Als Frieder Burda 1986 ein Beteiligungspaket des Druckerei- und Verlagsimperiums Burda erbte, beschloss er, sich ganz der Kunst zu widmen. Für seine hochkarätige Sammlung wurde das 2004 eröffnete Museum Frieder Burda in Baden-Baden ein inzwischen international renommiertes Domizil. Seitdem besuchen jährlich rund 200000 Kunstinteressierte den vom New Yorker Architekten Richard Meier gestalteten Bau, in dem Jahr für Jahr inspirierende thematische Ausstellungen zu sehen sind.
Mit Ihrer Sammlung und dem Museum sind Sie weltweit für viele private Sammler ein Vorbild. Wie nehmen Sie dies wahr?
Frieder Burda:
Ich habe das Museum in erster Linie für meine Sammlung gebaut. Es war mir wichtig, dass diese eine Heimat erhielt und dass auch die Menschen daran teilhaben können. Sammlung und Museum sind mein Lebenswerk, und es erfüllt mich mit Stolz, dass ich etwas hinterlassen kann, was von Bedeutung ist.
Wie Ernst Beyeler Renzo Piano wählte, haben auch Sie einen international renommierten Architekten mit Ihrem Museumsbau beauftragt. Weshalb Richard Meier?
Natürlich habe ich miterlebt, wie es in Basel gegangen ist. Ich habe mich mit Renzo Piano und vielen anderen renommierten Architekten, unter anderem auch mit Herzog & de Meuron, unterhalten. Zudem habe ich viele Häuser angesehen. Renzo Piano kam für mich nicht in Frage, denn ich wusste von Ernst Beyeler, dass er dies nicht goutiert hätte. Schliesslich wurde es dann Richard Meier, der mich sofort verstanden hat.
Finanzieren Sie Ihr Museum vollständig aus Ihrer privaten Schatulle oder erhalten Sie auch Subventionen?
Nein, keinen Cent Subventionen. Ich habe 1998 die gemeinnützige Stiftung Frieder Burda gegründet, die über genügend Kapital verfügt, um vollumfänglich für die laufenden Kosten aufzukommen. Die Besucherzahlen stimmen mich auch zuversichtlich. In den Jahren seit 2004 sind es immerhin fast 1,4 Millionen – und das in einer kleinen Stadt von 50 000 Einwohnern.
Ihre Sammlung umfasst schwerpunktmässig den Abstrakten Amerikanischen Expressionismus, Picassos Spätwerk, neue Deutsche Malerei und seit den 90er-Jahren auch zeitgenössische Künstler. Sammeln Sie nach einer bestimmten Strategie?
Eigentlich nicht wirklich strategisch. Es waren zunächst meine Zeitgenossen wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Georg Baselitz oder Arnulf Rainer, mit denen ich mich intensiv beschäftigte. Seit den 90er-Jahren sammle ich auch Werke von jungen deutschen Malern wie Heribert Ottersbach, Neo Rauch oder Susanne Kühn. Gerade wenn man klassische Moderne sammelt und selbst älter wird, sollte man sich auch mit junger Kunst beschäftigen. Es ist aber sehr schwierig, das Richtige zu finden. Die Leipziger Schule ist mit Ausnahme von Neo Rauch nicht mein Fall. Auch halte ich nichts von Shooting stars. Oft sind sie nach einer relativ kurzen, guten Schaffensphase ausgebrannt. Es nützt nichts, nur zu Anfang ein paar gute Bilder zu malen.
Was braucht es dann?
Um in die Kunstgeschichte einzugehen, braucht es Begabung, Phantasie und dann erst Technik. Picasso hat jedes Jahr neue Werke geschaffen, sich künstlerisch neu ausgedrückt; er blieb nicht stehen. Für Gerhard Richter gilt dies übrigens auch. Richter malt abstrakt, malt realistisch, hat neue Ideen. Wenn ich kaufe, schaue ich ganz besonders auf die Entwicklung eines Künstlers und überlege mir immer, was daraus noch werden kann. Ich kaufe nicht aus spekulativen Gründen. Kunst ist kein spekulatives Objekt.
Dann sind Kunstfonds wohl nichts für Sie?
Burda: Kunst eignet sich weder zum Spekulieren noch für den sicheren wirtschaftlichen Erfolg. Die Kunstfonds sind in der Vergangenheit alle eingegangen. Es gibt für Kunst keinen Parameter wie für Aktien. Ich rate den Leuten in meinen Vorträgen immer von der Kunstspekulation ab, denn wenn man verkaufen muss, ist entweder der Markt schlecht oder der Künstler hat gerade mal ein Tief. Kunstfonds sind so spekulativ, wie es nur sein kann. Es ist eine Illusion zu meinen, innert kürzester Zeit könne man ein Mehrfaches verdienen.
Was ist Ihre innere Motivation für das Sammeln?
Burda: Als Sammler wird man nicht geboren. Zum Sammeln gehört Begeisterung. Seit ich das Museum habe, ist mir wichtig, dass Ausstellungen beim Publikum Anklang finden. Es ist nicht einfach, ein Privatmuseum permanent auf einem hohen Niveau zu halten. Ohne gute Ausstellungen wird ein Museum «statisch».
Haben Sie Vorbilder?
Mein grosses Vorbild war Ernst Beyeler, mit dem ich befreundet war, und heute Sam Keller. Auch bei der Fondation Beyeler geht es oft – ganz simpel – um den Publikumsgeschmack. Das hört sich nicht ganz angenehm an, aber letzten Endes geht es doch darum, was die Leute sehen wollen. Natürlich zeigen wir auch nicht-populistische Positionen. Diesen Sommer wird es der Leipziger Künstler Neo Rauch sein und im Herbst Anselm Kiefer.
Sie sammeln hauptsächlich Malerei. Wie steht es mit der Fotografie?
Die letzte Ausstellung, «Unheimliche Wirklichkeiten», präsentierte zum ersten Mal Fotokunst von Gregory Crewdson und Installationen von Duane Henson. Ich war zuerst eher skeptisch, aber es wurde ein voller Erfolg. Die Ausstellung hat uns über 60000 Besucher gebracht. Ich bin aber erst in den vergangenen Jahren zur Fotografie gekommen. Ich habe vor einiger Zeit auch mal gesagt: «Ich will keine Kunst mit einem Stecker», aber ich habe mich kürzlich selbst Lügen gestraft mit dem Ankauf eines Werkes von Bill Viola.
Ihre Sammlung wird ständig erweitert und derzeit mit rund 1000 Positionen angegeben. Wie bringen Sie es fertig, jährlich rund 100 Neuerwerbungen zu tätigen?
So viele Neuerwerbungen sind es nicht im Jahr. Anlässlich meines 75. Geburtstages habe ich gesagt, dass ich sicher nicht mehr so viel zukaufen werde. Aber meine Sammlung vergrössert sich. Das ist bei mir eine Leidenschaft, und die lässt sich bekanntlich nicht steuern.
Wo kaufen Sie?
Ich gehe auf alle grossen Kunstmessen, kaufe in Galerien und da und dort auch beim Künstler direkt. Auch wenn ich in Galerien kaufe, besuche ich die Künstler in ihren Ateliers. Ich versuche heute – mehr als in den vergangenen Jahren – meine Sammlung qualitativ zu stärken. Ich finde es wichtig, abzurunden, aber auch zu wachsen. Ich bin nun zur Videokunst gekommen, und wer weiss, mit Beuys kam ich zwar nie so zurecht, aber vielleicht komme ich noch so weit, dass ich einen Beuys kaufe …
Welchen Stellenwert haben Kunstmessen wie die Art Basel für Sie?
Die Art Basel ist ein Muss, man kann sie nicht umgehen. Ich betrachte sie als die wichtigste Kunstmesse für zeitgenössische Kunst auf der Welt.
Was raten Sie Kunstinteressierten, die eine eigene Sammlung aufbauen möchten?
Der richtige Aufbau einer Sammlung ist das Essentiellste, aber auch das Persönlichste überhaupt. Ratschläge kann ich da nicht geben. Jeder sollte versuchen, die Qualität der Kunst selbst zu beurteilen. Wenn man nur auf den Rat anderer hören muss, sollte man keine Sammlung aufbauen. Ich bin ein Quereinsteiger und kein Kunsthistoriker, aber ich habe Hunderte von Museen besucht, mein Auge geschult und glaube, heute erkennen zu können, was die Qualität eines Bildes, eines Malers ausmacht. Jeder muss sich selbst dieses Wissen aneignen; das Wichtigste sind aber Leidenschaft und Begeisterung!
Der Mensch
Name: Frieder Burda
Funktion: Kunstsammler und Mäzen
Alter: 75
Wohnort: Baden-Baden, BRD
Familie: Verheiratet
Ausbildung: Drucker- und Verlagslehre; kaufmännische Ausbildung im Familienkonzern
Karriere: Bis 1986 diverse leitende Funktionen im In- und Ausland