Das S in S-Klasse steht für «Super». Doch es könnte auch für «Standard» stehen. Denn die S-Klasse von Mercedes bildet den Massstab für die Königsklasse. An der S-Klasse messen sich BMW und Audi nach wie vor. Die Frage ist: Worin besteht der Führungsanspruch von Mercedes in der Königsklasse, und ist er überhaupt noch berechtigt?

Aus meiner Sicht sind es vorwiegend zwei Aspekte, die diesen weiterhin rechtfertigen: die Sicherheitsausstattung und exzellentes Fahr- und Federungsverhalten. Punkto Sicherheit setzt Mercedes mit diversen technischen Optionen wie Nachtsichtgerät und aktivem Abstandsradar wieder eins drauf. Wer wie ich das Vergnügen hatte, das ungewöhnlich samtige Federungsverhalten eines BMW-7ers kennen zu lernen, wird es kaum für möglich halten, dass dies noch besser geht. Aber es geht. Der Mercedes S350 fegt die Konkurrenz vom Platz. Selbst holprigste Strassen degradiert seine ungewöhnlich souverän funktionierende Federung zur Bedeutungslosigkeit. Dazu erstklassige Sitze – die Sitzverstellung in der Tür ist weiterhin das Nonplusultra –, und ausserdem die beste, weil unauffälligste Klimaanlage: Alles zusammen summiert sich zu einer bislang selten erreichten Komfort-Traumlimousine. Und: Ich war begeistert, wie sich der rund zwei Tonnen schwere S350 im Kreisel oder im Parkhaus fahren lässt.

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In Sachen Bedienbarkeit hat Mercedes einen guten Kompromiss gefunden: Die S-Klasse verfügt zwar über ein per Drehknopf gesteuertes Informationssystem à la BMW, setzt aber auch auf konventionelle Elemente wie eine analoge Uhr. Zudem sind die Klimaautomatik sowie die wichtigsten Funktionen auch per Tastenklavier bedienbar. Ärgerlich: Die Drücker für die elektrischen Fensterheber liegen zu nahe beieinander, sodass es Gefühl und Übung braucht, um die richtige Scheibe herunterzulassen. Es haben schliesslich nicht alle S-Klasse-Besitzer Pianistenfinger. Für den Vielfahrer vorbildlich: Unter der praktischen Handauflage für die Bedienung des Command Controller versteckt sich die Telefontastatur.

Über das Design kann man sich streiten. Mit den dicken Backen und dem massigen Heck mit Ansätzen des Maybach sieht er ein wenig aus wie aus dem Fitnessstudio – für viele Unternehmer in der Schweiz wohl einen Tick zu protzig. Wenn einen etwas umhaut, dann eben eher die Inneneinrichtung: eine Mischung aus Luxushotellobby und Raumschiff Enterprise. Die silbrig glänzenden Schalter im Techno-Look sind von edler Machart. Und wer sich das Multikonturmobiliar gönnt, kann sich den Sitz an den Leib anpassen lassen.
Auf der Autobahn sind kaum Fahr- oder Abrollgeräusche wahrnehmbar. Das Soundsystem kann sich hören lassen. Ich geniesse die Messe in c-Moll von Mozart. Im Gegensatz zu anderen hat Mozart seine Messen ja nicht für taube Zuhörer geschrieben und kommt ohne grosse Chöre und überdotierte Orchestereinsätze aus. Ideal für den S350.

Der «kleine» S350 ist mit seinen 272 PS ausreichend motorisiert. Vor allem für helvetische Verhältnisse scheint der 3,5-Liter-Sechszylinder die optimale Wahl zu sein. Er verbraucht mit 11,7 Litern doch fast 2 Liter weniger Benzin als der S500. Und mit einem Drehmoment von 350 Newtonmetern kommt nie das Gefühl auf, man sei schwachbrüstig unterwegs.

In Sachen Wirtschaftlichkeit schlägt vorwiegend der hohe Basispreis zu Buche. Weiter fällt auf, dass der Mercedes S350 trotz Gratisservice (zehn Jahre oder 100 000 Kilometer) die höchsten Unterhalts- und Bereifungskosten ausweist. Die Ursache liegt bei den kürzeren Serviceintervallen.

Wer die Qual der Wahl hat in der Königsklasse, steht vor einer schweren Entscheidung: Der S350 ist neuer Leader in Sicherheitstechnik und im Fahrkomfort. Der Audi A8 ist vermutlich die sportlichste und agilste Variante in der Luxusetage. Und der BMW-7er besticht – nebst genialem Motorenbau – durch eine eigenwillige, führende Designsprache.

Fazit: Der wieder einmal richtungweisende Fahrkomfort und die Laufkultur machen die neue S-Klasse zum Primus in der Königsklasse. Sie schwebt förmlich über den Asphalt. Dies kostet: Unter 100 000 Franken ist auch für Sparfüchse und Rappenspalter nichts zu machen. Der Nachbar wird es den neuen S-Klassen-Besitzer durch seinen Blick spüren lassen. Aber eben: Neid ist die höchste Form der Anerkennung.

Beat Imwinkelried (39) ist Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Auto-Interleasing AG in Basel, VR-Delegierter der EFL Autoleasing in Winterthur sowie Gründungspartner der AIL Structured Finance in Zürich. b.imwinkelried@auto-interleasing.ch

Mercedes-Benz S350
Antrieb: Hinterräder
Motor: 3,5 Liter
Leistung: 272 PS / 200 kW
Drehmoment1: 350 Nm bei 2400 U/min
Energieeffizienz2: D
Tankinhalt: 90 Liter
1 Der Drehmomentverlauf in Abhängigkeit von der Drehzahl ist massgebend für die Motorelastizität (Durchzugskraft) sowie für das Beschleunigungs- und das Steigvermögen eines Autos.

2 Neu ist seit 2003 die Angabe der Energieeffizienz für Personenwagen, eingeteilt in die Kategorien A bis G, wobei A für energieeffizient und G für energieineffizient steht. Die Kategorie wird ermittelt, indem der Treibstoff-Normverbrauch und das Leergewicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden.