Manchmal ist Headhunter ein einfacher Job. Als Guy Lachappelle aus den Medien erfuhr, dass der Zürcher Personalvermittler Guido Schilling den neuen Raiffeisen-Präsidenten suchte, ging der Chef der Basler Kantonalbank (BKB) direkt auf ihn zu – man kannte sich, schliesslich hatte Lachappelle auch schon Mandate an Schilling vergeben. Zwei Strategieprozesse hatte er für die drittgrösste Kantonalbank bereits aufgegleist, operativ ist die Bank stark unterwegs – da stand für den 57-jährigen Basler seit einiger Zeit fest, dass er sich in Richtung VR-Karriere bewegen wollte.
Schnell setzte er sich an die Spitze der Kandidatenliste, die am Schluss auf drei Personen geschrumpft war. Trotzdem war seine Nominierung eine Überraschung: Sein Name war im grossen Rätselraten vor der Verkündung nirgends gefallen.
Er überzeugte die Genossenschaftler doppelt: Mit seinem bodenständigen Auftreten – aufgewachsen ist er als Sohn eines Wirte-Ehepaars in Kleinbasel. Und mit seiner Sanierungserfahrung: Den Betrugsfall des Vermögensverwalters ASE, den US-Steuerstreit oder die Manipulation des Partizipationsscheins – all das hatte er bei der BKB geräuschlos gelöst. Sein grösster Trumpf: Lachappelle kann Krise.
Die Mitstreiter
Besonders eine Person hat Lachappelle den Abgang bei der BKB schwer gemacht: Mit seinem von ihm hoch geschätzten Bankrats-Präsidenten Adrian Bult, seit eineinhalb Jahren an der Spitze des Kontrollgremiums, arbeitete er den Strategieplan bis 2021 aus.
Ein weiterer Vertrauter im Bankrat ist Andreas Sturm, heute auch VRP der BKB-Tochter Bank Cler. Sturm setzte sich für die Nomination Lachappelles als BKB-Chef ein und begleitete ihn in der Krise eng. Regelmässigen Austausch pflegt Lachappelle mit Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer, dem Ex-Swisscom-Finanzchef Ueli Dietiker oder dem Basler Zahn-Implantat- und Hotel-Unternehmer Thomas Straumann.
Mit Raiffeisen gab es bislang wenig Berührungspunkte. Doch über die Bank Coop, heute Bank Cler, ist ihm das Genossenschaftsdenken vertraut – ein Pluspunkt im Auswahlprozess. Am Raiffeisen-Hauptsitz St. Gallen ist Lachappelle nicht besonders vernetzt, jedoch hat er dort ein Executive MBA absolviert und tauscht sich mit Kantonalbank-Chef Roland Ledergerber aus.
Nach seinem FC Basel, der ihn derzeit zwar etwas leiden lässt, gilt seine Fussball-Leidenschaft dann auch am ehesten dem FC St. Gallen. Allerdings: Ein Umzug in den Osten ist derzeit nicht geplant. Lachappelle wohnt mit seiner Familie in Oberwil BL. Gerade hat seine Tochter von der HSG auf Medizin umgesattelt, und so wird ihre Studentenwohnung in St. Gallen frei. Dort zieht er während der Woche erst mal ein.
Die Familie
Lachappelle ist seit sechs Jahren in zweiter Ehe mit der Unternehmerin Ute Lurtz verheiratet. Sie betreibt auf der deutschen Rheinseite zwei Seniorenheime. Beide haben zwei – heute erwachsene – Töchter in die Ehe gebracht, eine 13-jährige gemeinsame Tochter vervollständigt die Grossfamilie, die gern gemeinsam und mit Anhang in die Ferien fährt, am liebsten auf die Skipiste. Lachappelle war in jungen Jahren begeisterter Fasnächtler, nahm sich dann aber eine 20-jährige Auszeit, bevor er vor drei Jahren wieder einstieg. Er zählt zur Clique der Revoluzzer, der unter anderen auch Ex-UBS-Lenker Marcel Ospel und Baloise-Präsident Andreas Burckhardt angehören. Dort spielt er mit grosser Begeisterung Piccolo.
Die Gegenspieler
Mit dem gefallenen Pierin Vincenz geriet Lachappelle vor einiger Zeit heftig aneinander – zu unterschiedlich waren die Gemüter. Sein BKB-Vorgänger Hans Rudolf Matter musste die Bank im Zuge des ASE-Betrugsfalls verlassen: Die Aargauer ASE Investment hatte ein Schneeballsystem aufgebaut, bei dem die BKB als Depotbank fungierte. Lachappelle konnte offenbar glaubhaft nachweisen, in die Machenschaften nicht involviert gewesen zu sein – sonst hätte ihn die Finma kaum akzeptiert.
Seine grössten Rivalen in Basel waren die Vertreter der Grossbanken: UBS-Mann Samuel Holzach und Bernhard Fischer von der CS. Die neuen Gegner spielen national: UBS-Schweiz-Chef Axel Lehmann und CS-Vorsteher Thomas Gottstein.
Die Karriere
Seine Eltern betrieben das Restaurant «Altes Warteck» in Basel, eine beliebte Fasnachts-Beiz, die jetzt allerdings vor dem Abriss steht. Schon in jungen Jahren arbeitete Lachappelle dort mit und wollte eigentlich ins Gastrogeschäft einsteigen. Doch sein Vater riet ihm ab: Statt Hotelfachschule wählte er Jura. Das Fach war ihm allerdings schnell zu trocken – schon nach vier Semestern machte er ein Praktikum bei der damaligen SKA. Nach Studienabschluss ging es zur Neuen Aargauer Bank, wo ihn besonders das Geschäftsleitungsmitglied Hugo Räss förderte. Anschliessend wechselte Lachappelle zur Bank Cial (heute CIC), bei der ihn Andreas Buri, heute CEO Clientis, erstmals in eine Geschäftsleitung berief.
Bei der Bank Coop, der jetzigen Bank Cler, stieg er 2008 als Kreditchef für die Region Nordwestschweiz ein, rekrutiert hatte ihn die heutige Chefin Sandra Lienhart.
Enge Bande pflegte er auch mit der Basler Finanzdirektorin Eva Herzog, die die BKB stets unterstützte.
Bisher verlief – abgesehen von einem Abstecher in den Kanton Aargau – Lachappelles Karriere in Basel, sodass er auf nationaler Bühne kaum bekannt war. Das wird sich jetzt ändern. Sein Vorteil: Die Raiffeisen hat nur einen Reputationsschaden – operativ läuft das Geschäft gut.