Schimpft die junge Dame beim Hotelportier: «Sie glauben wohl, nur weil ich vom Land komme, können Sie mich in ein so kleines Zimmer stecken!» – «Beruhigen Sie sich doch, gute Frau», erwidert der Portier, «das ist doch erst der Lift!» Bei dieser jungen Dame handelt es sich, wir verbürgen uns dafür, nicht um Béatrice Lüthi. Denn Frau Lüthi kann einen Lift garantiert von einem Hotelzimmer unterscheiden. Lifte sind schliesslich ihr Geschäft. Aber: Dieser Witz ist in einem «Liftorama» nachzulesen, dem Newsletter der Lüthi-Aufzüge AG. Und das gleich auf der Frontseite neben dem Editorial von Béatrice Lüthi. Als Geschäftsführerin hat Béatrice Lüthi gewiss ein «Gut zum Druck» in Händen gehabt, und sie hat keinen Gedanken darauf verschwendet, feministische Einwände geltend zu machen: Die Welt ist hier im bernischen Oberaargau halt so, dass rustikale Scherze noch erlaubt sind. Sie lebt in dieser Welt – erfolgreich überdies – und hat sich gleichwohl mit ihrer Ausbildung und ihrem klaren Kopf eine Perspektive erarbeitet, die sie davor bewahrt, dass ihr im Herrgottswinkel von Lindenholz bei Leimiswil der Himmel auf den Kopf fällt.

1956 gründet ihr Vater, ein begnadeter Tüftler und Konstrukteur, seine eigene Firma. Die Lüthi-Vorfahren waren Schmiede und versorgten die Region mit Pflügen. Friedrich Lüthi baut Lifte. Zunächst für Waren, bald auch Personenlifte. Er arbeitet hart und verliert dabei doch seine Begeisterung nicht. Sie überträgt sich auf seine Ehefrau, die kaufmännisch zum Rechten sieht – und auf eine seiner zwei Töchter.

Béatrice arbeitet in den Ferien in der elterlichen Firma, isoliert Drähte ab, montiert elektrische Komponenten. Und geht doch eigene Wege: Sie absolviert die französischsprachige Handelsschule in Neuenburg, holt sich in Oxford das Proficiency in englischer Sprache, wird Exportsachbearbeiterin für Amerika und Japan in einer Maschinenfabrik bei Thun. Auf Grund ihrer Qualifikationen und ihrer Zielstrebigkeit meistert sie dort Aufgaben, die beträchtlich über das Pflichtprogramm einer Sachbearbeiterin hinausgehen – und muss feststellen, dass diese Performance kaum honoriert wird: «Frauen haben es schwerer, allein durch Leistung Karriere zu machen. Eher als Männer müssen sie ihre Qualifikation mit Diplomen nachweisen können.»

Béatrice Lüthi erwarb sich das zusätzliche Diplom an der HWV in Neuenburg, arbeitete darauf bei Andersen Consulting als Analytikerin – «Das wurde mir schnell zu IT-lastig» – und wechselte dann zu Schindler. Beim Liftmulti betreute sie von 1992 bis 1995 den Aufbau von Vertretungen in Bulgarien und Slowenien. Dabei erlebte sie die realen Rahmenbedingungen des Vorstosses in neue Märkte: hohe Kosten, Verständigungsprobleme, politische Unsicherheit. Und sie spürte, dass sie in Grossbetrieben nicht glücklich würde.

Da kam der Wunsch des Vaters gerade recht, sich frühzeitig pensionieren zu lassen. Béatrice Lüthi fühlte sich reif, seine Nachfolge anzutreten. 1995 übernahm sie die Geschäftsleitung des Unternehmens, kaufte es der Familie 1997 ab und steuert es seither zielsicher durch unruhige Zeiten. «Wir haben das Unternehmen ganz auf eine Rolle als Nischenanbieter fokussiert und bringen uns dort ins Spiel, wo die Grossen mit ihren standardisierten Produkten überfordert sind.»


Erfolgsfaktoren
Schuster, bleib bei deinem Leisten.
Für die Definition des Einzugsgebietes vertraut Béatrice Lüthi auf eine einfache Regel: Der Standort muss für Servicearbeiten innert maximal einer Stunde Fahrzeit erreichbar sein. An Submissionen nimmt sie zwar teil, lässt sich aber nicht auf ruinöse Preiskämpfe ein: «Wir haben in den Neunzigerjahren, der Marktentwicklung folgend, alle Rationalisierungsmöglichkeiten genutzt und die Preise gesenkt, ohne dabei Abstriche an unseren Qualitätsvorstellungen zu machen. Dumping würde unserer Positionierung widersprechen.» So ist auch Wachstum für Lüthi kein Wert per se. «Da fühle ich mich manchmal schon beinahe als Revolutionärin», sagt sie. Wichtiger ist ihr die Sicherung des Unternehmens, seines Standorts und seiner derzeit 50 Arbeitsplätze. Hier, in Lindenholz BE.

Hohe interne Wertschöpfung. Béatrice Lüthi hält allen Trends zum Trotz an einer möglichst hohen Quote an Eigenproduktion fest. «Weil uns das unabhängiger macht und unsere Servicebereitschaft erhöht.»
Partner-Inhalte