Mit dem Range Rover Sport schliesst Land Rover die Lücke zwischen dem grossen Range Rover und dem Discovery 3. Es ist ein Zwitterwesen aus zwei Welten: einerseits ein Allradkombi fürs Grobe, anderseits ein grosszügig geschnittener Sportwagen zum Adrenalin ausschüttenden Anfahren. Verpackt in einem gut sitzenden englischen Sportanzug – wie beispielsweise von Chester Barrie von der Savile Row in London geschaffen. Durch die Verwendung der Bodengruppe aus dem neuen Discovery kommt der Range Rover Sport in den Genuss der Geländeregelung namens Terrain Response, bei der per Drehschalter einfach die Art des Geländes eingestellt werden kann. Den Rest erledigt die Elektronik.
Ich bin mit meinem Sohn bis zum Münstiger Längtal zuhinterst ins Wallis hochgefahren. Ich gebe zu: Ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte ich schon, denn die Bergtour aufs Brudelhorn wird dadurch massiv verkürzt. Man wird eben abhängig von solchen Annehmlichkeiten. Wer einmal einen Cashmere-Pullover von Loro Piana übergestreift hat, dessen alte Woll-V-Necks wandern in die hinterste Ecke des Kleiderschranks. Wer einmal Schuhe von Edward Green getragen hat, erträgt keine Warenhauslatschen mehr. Was aber tun, wenn man von Land Rover einen Range Rover Sport mit dem 4,2-Liter-Supercharged-Motor zum Testen bekommt? Faul werden? Bei jeder Bergtour zuerst die Geländegängigkeit dieses Fahrzeuges ausreizen? Die Blicke der Leute deuten notabene darauf hin, dass diese Form von Annehmlichkeit noch keine breite soziale Akzeptanz geniesst.
Wer die Vorstellung eines sehr kompakten SUV hat, sollte beachten, dass der Range Rover Sport auch in dieser athletischen Version satte 2,6 Tonnen auf die Waage bringt. Das Vehikel aus Grossbritannien ist auch stattlich dimensioniert – nicht nur in Sachen Beinfreiheit, auch bei der Breite zeigt sich der Range Rover Sport grosszügig. Bei einem solchen Platzangebot komme ich nicht darum herum, wieder einmal eine Lanze für (Gross-)Familien zu brechen.
Dies relativiert auch die beinahe 400 PS ein wenig. Was allerdings nicht heissen soll, dass der Kompressormotor von mässigem Temperament wäre: Wenn er sich tüchtig schindet, geht die Post äusserst nachdrücklich ab. Beinahe schon etwas zu forsch ist das Anfahrmoment, sodass eine unsachgemässe Behandlung des Gaspedals zu schon fast halbstark anmutendem Gebaren führen kann. Und das will dann irgendwie nicht so recht zu einem Savile-Row-Anzug passen.
Die flotte Gangart beherrscht der heisse Brite recht überzeugend. In voller Beschleunigung ist erst bei 230 Kilometern pro Stunde das Ende der Fahnenstange erreicht.
Am Fahrverhalten selbst lässt sich nur wenig kritisieren. Die Lenkung könnte eine Spur leichtgängiger sein, arbeitet aber ziemlich direkt. Im Gelände nimmt der Range Rover es sowieso mit allen deutschen und amerikanischen Konkurrenzprodukten auf – der 50-jährige Land-Rover-Stammbaum verpflichtet (siehe auch BILANZ 4/05). Für echte Offroad-Junkies sind allenfalls die Fahrzeug-Enden ein Handicap: Vorn sitzt der Frontspoiler sehr früh auf, hinten engt das Reserverad den Spielraum im Bachbett ein. Dies wird jedoch die Zahnarztfrau kaum stören, denn dieser Range Rover macht auch vor der Prada-Boutique eine gute Figur. Praktisch ist, dass sich die Heckscheibe separat öffnen lässt, sodass die grosse Klappe geschlossen bleiben kann, wenn man die Einkaufstüten einlädt.
In einer anderen Disziplin ist der Range Rover Sport dann ein echter Gentleman: Er ist innen unschlagbar leise. Das hat Luxusklassenniveau.
Reden wir über Geld, ganz kurz nur, auch wenn das für viele Besitzer von Achtzylinder-Geländewagen nicht das Hauptthema sein mag. Die Marketingleute von Land Rover haben herausgefunden, dass der typische Käufer eines Range Rover im Durchschnitt über das doppelte Haushaltseinkommen von Mercedes-S-Klasse-Bestellern verfügt. Viele halten sich den Premium-Geländewagen als Zweit- bis Sechstwagen. Ebenso wenig sollte man sich lange am Thema Benzinverbrauch aufhalten. Der Range begnügt sich mit 15,5 Litern – solange man es nicht eilig hat. Im Angriffsmodus werden es dann aber locker über 20 Liter.
Fazit: Der neue Range Rover Sport ist eine attraktive Bereicherung des SUV-Segments. Zum Glück hat er vom Discovery das Terrain-Response-System übernommen. Das überfordert selbst Grossstadt-Cowboys beim ersten Geländeritt nicht. Sicher, die meisten Offroader führen ein behütetes Leben zwischen Chefparkplatz und Golfclub, einige dürfen sich immerhin gelegentlich mit einer Yacht oder einem Pferdeanhänger im Rücken abmühen. Doch beim Range Rover Sport weiss man: Man könnte, wenn man nur wollte.
Range Rover Sport 4.2 Supercharged
Antrieb: Vierrad
Motor: 4,2 Liter, V8 mit Kompressor
Leistung: 390 PS / 287 kW
Drehmoment (1): 550 Nm bei 3500 U/min
Energieeffizienz (2): F
Tankinhalt: 88 Liter
(1) Der Drehmomentverlauf in Abhängigkeit von der Drehzahl ist massgebend für die Motorelastizität (Durchzugskraft) sowie für das Beschleunigungs- und das Steigvermögen eines Autos.
(2) Neu ist seit 2003 die Angabe der Energieeffizienz für Personenwagen, eingeteilt in die Kategorien A bis G, wobei A für energieeffizient und G für energieineffizient steht. Die Kategorie wird ermittelt, indem der Treibstoff-Normverbrauch und das Leergewicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden.
Beat Imwinkelried (38) ist Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Auto-Interleasing AG in Basel, VR-Delegierter der EFL Autoleasing in Winterthur sowie Gründungspartner der AIL Structured Finance in Zürich.