Wie suchst du deine Motive aus?

Es muss ein Thema sein, das möglichst breit bekannt ist. Je prominenter das Thema, desto grösser der Spielraum.

Und dann kommt der Genieblitz? 

Ich muss das Thema in meine Welt, in meine Perspektive bringen. Dann entsteht plötzlich eine Idee. 

Eine Idee? Oder mehrere? 

Wenn es wirklich gut wird, ist es nur eine Idee, das merke ich dann sofort.

Wie schnell geht es mit der Umsetzung?

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Wenn ich denke, dann ist vieles möglich, aber wenn ich das Papier vor mir habe, geht es relativ schnell aufs Thema zu. Das passiert dann einfach.

Welche Themen dominieren?

Als ich 1993 für BILANZ als Karikaturist begann, war die Bandbreite viel grösser. Da hatte man den Unternehmer, da hatte man die verschiedenen Wirtschaftskapitäne, es gab die Chemie, Brauereien, Handwerk und vieles mehr. Mit der Zeit wurden Banken und Börse immer wichtiger, das machte es etwas monotoner.

Heute zeichnest du sehr viele Politiker – Merkel, Blocher, Macron, Trump.

Ja, das ist eigentlich das, was ich am liebsten mache. Diese sehr prominenten Figuren so darzustellen, dass man sagen kann: Sie leben. 

Welche Person zeichnest du am liebsten?

Am liebsten wähle ich Figuren, an denen man sich reiben kann. Doris Leuthard, Angela Merkel und natürlich Christoph Blocher. Ich bin aber immer wieder froh, wenn jemand neu dazukommt. 

Trump?

Bei Trump ist es einfach so, dass man mit der Zeit ein bisschen «gaga» wird.

Inwiefern? 

Seine Art, sein Wesen ... Eigentlich missfällt es mir, ihn immer wieder zu zeichnen. Aber man kommt einfach nicht an ihm vorbei. Er ist zu dominant.

Und wer ist dein Favorit bei den Wirtschaftsführern?

Alle, die mir die Originale abkaufen (lacht). 

Wer genau?

Franz Humer, Peter Spuhler, Klaus Schwab.

Der grösste Käufer ist Christoph Blocher. 

Ja, ihn habe ich auch am häufigsten gezeichnet. Er hat auf einen Schlag fast alle Blocher-Karikaturen gekauft.

Zu welchem Preis?

Betriebsgeheimnis.

Weisst du, was er mit den Bildern macht?

Ein Fotograf sagte mir, er habe sie in seinem Sitzungszimmer aufgehängt. Mehr weiss ich dazu nicht.

Eine gute Karikatur muss viel offen lassen, lautet dein Credo. Was heisst das genau? 

Man muss sie auf eine Art begreifen, gleichzeitig sollte sie aber auch Assoziationen wecken. Sie sollte interpretationsfähig sein. Die Betrachter sollten darin Verschiedenes sehen können.

Wer sind deine Vorbilder?

Es gibt einige Zeichner, die mich begeistern. Tomi Ungerer etwa. Oder Manfred Deix. Der war genial. Aber er war eben Österreicher, mit dem Hang zum Extremen. Wir Schweizer sind da gemässigter, leben in einer anderen Gesellschaft.

Bist du manchmal zu weit gegangen?

Ja, das hat es schon gegeben. Einmal habe ich Rainer E. Gut als Jockey mit einem Morgenstern als Peitsche gezeichnet. Er ritt das CS-Pferd brutal blutig. Die Zeichnung wurde nicht gedruckt.

Andere schon. 

Früher habe ich ab und zu vom Ausland aus gearbeitet. Einmal habe ich Marc Rich gezeichnet, es ging um die Amnestie von Bill Clinton. Ich habe Rich mit der berühmten Zigarre von Clinton im Hinterteil dargestellt, und er hatte die Hosen unten. Ich war in Menorca fischen, da bekam ich einen Anruf vom damaligen Chefredaktor Medard Meier: «Du, wir können diese Zeichnung nicht bringen, könntest du nicht schnell eine neue machen?» Ich habe ihm geantwortet, dass ich in Menorca sei. Dann haben sie in Zürich eine Sitzung einberufen, sie hatten Angst, dass Rich eine Interview-Zusage zurückzieht. Aber sie mussten die Zeichnung drucken, weil ich keinen Ersatz bringen konnte. Hat mich ein Nachtessen gekostet.

Gibt es auch Personen, die humorlos reagieren?

Der Schlimmste war Moritz Leuenberger. Ich stellte mich vor. Da sagte er, dass er mit mir nicht rede, und wendete sich ab.

Da ist Blocher anders?

Ja, der kann über sich lachen, das ist seine grosse Stärke. Er ist eben auch hier das krasse Gegenteil von Leuenberger.

Dabei ist es doch eigentlich eine Ehre, gezeichnet zu werden. 

Wenn jemand auf einer Karikatur erscheint, beweist das auch, dass er einen gewissen Stellenwert hat. 

Deine erste Karikatur für BILANZ war 1993, die Swissair-Lenker Hannes Goetz und Otto Loepfe. 

Ja, ich habe die beiden als Bruchpiloten gezeichnet.

25 Jahre: Wie hat sich das Business verändert?

In den neunziger Jahren gab es noch richtig Spesen, da ist man mit dem Chefredaktor dreimal im Jahr gut essen gegangen und hat über seine Honorarerhöhung diskutiert. Diese Zeiten sind leider vorbei (lacht).

War der Berufsstand der Karikaturisten früher bedeutender? 

Vermutlich schon. Heute besteht die Gefahr, dass Zeichnungen in der weltweiten Bilderflut schlichtweg untergehen. Einzig der Gedanke in Verbindung mit der gezeichneten Umsetzung hat die Chance auf Einmaligkeit und deshalb grössere Beachtung. 

Wie hat sich deine Arbeit entwickelt?

Ich habe mich sicher weiterentwickelt. Wenn ich meine Bilder jetzt anschaue, denke ich, dass ich pointierter und treffender zeichne. Das muss auch so sein. Wenn man sagt: «Ich habe alles erreicht», ist es Zeit, aufzuhören. 

Peter Gut

Karikaturen: Peter Gut in seinem Atelier.

Quelle: Sophie Stieger für BILANZ

Wie hat die Digitalisierung dein Arbeiten verändert?

Ich habe mir schon irgendwann mal gedacht, dass ich jetzt eigentlich Animationen machen sollte. Aber das kann ich nicht.

Von der Technik her arbeitest du immer noch gleich wie zu Beginn?

Beim Malprozess schon, aber für die Themenwahl und zur Inspiration musste ich früher in die Bibliothek gehen. Heute gibt es Google. 

Das macht dich schneller und effizienter.

Ja, aber es ist auch ein Problem, dass alle Leute am gleichen Ort nach ihren Sachen suchen. 

Sind klassische Karikaturisten wie du hierzulande eine aussterbende Spezies?

Nein, es gibt schon noch einige.

Wen?

Felix Schaad, Patrick Chappatte, Ruedi Widmer und einige andere.

Gibt es junge Talente, bei denen du denkst: Das wird der neue Peter Gut?

Das kann ich nicht beurteilen.

Aber wie steht es um den Nachwuchs?

Die jungen Leute haben ihre eigenen Kanäle im Internet. Das läuft nicht mehr über Zeitungen. Das ist ein vollkommen anderes Arbeiten. Doch wenn ich zeichne, blende ich das aus. 

Aber Print hat doch eine andere Kraft, oder?

Für mich auf jeden Fall. Ich bin mit dem Print aufgewachsen. Ich habe auch in einer Druckerei gearbeitet.

Du warst Schriftsetzer.

Dadurch habe ich einfach einen anderen Bezug. Aber auch mein 14-jähriger Sohn liest viel. 

Auf Papier?

Ja, vorrangig Bücher. 

Kann er mit deiner Arbeit viel anfangen?

Ja, bei uns liegen tonnenweise Cartoons und Kunstbücher herum … Er versteht Karikaturen, die andere Leute nicht verstehen. Er hat eine grosse Affinität zu meiner Arbeit. 

Also kann auch die nächste Generation noch über deine Arbeit lachen. 

Es gibt Hoffnung.

Peter Gut und Dirk Schütz

Interview: Peter Gut (l.) und Dirk Schütz.

Quelle: Sophie Stieger für BILANZ

Mann aus Kloten

Peter Gut, 1959 in Zürich geboren und aufgewachsen in Kloten, spielte beim gleichnamigen Eishockeyclub in den Jugendmannschaften als Goalie und feierte einmal sogar einen Meistertitel. Es folgte eine Ausbildung zum Schriftsetzer. Von klein auf war das Zeichnen ein zuverlässiger Begleiter und schob sich immer mehr in den Vordergrund. Gut zeichnete sich mit den Jahren durch den Blätterwald und arbeitet heute vorrangig für BILANZ und  
«Neue Zürcher Zeitung». Daneben entstehen auch freiere Arbeiten. Der Zeichner lebt in Winterthur. Er verfolgt den Lauf der Dinge gerne von der Küche aus. Kochen, Essen und Trinken sind ihm wichtig und manchmal auch das Angeln, zusammen mit seinem Sohn. 
www.petergut.com