Unsere Maschine landet pünktlich in Athen. Das Gepäck ist schnell gefunden. Die Taxischlange auch, denn sie ist kaum zu übersehen. 500 Meter lang stehen Touristen in Dreierreihen. Es ist Generalstreik und die Busse und Bahnen fahren heute nicht – Taxis aber schon. Vorn an der Taxischlange knäuelt es sich, da wird gepfiffen, gehupt, gerempelt und gezetert. Weiter hinten versuchen einige Drängler ihr Glück, werden aber von der Schlange abgewiesen. Mehr Erfolg hat der Italiener, der auf einen Wildfremden ganz vorne zugeht, ihn umarmt und küsst, Freundschaft simulierend. Sein Berlusconi-Style hat Erfolg, der verdutzte Fremde lässt ihn vor, eine Minute später hat der Italiener ein Taxi.
Ein paar Tage später wird die Lage anders sein: Da streiken die Taxifahrer, blockieren den Athener Flughafen und die Häfen von Piräus und Patras, in Katakolon behindern sie den Landgang von 3000 Kreuzfahrttouristen, die die antiken Stätten von Olympia besuchen wollen. Immerhin: Diese Blockaden lösen in Griechenland eine Welle der Empörung aus. Hoteliers, Reisebüros und Händler verurteilen die Taxifahrer aufs Schärfste, Kulturminister Pavlos Geroulanos wettert, dieser Streik sei das «Schlimmste, was dem griechischen Tourismus zustossen kann».
Doch während unseres Urlaubs streiken die Taxifahrer nicht. Nach gerade mal einer halben Stunde Wartezeit haben wir ein Taxi. Der Fahrer versteht den Strassennamen, kennt das Hotel, weiss den Weg. Eine kleine Taxameter-Schummelei am Ende der Fahrt, bei der wir acht Euro zu viel zahlen – «Geschenkt, mein Freund!». Irgendjemand muss ja den 300er-Daimler bezahlen.
Ein Kiosk in Pylos auf dem Peloponnes, wir kommen mit dem Chef schnell ins Gespräch. «Griechenland ist im Eimer, wir als Volk haben versagt. Jeder weiss, dass wir Verlierer sind», umschreibt er die Stimmung seiner Landsleute. Und erzählt die Geschichte von dem Krankenhaus in Athen, das 26 staatliche Gärtner haben soll, obwohl es dort gar keinen Garten gibt.
Griechen sind nicht gerade für ausufernde Heiterkeit bekannt, aber jetzt sind sie besonders übel drauf. Schweigend und mit gesenktem Blick sitzen die Männer neuerdings in den Kafenions, den typisch griechischen, frauenfreien Dorfkneipen. Früher sass man dort in Gruppen zusammen, schwatzte und trank, heute hocken die meisten vereinzelt an den Tischen und starren vor sich hin.
Im Vergleich zu den vergangenen Jahren sind die Tavernen deutlich leerer, an den Stränden stehen ganze Sonnenschirmreihen verwaist herum. Auch auf der Akropolis und der Agora in Athen und im antiken Olympia ist zwar alles geöffnet, aber eher ruhig. Alleinsein zwischen Ruinen – das geht jetzt. Wer ausbleibt, sind weniger die Pauschaltouristen als diejenigen, die sich den Urlaub selbst organisieren – und dafür normalerweise viel Geld ausgeben. Sie haben neu disponiert, sind auf Italien, Frankreich, Portugal und Spanien umgeschwenkt. Für ein Land, das in der Hauptsaison normalerweise ausgebucht ist, eine fatale Entwicklung.
In der Athener Altstadt stehen mangels Touristen viele Kellner herum und schwatzen mit Kollegen. «Griechenland ist jetzt Krisengebiet», seufzt einer, «viele Urlauber befürchten, dass sie hier verprügelt werden oder ihr Flug nach Hause nicht mehr geht.» Im Hotel berichtet ein kanadisches Ehepaar aus Montreal, dass es angepöbelt wurde: «Die haben uns für Franzosen gehalten. » Einen Italiener haben sie bespuckt, einfach so, auf der Strasse. Identifizieren Kellner einen Gast als Deutschen, wird der gern mal besonders langsam oder gar nicht bedient. Und Touristen wird vor allem in Athen in diesen Tagen öfter mal der Stinkefinger gezeigt. Das ist neu. Es stimmt offensichtlich etwas nicht im Verhältnis der Griechen zu ihren Gästen.
Ein Kontrastprogramm gibt es in diesen Tagen erfreulicherweise aber auch. Im Stadtteil Kerameikos trifft sich das junge, schicke, weltgewandte Athen. Wir lassen hier den Tag ausklingen und sprechen Deutsch. Am Ende des Abends hat uns irgendjemand in der Bar die Drinks bezahlt und ist gegangen – einfach so.