Wer einen Jaguar XJ vor die Tür gestellt kriegt und nicht heult vor Entzückung, der gerät in Verdacht, dass ihm die Sensibilität für das Schöne im Leben fehlt. Was für ein stilvoller Wagen! Auch wenn man das Design des XJ bereits tausendmal gesehen hat, begeistert der majestätische Auftritt jedes Mal aufs Neue. Ein Jaguar XJ vor der Tür verleiht auch einem Reihenhaus im Aargau einen Hauch Notting Hill.
Wer in den Wagen einsteigt und losfährt, kommt in den Genuss von viel Tradition. Das sorgfältig verarbeitete Lederinterieur und die polierten Holzfurniere sorgen für britische Clubatmosphäre – keineswegs überladen, sondern dem guten Geschmack verpflichtet. In der Mitte das grosse Touchscreen-Display mit dem Navigationssystem, das wir von X- und S-Type her bereits kennen. Der Jaguar XJ hat alles, was man als anspruchsvoller Vielfahrer benötigt. Und darüber hinaus ist das Handling einfach und alles per Knopfdruck – und nicht per Joystick – bedienbar. Die Technologie soll schliesslich Diener des Fahrers sein, nicht sein Meister.
Einige mögen monieren, der Jaguar XJ wirke im Innenbereich etwas überreif. Ich denke da besonders an die jüngere Führungsgeneration aus Wirtschaft und Politik. Durchaus statusbewusst und kaufkräftig, wählt diese Käuferschicht dann aber doch eher einen Oberklassewagen aus München oder Ingolstadt oder einen CLS von Mercedes mit all seinen technischen Leckerbissen. In diesem Bereich müssen die Designer der Briten auf der Hut sein, den Anschluss nicht zu verpassen, denn die Kundschaft im oberen Segment ist sehr verwöhnt.
Die eingefleischten Jaguar-Fahrer dürfte dies alles kaum kümmern. Sie fühlen sich in einem Jaguar wie zu Hause, sodass manche Ehefrau eifersüchtig werden könnte. Sie tun sich dafür eher schwer mit kleinsten Retuschen im Design: Der Jaguar XJ ist knapp zehn Zentimeter höher, bricht also mit der traditionell niedrigen, sportlichen Dachlinie seiner Vorgänger. Und genau dies war wesentlicher Grund für die Entscheidung eines Bekannten von mir, des CEO einer grossen Versicherung, lieber weiterhin seinen zehnjährigen XJ zu fahren. Einige Jaguar-Fetischisten tun sich auch über Gebühr schwer mit dem Gedanken an den 2,7-Liter-Dieselmotor. Für sie passt ein Diesel so wenig zum Jaguar wie Birkenstock-Sandalen mit weissen Tennissocken zu einem Nadelstreifenanzug von Brioni. Doch sie liegen falsch, all die lieben Traditionalisten: Der Dieselmotor passt wunderbar zu diesem Fahrzeug. Er ist äusserst laufruhig und macht den Jaguar auch mit Diesel zu einer der kultiviertesten Limousinen überhaupt. Dank Schallschutzverbundglas konnte das Geräuschniveau für die Insassen gesenkt werden, und auch in puncto Aussengeräuschpegel ist der XJ Diesel das leiseste Fahrzeug seiner Klasse. Hinzu kommt der üppige Fahrkomfort.
Die wahre Innovation und der echte Luxus des XJ bleiben für die meisten jedoch unsichtbar: Dank Aluminiumkarosserie ist der XJ mit 1659 Kilogramm ein Leichtgewicht unter seinesgleichen – ein Phaeton beispielsweise wiegt 2,3 Tonnen. Diese Leichtbauweise hat zwei positive Auswirkungen: Erstens wird das Fahrzeug viel agiler und lässt sich auch mit einem 2,7-Liter-V6-Dieselmotor leicht bewegen. Man kommt wirklich gut vom Fleck. Zweitens wirkt sich die geglückte Kombination aus artgerechter, nicht überbordender Motorisierung, Leichtbausweise und Sechsstufenautomatik direkt auf den Treibstoffverbrauch aus. Mit rund acht Litern auf 100 Kilometer ist die Raubkatze äusserst genügsam.
Wenn wir schon beim Geld sind: Der Diesel-XJ ist – ganz entgegen seinem Image – ein Fahrzeug für schottische Geizhälse (siehe Tabelle). Erstens liegt er im Anschaffungspreis etwas tiefer als seine deutschen Rivalen. Zweitens hat er dank einem Servicepaket mit drei Jahren kostenloser Wartung ohne Kilometerbeschränkung auch beim Unterhalt die Nase vorn. Für komfortbetonte Vielfahrer gibt es keine Luxuslimousine, die wirtschaftlicher zu betreiben wäre als der Jaguar XJ 2.7 Diesel. Und die Qualität, die früher bei Jaguar nicht über alle Zweifel erhaben war, hat sich unter dem Ford-Regime merklich verbessert. Einzig die Türgriffe vermögen solch hohe Qualitätsanmutung nicht zu vermitteln, weil sie etwas Spiel haben.
Zum Schluss noch ein Hinweis: Unser Testwagen war mit 20-Zoll-Rädern ausgestattet. Wunderschön, aber auch sündhaft teuer. Und leider sehr unpraktisch, denn der XJ folgt dadurch jeder Fahrrille, was den Fahrkomfort gerade für Vielfahrer spürbar beeinträchtigt.
Fazit: Der Jaguar XJ bleibt eine elegante Luxuslimousine, die aussen wenig und im Innenbereich gar kein Aufsehen erregt. Unter der elegant geschnittenen Karosserie verbirgt sich jedoch modernste Technologie, die dem Zeitgeist durchaus Rechnung trägt. Der Jaguar XJ ist nicht dem technischen Firlefanz, sondern dank Leichtbauweise einem tiefen Treibstoffverbrauch verpflichtet. Vielleicht ist die alte Dame der Zeit gar voraus, wer weiss.
Beat Imwinkelried (38) ist Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Auto-Interleasing AG in Basel, VR-Delegierter der EFL Autoleasing in Winterthur sowie Gründungspartner der AIL Structured Finance in Zürich.
Jaguar XJ6 2.7 V6 Diesel
Antrieb: Hinterrad
Motor: 2,7 Liter, V6 Twinturbo
Leistung: 206 PS / 152 kW
Drehmoment (1): 435 Nm bei 1900 U/min
Energieeffizienz (2): C
Tankinhalt: 85 Liter
(1) Der Drehmomentverlauf in Abhängigkeit von der Drehzahl ist massgebend für die Motorelastizität (Durchzugskraft) sowie für das Beschleunigungs- und das Steigvermögen eines Autos.
(2) Neu ist seit 2003 die Angabe der Energieeffizienz für Personenwagen, eingeteilt in die Kategorien A bis G, wobei A für energieeffizient und G für energieineffizient steht. Die Kategorie wird ermittelt, indem der Treibstoff-Normverbrauch und das Leergewicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden.
Quelle: Auto-Interleasing AG