BILANZ: Die Börsen stottern beträchtlich – der Kunstmarkt ebenso?
Iwan Wirth: Überhaupt nicht. Auf die letztjährige «Art» in Basel hin hatte ich eine deutliche Beruhigung erwartet. Das Gegenteil traf ein: Auf der Messe herrschte Euphorie.
In der Regel führt aber ein Börsenknick über kurz oder lang zu einem Katzenjammer in Ihrem Geschäft.
Sie spielen auf den Kunst-Crash Anfang der Neunzigerjahre an. Damals gab es gewaltige Übertreibungen. Die Japaner hatten wie wild Kunst gekauft. Künstler wie die Italiener Paladino und Cucci oder die Amerikaner Fischl und Schnabel erzielten mit ihren Werken Preise von bis zu zwei Millionen Dollar. Die meisten dieser Arbeiten waren nach dem Sturz weniger als die Hälfte wert und konnten sich bis heute nicht wesentlich erholen.
Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass es diesmal ganz anders ist? Haben wir nicht zumindest eine Künstlerinflation, vergleichbar mit den Auswüchsen der inzwischen geborstenen New Economy?
Das sehe ich überhaupt nicht so. Der Kunstmarkt hatte seine irrationalen Auswüchse Ende der Achtzigerjahre mit anschliessender scharfer Korrektur. Die erste Hälfte der Neunziger war denn auch eher mager, und Sammler sowie Händler haben sich die Wunden geleckt. Der Kunstmarkt hat das also meiner Meinung nach bereits hinter sich. Der beste Gradmesser, dass das Business weiterhin gut läuft, sind die jüngsten Ergebnisse der traditionellen Auktionswochen in New York und London.
Sie waren wie stets am Schauplatz des Geschehens. Haben Sie mitgeboten?
Ich war eher Zuschauer beziehungsweise habe die Werke, die mich interessiert haben, nicht bekommen wie zum Beispiel Ed Ruschas «Space» – verkauft für 3,7 Millionen Dollar. Gekauft haben wir ein Bild von Eva Hesse für günstige 200 000 Dollar.
Wurden Sie von den Spitzenpreisen überrascht?
Die von den Auktionshäusern gemachten Versprechen, die Schätzungen also, waren sehr hoch. Die meisten der erzielten Preise haben sich im Rahmen der Schätzungen gehalten. Das zeigt, wie gesund und stark der Markt ist und dass die Einschätzungen der Auktionshäuser richtig waren. Das ist ein gutes Zeichen. Am stärksten, wie schon seit mehreren Jahren, zeigen sich Andy Warhol und Gerhard Richter mit Preisen in Millionenhöhe.
Erwarten Sie nun an der «Art» erneute Rekordumsätze?
Auf jeden Fall geben die Auktionen wichtige Fingerzeige, in welcher Stimmung die Sammler nach Basel reisen werden. Die grosse Frage in diesem Jahr wird sein: Hält der Boom in der zeitgenössischen Fotografie an?
In Ihren Galerien findet man die Fotografie kaum. Haben Sie diesen Markt verpasst?
Ich mag Fotografie nur selektiv. Insofern haben wir diesen Trend nicht verpasst, sondern es war eine bewusste Entscheidung, nicht nur oder nicht zu stark auf Fotografie zu setzen. Inzwischen sind die Preise teilweise derart gestiegen, dass ich für Fotos vorsichtig wäre. Für eine Arbeit von Andreas Gursky sind kürzlich 600 000 Dollar bezahlt worden. Sehr viel Geld für etwas, was ausbleichen kann (lacht).
Abgesehen von den Auktionen, an denen die Preisfindung mehr oder weniger sauber nachvollziehbar ist, zeichnet sich der Kunstmarkt durch grösste Intransparenz aus …
… grossartig. Das ist doch wirklich grossartig. Die Intransparenz liegt in der Natur der Sache. Kunst ist eben nicht kalkulierbar wie die Herstellung und der Verkauf von Waren der normalen Wirtschaft. In unserem Geschäft ist alles eine reine Frage des Ermessens, der Lust und des Portemonnaies. Das macht die Faszination aus.
Das macht es für den Käufer jedoch extrem schwierig, zwischen seriöser und unseriöser Kunst zu unterscheiden.
Zugegeben, keiner weiss, wie sich Stellenwert und Marktwert eines Künstlers entwickeln. Aber das weiss ja auch in der realen Wirtschaft keiner. Gewisse Sterne verblassen über Nacht, auch in der Corporate World, wie die New Economy oder Enron zeigen.
Sie werden in enger Beziehung gesehen zum so genannten Schweizer Kunstwunder, wie es auch in unserem Künstlerrating zum Ausdruck kommt. Sie sind darin nicht nur mit Abstand mit den meisten Künstlern vertreten, sondern Sie vertreten auch diejenigen, die über die Grenzen hinaus von Bedeutung sind. Wie sehen Sie Ihren Stellenwert?
Zuerst: Ein Kunstwunder ist stets auch ein Finanzwunder. Es braucht die Bereitschaft, in Kunst zu investieren. Das war früher an den Höfen und in den Salons schon so. Ohne Mäzene oder Sammler läuft gar nichts. Wir sehen uns als Vermittler, und das machen wir möglichst professionell. Eva Presenhuber und wir unterstützen unsere rund 25 Künstler so gut, dass sie mit uns zufrieden sind, und leisten für sie Überzeugungsarbeit bei den Sammlern.
Wie eine ganz normale Künstleragentur mit einem oder zwei Dutzend Pferdchen im Stall?
Wo denken Sie hin! Wir haben mit keinem Künstler einen Vertrag. Nichts ist schriftlich fixiert. Wir stellen nur Künstler aus, zu denen die menschliche Beziehung stimmt.
Sie haben mit Friedrich Christian Flick einen Grosskunden, wie allgemein bekannt ist, für den Sie wohl Hunderte von Werken kaufen konnten. Hat die Kontroverse um die Herkunft seines Erbes auch Ihnen geschadet?
Ich bedaure sehr, dass es zu dieser Art öffentlicher Auseinandersetzung gekommen ist. Meiner Meinung nach verliert nun Zürich die Chance, ein Museum für eine der drei bedeutendsten Sammlungen von Gegenwartskunst überhaupt zu erhalten. Wie bei der Thyssen-Sammlung, welche die Schweiz an Madrid verloren hat, wird man sich dann im Nachhinein ärgern, dass man sich diese einmalige Chance hat entgehen lassen.
Ein grosser Kunde Ihrer Galerie sind Sie selbst. Ihre Sammlung umfasst über 1600 Werke, die Sie zusammen mit Ihrer Frau und deren Mutter aufgebaut haben. Es ist oft sperrige, kaum modische Kunst. Was machen Sie, wenn die Sammlung schlecht altert?
Unsere Motivation, auch sperrige, schwierige Kunst zu sammeln, ist nicht die Hoffnung auf möglichst grosse Wertsteigerung. Dann wären wir besser beraten, Bilder und Fotografie zu kaufen. Wir sammeln in erster Linie, was wir lieben. Mit unserer Sammlung konservieren wir wichtige Werke wie beispielsweise Dieter Roths «Tischruine», die an der kommenden «Dokumenta» in Kassel gezeigt wird. Bei uns bleiben die Sachen hängen, welche die Leute nicht kaufen wollen. Dass man damit gut fahren kann, zeigen doch die Sammlungen Beyeler und Rosengart eindrücklich.
Bei welcher Kunst sehen Sie versteckte Werte, die in nächster Zeit sichtbar werden?
Eindeutig bei der Videokunst. Im Moment sind es eher noch die institutionellen Sammler, die diese Kunst kaufen. Mit den neusten Abspielmöglichkeiten wird die Videokunst jedoch auch für Private sehr interessant werden.
Wie gross ist Ihr Kunstunternehmen?
Für so genannte Nachkriegskunst dürften wir als Programmgalerie in Europa inzwischen die Grössten sein, nachdem sich im letzten Herbst Anthony d’Offay in London zurückgezogen hat. Seine Galerie wies einen Umsatz von rund 50 Millionen Dollar aus. Schliesst man den mit Abstand wichtigsten Kunstmarkt in den USA mit ein, gehören wir unter die ersten zehn. Wir erzielen gut 70 Prozent unseres Umsatzes in Übersee und beschäftigen 30 Mitarbeiter.
Wie steht es mit der Rendite?
Unsere neue Finanzchefin versucht sie stets zu verbessern (lacht).
Sie sind bereits über zehn Jahre erfolgreich im Geschäft und doch erst knapp über 30. Wohin zielen Sie in den nächsten zehn Jahren?
Ziel ist und bleibt es, mit den besten Künstlern unserer Zeit zusammenzuarbeiten und mit ihnen wichtige Ausstellungen in- und ausserhalb der Galerie zu realisieren. In den nächsten zehn Jahren werden verschiedene Sammlungen, die wir zurzeit mit aufbauen, dem Publikum zugänglich gemacht: Das wird spannend! Dann möchte ich mich endlich auch mit den Künstlern meiner eigenen Generation beschäftigen (lacht). So gesehen waren die letzten zehn Jahre erst die Aufwärmrunde.
Und nach Zürich sowie New York eine weitere Galerie, diesmal in London, eröffnen?
Wait and see.
Iwan Wirth: Überhaupt nicht. Auf die letztjährige «Art» in Basel hin hatte ich eine deutliche Beruhigung erwartet. Das Gegenteil traf ein: Auf der Messe herrschte Euphorie.
In der Regel führt aber ein Börsenknick über kurz oder lang zu einem Katzenjammer in Ihrem Geschäft.
Sie spielen auf den Kunst-Crash Anfang der Neunzigerjahre an. Damals gab es gewaltige Übertreibungen. Die Japaner hatten wie wild Kunst gekauft. Künstler wie die Italiener Paladino und Cucci oder die Amerikaner Fischl und Schnabel erzielten mit ihren Werken Preise von bis zu zwei Millionen Dollar. Die meisten dieser Arbeiten waren nach dem Sturz weniger als die Hälfte wert und konnten sich bis heute nicht wesentlich erholen.
Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass es diesmal ganz anders ist? Haben wir nicht zumindest eine Künstlerinflation, vergleichbar mit den Auswüchsen der inzwischen geborstenen New Economy?
Das sehe ich überhaupt nicht so. Der Kunstmarkt hatte seine irrationalen Auswüchse Ende der Achtzigerjahre mit anschliessender scharfer Korrektur. Die erste Hälfte der Neunziger war denn auch eher mager, und Sammler sowie Händler haben sich die Wunden geleckt. Der Kunstmarkt hat das also meiner Meinung nach bereits hinter sich. Der beste Gradmesser, dass das Business weiterhin gut läuft, sind die jüngsten Ergebnisse der traditionellen Auktionswochen in New York und London.
Sie waren wie stets am Schauplatz des Geschehens. Haben Sie mitgeboten?
Ich war eher Zuschauer beziehungsweise habe die Werke, die mich interessiert haben, nicht bekommen wie zum Beispiel Ed Ruschas «Space» – verkauft für 3,7 Millionen Dollar. Gekauft haben wir ein Bild von Eva Hesse für günstige 200 000 Dollar.
Wurden Sie von den Spitzenpreisen überrascht?
Die von den Auktionshäusern gemachten Versprechen, die Schätzungen also, waren sehr hoch. Die meisten der erzielten Preise haben sich im Rahmen der Schätzungen gehalten. Das zeigt, wie gesund und stark der Markt ist und dass die Einschätzungen der Auktionshäuser richtig waren. Das ist ein gutes Zeichen. Am stärksten, wie schon seit mehreren Jahren, zeigen sich Andy Warhol und Gerhard Richter mit Preisen in Millionenhöhe.
Erwarten Sie nun an der «Art» erneute Rekordumsätze?
Auf jeden Fall geben die Auktionen wichtige Fingerzeige, in welcher Stimmung die Sammler nach Basel reisen werden. Die grosse Frage in diesem Jahr wird sein: Hält der Boom in der zeitgenössischen Fotografie an?
In Ihren Galerien findet man die Fotografie kaum. Haben Sie diesen Markt verpasst?
Ich mag Fotografie nur selektiv. Insofern haben wir diesen Trend nicht verpasst, sondern es war eine bewusste Entscheidung, nicht nur oder nicht zu stark auf Fotografie zu setzen. Inzwischen sind die Preise teilweise derart gestiegen, dass ich für Fotos vorsichtig wäre. Für eine Arbeit von Andreas Gursky sind kürzlich 600 000 Dollar bezahlt worden. Sehr viel Geld für etwas, was ausbleichen kann (lacht).
Abgesehen von den Auktionen, an denen die Preisfindung mehr oder weniger sauber nachvollziehbar ist, zeichnet sich der Kunstmarkt durch grösste Intransparenz aus …
… grossartig. Das ist doch wirklich grossartig. Die Intransparenz liegt in der Natur der Sache. Kunst ist eben nicht kalkulierbar wie die Herstellung und der Verkauf von Waren der normalen Wirtschaft. In unserem Geschäft ist alles eine reine Frage des Ermessens, der Lust und des Portemonnaies. Das macht die Faszination aus.
Das macht es für den Käufer jedoch extrem schwierig, zwischen seriöser und unseriöser Kunst zu unterscheiden.
Zugegeben, keiner weiss, wie sich Stellenwert und Marktwert eines Künstlers entwickeln. Aber das weiss ja auch in der realen Wirtschaft keiner. Gewisse Sterne verblassen über Nacht, auch in der Corporate World, wie die New Economy oder Enron zeigen.
Sie werden in enger Beziehung gesehen zum so genannten Schweizer Kunstwunder, wie es auch in unserem Künstlerrating zum Ausdruck kommt. Sie sind darin nicht nur mit Abstand mit den meisten Künstlern vertreten, sondern Sie vertreten auch diejenigen, die über die Grenzen hinaus von Bedeutung sind. Wie sehen Sie Ihren Stellenwert?
Zuerst: Ein Kunstwunder ist stets auch ein Finanzwunder. Es braucht die Bereitschaft, in Kunst zu investieren. Das war früher an den Höfen und in den Salons schon so. Ohne Mäzene oder Sammler läuft gar nichts. Wir sehen uns als Vermittler, und das machen wir möglichst professionell. Eva Presenhuber und wir unterstützen unsere rund 25 Künstler so gut, dass sie mit uns zufrieden sind, und leisten für sie Überzeugungsarbeit bei den Sammlern.
Wie eine ganz normale Künstleragentur mit einem oder zwei Dutzend Pferdchen im Stall?
Wo denken Sie hin! Wir haben mit keinem Künstler einen Vertrag. Nichts ist schriftlich fixiert. Wir stellen nur Künstler aus, zu denen die menschliche Beziehung stimmt.
Sie haben mit Friedrich Christian Flick einen Grosskunden, wie allgemein bekannt ist, für den Sie wohl Hunderte von Werken kaufen konnten. Hat die Kontroverse um die Herkunft seines Erbes auch Ihnen geschadet?
Ich bedaure sehr, dass es zu dieser Art öffentlicher Auseinandersetzung gekommen ist. Meiner Meinung nach verliert nun Zürich die Chance, ein Museum für eine der drei bedeutendsten Sammlungen von Gegenwartskunst überhaupt zu erhalten. Wie bei der Thyssen-Sammlung, welche die Schweiz an Madrid verloren hat, wird man sich dann im Nachhinein ärgern, dass man sich diese einmalige Chance hat entgehen lassen.
Ein grosser Kunde Ihrer Galerie sind Sie selbst. Ihre Sammlung umfasst über 1600 Werke, die Sie zusammen mit Ihrer Frau und deren Mutter aufgebaut haben. Es ist oft sperrige, kaum modische Kunst. Was machen Sie, wenn die Sammlung schlecht altert?
Unsere Motivation, auch sperrige, schwierige Kunst zu sammeln, ist nicht die Hoffnung auf möglichst grosse Wertsteigerung. Dann wären wir besser beraten, Bilder und Fotografie zu kaufen. Wir sammeln in erster Linie, was wir lieben. Mit unserer Sammlung konservieren wir wichtige Werke wie beispielsweise Dieter Roths «Tischruine», die an der kommenden «Dokumenta» in Kassel gezeigt wird. Bei uns bleiben die Sachen hängen, welche die Leute nicht kaufen wollen. Dass man damit gut fahren kann, zeigen doch die Sammlungen Beyeler und Rosengart eindrücklich.
Bei welcher Kunst sehen Sie versteckte Werte, die in nächster Zeit sichtbar werden?
Eindeutig bei der Videokunst. Im Moment sind es eher noch die institutionellen Sammler, die diese Kunst kaufen. Mit den neusten Abspielmöglichkeiten wird die Videokunst jedoch auch für Private sehr interessant werden.
Wie gross ist Ihr Kunstunternehmen?
Für so genannte Nachkriegskunst dürften wir als Programmgalerie in Europa inzwischen die Grössten sein, nachdem sich im letzten Herbst Anthony d’Offay in London zurückgezogen hat. Seine Galerie wies einen Umsatz von rund 50 Millionen Dollar aus. Schliesst man den mit Abstand wichtigsten Kunstmarkt in den USA mit ein, gehören wir unter die ersten zehn. Wir erzielen gut 70 Prozent unseres Umsatzes in Übersee und beschäftigen 30 Mitarbeiter.
Wie steht es mit der Rendite?
Unsere neue Finanzchefin versucht sie stets zu verbessern (lacht).
Sie sind bereits über zehn Jahre erfolgreich im Geschäft und doch erst knapp über 30. Wohin zielen Sie in den nächsten zehn Jahren?
Ziel ist und bleibt es, mit den besten Künstlern unserer Zeit zusammenzuarbeiten und mit ihnen wichtige Ausstellungen in- und ausserhalb der Galerie zu realisieren. In den nächsten zehn Jahren werden verschiedene Sammlungen, die wir zurzeit mit aufbauen, dem Publikum zugänglich gemacht: Das wird spannend! Dann möchte ich mich endlich auch mit den Künstlern meiner eigenen Generation beschäftigen (lacht). So gesehen waren die letzten zehn Jahre erst die Aufwärmrunde.
Und nach Zürich sowie New York eine weitere Galerie, diesmal in London, eröffnen?
Wait and see.
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