Vom Affen gebissen ist er zwar nicht, aber von Gorillas angefressen: John Stewardson bietet mit seinem Reiseveranstalter Africa Design Travel, wovon er selbst nicht genug bekommen kann: Ferien auf einem Kontinent, der seine zweite Heimat geworden ist. Und dort haben es ihm vor allem die Gorillas in Uganda angetan. Sanfte Riesen werden diese Primaten genannt, weil sie zwar mit ihrer schieren Grösse Furcht einflössen können. Dabei ernähren sie sich ausschliesslich von Blättern und tun Menschen nichts zuleide – es sei denn, man respektiere ihre Distanzblase nicht. So nennt man in der Verhaltensforschung jene Zone, die jedes Lebewesen beansprucht, damit es sich wohl fühlt. Das ist individuell verschieden, frisch Verliebte natürlich ausgenommen.

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«Wenn ich nicht zwei- bis dreimal im Jahr nach Afrika reise, habe ich regelrechte Entzugserscheinungen», gesteht Stewardson. Und am meisten vermisst er seine Gorillas. Diese Menschenaffen haben es ihm angetan. Und weil das Reisen schon seinen Ahnen im Blut lag, ist das, was ihn heute umtreibt, überhaupt nicht verwunderlich. Der gebürtige Australier erinnert daran, dass die Vorfahren auf diesem Kontinent aus Schottland kamen. Sein Vater, ein Engländer, emigrierte berufshalber nach Sydney. Er war Vermessungsgeologe, was wiederum erklärt, wieso Stewardson schliesslich in der Schweiz landete, wo dieser Beruf bei Wild in Heerbrugg sehr gefragt war. «Wir Stewardsons lieben Reisen, lieben andere Länder, Sitten und Gebräuche», beschreibt er seine Familie.

Klar, dass er nach seiner KV-Lehre bei einem Reisebüro anheuerte. Und klar, dass sein erster grosser Trip nach Afrika führte, weil ihn dieses Land magisch anzog. Mit einem 4×4-Gefährt, viel Enthusiasmus, Proviant und einem Wassertank, der 40 Liter Flüssigkeit fasste, zogen er und seine Freundin los. Nur am Rande: Dieser Nassvorrat musste für den Durst und das Bedürfnis nach körperlicher Reinigung reichen. Allein, was die beiden während ihres sechsmonatigen Streifzugs erlebten, gäbe Stoff für einen Film her. Dazu nur ein Beispiel: Eines Tages landeten sie abseits der Strasse, deren Rand nur durch hohe Sandwälle begrenzt war. Sie schlugen unbeirrt irgendwo in Botswana ihr Zelt auf und wurden morgens um 3 Uhr von Elefantengetrampel geweckt. Die Dickhäuter umringten die Eindringlinge, trotteten dann aber wieder davon. Als einzige Visitenkarte hinterliessen sie gewaltige Dunghaufen.

Vom Weltenbummler zum Afrika-Junkie

Von dieser Afrika-Manie war der Schritt zur Gründung eines eigenen Reisebüros nicht mehr weit. In Heiden AR öffnete John Stewardson sein erstes Geschäft. Das lief mehr als ein Dutzend Jahre gut, bis das Zeitalter der Online-Buchungen und Schnäppchen-Jägerei anbrach. Da besann er sich auf seine bevorzugte Destinationen, die er zwar schon vorher mit Erfolg beliebt gemacht hatte. Aber jetzt sollten sie ein Alleinstellungsmerkmal werden, dies neu in St. Gallen.

Was der Afrika-Junkie empfand, als er zum ersten Mal einem Gorilla gegenüberstand, beschreibt er so: «Ich war beinahe paralysiert, vergass sogar, zu fotografieren, mein Herz hämmerte und mein Puls wurde hochgejagt.» Das dürfte den meisten passieren, die eines seiner Luxusangebote buchen, die zum Gorilla-Track führen. Interessant daran ist die gemischte Anspruchsgruppe. Sie könnte heterogener nicht sein. Von Leuten, die lange für dieses Erlebnis gespart haben, bis zu jenen, die solche Happenings aus der Portokasse bezahlen können, sind sie alle vertreten. «Was mich immer wieder fasziniert, ist, wie rasch diese Gäste sich näherkommen und zu einer Einheit werden, die alles verbindet, was Afrika zu bieten hat.»

Stewardson beschreibt, wie so ein Gorilla-Track in Uganda abläuft. «Man startet am Morgen, wird instruiert und los geht es. Begleitet werden die Touristen von Guides. Empfehlenswert ist, sich einen Träger zu leisten. Der kostet nur wenige Dollar, ist aber sehr hilfreich, wenn es darum geht, den Weg über Stock und Stein anzutreten. Er trägt das Gepäck, hilft bei schwierigen Passagen weiter und sorgt auch dafür, dass die ganze Bagage bewacht wird, wenn wir uns dem Teil des Urwaldes nähern, wo alles zurückgelassen werden muss – ausser der Kamera.» Dann gilt es, die wichtigste eingangs erwähnte Anweisung zu befolgen: Distanzblase beachten. Aber was, wenn ein Gorilla trotzdem auf die Idee kommt, dass diese Eindringlinge eigentlich lieber in ihrem eigenen Territorium, sprich Herkunftsland, hätten bleiben sollen? Das geschieht offenbar praktisch nie. «Dort, wo wir hingehen, sind sich die Gorillas an Menschen gewöhnt und wissen genau, dass wir ihnen nichts zuleide tun», erklärt Stewardson. Kommt hinzu, dass die Besuchten zwar untereinander kämpfen, aber nur, wenn es um die Hackordnung geht. Und da spielen Touristen nicht einmal eine Nebenrolle.

Africa Design Travel bietet, wie der Name sagt, Reisen nach Afrika à la carte an. Besonders begehrt sind Luxusangebote. Der Kunde hat die Qual der Wahl. Eines ist allen Vorschlägen dieser Preiskategorie gemeinsam: Abgestiegen wird in Lodges, die fünfsternewürdig sind und jeden Komfort bieten, der in kontinentalen Nobelhotels normal ist. Garantiert wird auch für Begegnungen mit wilden Tieren. Von Unfällen ist bis heute nichts bekannt. Aber ein bisschen Mut braucht es manchmal schon. Stewardson erzählt von einem Reisenden, der bei einem Spaziergang im Garten der Lodge von einer Gorilla-Sippe überrascht wurde. Dank guter Instruktion tat er das Richtige. Er blieb still sitzen und harrte der Dinge, die da kamen. Siehe da, es geschah beinahe ein Wunder. Die sanften Riesen näherten sich ihm, begutachteten den Fremden in ihrem Lebensraum und versuchten, ihn zu berühren. «Spüren Sie jetzt, wieso ich so fasziniert von den Gorillas bin?», sagt Stewardson.

John Stewardson von Africa Design Travel.