Manchmal kommt auch beim Auto die Liebe erst auf den zweiten Blick. Die Schokoladenseite des Infiniti Q60 ist ganz klar die Seitenansicht: geduckt und gestreckt mit einer extrem flachen Dachlinie, nicht allzu grossen Karosserie-Überhängen, aber eindrucksvollen Radhäusern – so geht Coupé-Design heute.
Vorne öffnet sich ein mächtiger Schlund, der mir so lange unerklärlich bekannt vorkam (wie übrigens auch die organisch geformten Rückleuchten), bis mich ein röhrender Angebermotor aus den Gedanken riss, sodass ich nicht anders konnte, als hinzuschauen – und da böllerte ein Designvorbild des Q60 vorbei: ein Maserati.
Der Q60-Frontgrill ist eher Quattroporte, das Heck mehr Ghibli. Allerdings hat es Maserati geschafft, mit deutlich weniger Sicken, Kanten und Linien auszukommen. Der Q60 übertreibt es mit Designelementen; weniger wäre hier mehr. Und dennoch gefällt die grundlegende Architektur – ein schnittiger Gran Turismo, der schon optisch nahelegt, dass man ihn gefälligst zügig zu fahren hat.
Praktisch alles an Bord
Beim Suchen nach weiteren Kritikpunkten habe ich schliesslich kapituliert. Der Q60 in der Topausstattung Sport Tech hat praktisch schon alles an Bord – die Aufpreislisten für Zusatzausstattung, bei anderen Marken oft länger als die Romane von Ken Follett, sind bei Infiniti vernachlässigbar. Eine Bose-Soundanlage mit 34 Lautsprechern? An Bord. Sportledersitze? Check! Navi mit Spracherkennung? Yes! Und ICC, LDW, BSW, FCW, DCA, BCI? Alle Helferlein, die Sie zu einem vertrauenswürdigen Verkehrsteilnehmer machen, kommen serienmässig, inklusive automatischer Notbremsung – Japaner sind nun mal fürsorglich.
Dann (GT!) ein bärenstarker Motor, der manchmal etwas zögerlich auf Gaspedaltritte reagiert, aber immer mehr als genug Vortrieb zur Verfügung stellt. Warum die Nissan-Edeltocher Infiniti dieses feine Fahrzeug kaum bewirbt, als ob man es verstecken müsste: Sie können es selbst nicht recht begründen. Auf der Strasse gehört man mit dem Q60 jedenfalls zu den Helden der Primarschüler; es braucht schon einen sündteuren Deutschen, Briten oder Italiener, damit einem so viele Jungs hinterherseufzen – Seltenheit gleich Exklusivität gleich Anziehungskraft.
Dass die Teutonen etwas satter auf der Strasse liegen und etwas feiner eingerichtet sind – was solls. Denn das Beste habe ich Ihnen noch gar nicht erzählt: Für einen ähnlich motorisierten und ausgestatteten GT deutscher Abstammung (à la Audi A7 oder Mercedes E Coupé) dürften 40 000 bis 50 000 Franken mehr fällig sein. Wenn die Japaner bei ihren Staatsausgaben doch auch so sparsam wären...
Infiniti Q60S 3.0t
Antrieb: 3,0-Liter-V6 Benziner
Verbrauch: 9,1 Liter Super Plus
Leistung: 405 PS (298 kW)
0–100 km/h: 5,0 s
Vmax: 250 km/h (abgeregelt)
Preis: ab 80 400 Franken (Sport Tech)