass man das Gerät, weil es wenig Rauch produziert, auch drinnen einsetzen könne: «Jetzt können wir in der Küche Sachen machen, die vorher nur draussen möglich waren.»
Auch André Jaeger von der Schaffhauser «Fischerzunft» ist vom Big Green Egg begeistert. Er nutzt es vor allem im privaten Bereich und frönt damit am liebsten seiner Leidenschaft für das grosse Stück, das er indirekt grilliert: «Ich lege etwa eine ganze Kalbsbrust bei niedrigen Temperaturen auf den Rost, würze sie höchstens mit Salz und Pfeffer, erledige unterdessen die Gärtnerarbeiten und übergiesse zwischendurch das Fleisch mit einem Schuss Gewürztraminer, so lange, bis es richtig goldig glänzt – perfekt!»
Technik in der Schweiz noch wenig bekannt
Die Technik des indirekten Grillierens, bei der das Grillgut nicht auf die Kohle, sondern daneben gelegt wird, ist in der Schweiz noch wenig bekannt. «In den USA werden 80 Prozent des Grillguts indirekt und 20 Prozent direkt grilliert. In der Schweiz ist es genau umgekehrt,» sagt John Daly. Dabei sei es oft schade um das schöne Stück Fleisch, wenn man es einfach auf den Rost lege, nicht selten gar viel zu nahe an die Flammen. Um diesem Missstand abzuhelfen, organisiert er regelmässig Kochkurse.
Während vier Stunden lernen die Kursbesucher, wie man ein Stück Fleisch zuerst langsam garen lässt und es erst am Schluss veredelt, indem man die Temperatur schnell ansteigen lässt und es kurz, aber heftig grilliert. In seinen Kochkursen bereitet John Daly immer ein ganzes Menu auf dem BGE zu. Er fängt mit kleinen Amuse-Bouches an, fährt mit Brot und Pizza weiter, grilliert Fleisch, Fisch und Gemüse auf direkte und indirekte Art, und zum Schluss legt er – zum allgemeinen Erstaunen – sogar einen Schokoladekuchen auf den Rost.
Erhältlich: u.a. bei biggreenegg.ch, grill-sheriff.ch