BILANZ: Herr Ogger, Sie waren mit Ihrem Buch «Nieten in Nadelstreifen» 1992 der erste scharfe Kritiker der Managerkaste. Wie waren damals die Reaktionen?
Günter Ogger: Die Öffentlichkeit war ziemlich überrascht. Das Thema war neu und lieferte eine Erklärung für die Krise, in die damals viele Unternehmen schlitterten. Ich habe von keinem anderen Buch so viel verkauft wie von «Nieten in Nadelstreifen» – es waren, alles in allem, über eine Million Exemplare. Ich kritisierte, dass die Manager als Personen im Grunde genommen keinem Wettbewerb ausgesetzt sind, sondern sich gegenseitig schützen. Danach wurde ich von vielen Managern geschnitten, bekam keine Interviewtermine mehr und musste für weitere Bücher und Artikel Strohmänner einsetzen. Das waren zum Beispiel Betriebswirtschaftsstudenten, die unter dem Vorwand einer Forschungsarbeit anriefen und so für mich Informationen besorgten.
Damals waren Manager hoch angesehen. Heute hingegen stehen sie im Kreuzfeuer der Kritik. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Nach dem Crash an der Börse haben Millionen Aktionäre einen Grossteil ihres Vermögens verloren, aber die Vorstände taten so, als ob sie das alles nichts anginge. Das Missverhältnis zwischen den sinkenden Börsenwerten und der drastischen Erhöhung der Managerbezüge lieferte den Zündstoff für die heutige Debatte.
Auch für die Kapitalismuskritik, die in Deutschland so leidenschaftlich geführt wird?
Der Grund dafür sind der Zusammenbruch des Kommunismus und die Öffnung des Ostblocks. Jetzt treten die Ostblockländer auf dem Arbeitsmarkt als harte Konkurrenten auf, mit der Folge, dass wir in Deutschland eine Arbeitslosenquote von über zehn Prozent haben. Wurden früher hauptsächlich geringer qualifizierte Mitarbeiter entlassen, so trifft es inzwischen immer mehr gut ausgebildete Leute, die sich artikulieren können. Die Kapitalismuskritik von links wird deshalb nicht als dummes Gerede empfunden, sondern findet selbst im Milieu des Mittelmanagements einen fruchtbaren Nährboden.
Dahinter stecken doch ganz einfach billiger Populismus und Neid.
Ich habe in vielen Diskussionen den Neid verurteilt, der in Deutschland stark ausgeprägt ist. Aber mittlerweile bin ich der Meinung, dass das Neidargument von unseren Managern als Totschlagargument gebraucht wird. Die Regierung hat der Wirtschaft genügend Zeit gelassen, für die Offenlegung der obersten Managersaläre selber eine Regelung zu finden. Von den dreissig DAX-Unternehmen waren nur neun bereit, dem Corporate-Government-Kodex Folge zu leisten. Also blieb der Regierung gar nichts anderes übrig, als ein Gesetz nachzuschieben.
Aber was bringt dieser Zwang? Glauben Sie, die Arbeitslosigkeit nehme ab, wenn man die Löhne der Manager offen legt? Oder wenn Leute wie Novartis-Chef Daniel Vasella weniger verdienen?
Nein. Das bringt natürlich keine Arbeitsplätze, aber die Manager haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie nun als Absahner am Pranger stehen. Wer den Börsenwert seiner Gesellschaft halbiert wie die Vorstände von DaimlerChrysler und der Deutschen Bank oder gar viertelt wie die Herren von Allianz und Münchener Rück, der darf nicht unbedingt mit Sympathie rechnen, wenn er seine Bezüge im gleichen Zeitraum verdoppelt und verdreifacht. Dieses Missverhältnis zwischen der Entwicklung der Börsenkurse und der Managergehälter ist eines der Hauptargumente für die Diskussion, die wir heute führen.
Was sind die Folgen für die Wirtschaft?
Die Folgen habe ich in meinem letzten Buch, «Die Ego AG», beschrieben. Wenn die oberste Führungsebene eines Unternehmens erkennbar lediglich an ihrem eigenen Wohl interessiert ist und es nicht schafft, auch das Unternehmen voranzubringen, dann setzt sich der Egoismus auf allen Ebenen der Hierarchie durch. Dann fangen die Angestellten auch an zu überlegen, wie sie ihre Firma ausnehmen können. Bei DaimlerChrysler etwa gab es in der Vertriebsabteilung ein Netzwerk von Leuten, die auf eigene Rechnung Geschäfte mit der Zuteilung von Autos auf die verschiedenen Exportmärkte machten. Drei Viertel aller Grossunternehmen wurden nach einer Umfrage der Wirtschaftsprüfergesellschaft PricewaterhouseCoopers in den letzten beiden Jahren Opfer von Wirtschaftsverbrechen, und die meisten Täter kamen aus dem eigenen Haus.
Was ist dagegen zu tun?
Es geht in Ordnung, wenn sich Joe Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, gegen eine zum Teil ungerechtfertigte Kapitalismuskritik zur Wehr setzt. Aber die Manager wären gut beraten, die Regeln, deren Einhaltung sie von ihren Mitarbeitern verlangen, auf sich selber anzuwenden. Wenn sie dazu nicht freiwillig bereit sind, werden sie von den Investoren dazu gezwungen. Das ist ja letztlich das Gute an der heutigen Diskussion: Sie wird bei den Kapitalgesellschaften zu einer Stärkung der Rechte der Eigentümer führen.
Und wenn die Aktienkurse steigen, sind die Managerlöhne kein Thema mehr?
Wenn ein entsprechender Unternehmenserfolg erzielt wird, das habe ich x-mal gesagt, darf ein Manager stolz sein auf die Millionen, die ihm seine Gesellschaft zubilligt.