Apples iPad Pro definiert neu, was ein iPad alles kann. Und was ein Computer können sollte. Mit diesen markigen Sätzen präsentiert Apple sein neues Gerät. Der Konzern ist von seiner neusten Schöpfung so überzeugt, dass er es als einen möglichen Ersatz für einen Computer anpreist. Eben weil das iPad besser sein soll. Es sei sogar schneller als 92 Prozent aller Notebooks, die in den vergangenen zwölf Monaten verkauft wurden. Die Grafik? Auf Augenhöhe mit Microsofts Videospielkonsole Xbox One S. Sagt Apple.
Aber kann das iPad Pro wirklich einen Computer ersetzen? Im Test zeigt sich, dass das zumindest in Teilen gelingt. In jedem Fall fühlt sich das iPad besser an als ein Computer. Apple hat das Design im Vergleich zu den bisherigen Geräten deutlich verändert. Das kantige Gehäuse des neuen iPad Pro erinnert an das iPhone 5.
Auffällig dünn
Allerdings ist es mit 5,9 Millimeter auffällig dünn geraten. Die Kamera steht zwar etwas aus dem Gehäuse heraus, aber selbst wenn es ohne Hülle auf dem Tisch liegt, kippelt es nicht beim Tippen. Wer das Gerät zum ersten Mal in die Hand nimmt, ist erstaunt, dass es so leicht ist. Es wiegt 630 Gramm, sieht aber deutlich schwerer aus.
Beim wichtigsten Teil des Gerätes erlaubt sich Apple keine Schwäche. Das Display dürfte zu den besten gehören, die es zu kaufen gibt. Apple nennt es ein Liquid-Retina-Display. Wir ersparen uns hier die technischen Angaben, aber es stellt extrem scharf und farbecht dar, weil es sich auf das Umgebungslicht anpasst. Dazu ist es extrem hell und reflexionsarm. Es ist in der Lage, eine Bildwiederholungsrate von bis zu 120 Hertz zu unterstützen. Der Touchscreen ist reaktionsschnell.
Face ID statt Home-Button
All dies konnten wir aber auch beim Vorgängermodell im Test feststellen. Doch beim neuen Gerät ist der Rand deutlich geschrumpft, der das Display umgibt. Er ist zwar nicht so schmal wie bei den iPhone-X-Modellen. Aber das ist bei einem Tablet auch eher zu verzeihen als bei einem Smartphone.
Trotzdem ist er so schmal, dass kein Home-Button mehr auf die Vorderseite passte. Apple hat ihn mit der Gesichtserkennung Face ID ersetzt. Das funktioniert sogar noch besser als beim iPhone, weil das iPad Pro dafür nicht hochkant ausgerichtet sein muss. Das Gerät entsperrt sich auch, wenn es quer oder auf dem Kopf gehalten wird. Nur darf der Nutzer nicht die Kamera mit der Hand verdecken.
Minderwertige iPad-Fotos sind Vergangenheit
Von Nutzern bisheriger iPads verlangt das neue Gerät aber ein wenig Lernbereitschaft bei der Bedienung. Doch die dafür notwendigen Wischgesten sind schnell gelernt. Apple erklärt sie mit einigen Videos. iPhone-X-Nutzer müssen gar nicht umlernen. Wer das alte iPad Pro schon als blitzschnell empfunden hat, darf nun erwarten, dass es blitzschneller ist. Apple hat seinen neusten Chip A12X Bionic eingebaut. Im Test ruckelte oder stotterte es in keiner Situation. Wir haben kein Spiel gefunden, das es an die Leistungsgrenze bringen konnte. Selbst das Bearbeiten von Videos in hoher 4K-Auflösung konnte das iPad kaum beeindrucken.
Die Chips erbringen ihre Arbeit aber auch an Stellen, die für den Nutzer nicht offensichtlich sind. So hat das iPad Pro eine Zwölf-Megapixel-Rückkamera, die dank der Rechenleistung des Geräts bessere Ergebnisse hervorbringt als der Vorgänger. Trotzdem gehört schon etwas Mut dazu, mit einem 12,9 Zoll grossem iPad Pro in der Öffentlichkeit zu fotografieren oder zu filmen, ohne dass es einem peinlich ist. Die eher minderwertigen Fotos bisheriger iPads sind aber Vergangenheit.
iPad kann sogar andere Geräte laden
Die Anmutung eines Arbeitsgerätes verliert das iPad Pro, sobald ein Video abgespielt wird. Das gilt nicht nur für das Display. Es ist schon erstaunlich, welche Kraft die vier Lautsprecher hervorbringen können, die in einem solch dünnen Gehäuse untergebracht sind. Übrigens: Weil das iPad Pro nun fünf Mikrofone verbaut hat, nimmt es mit einem Video auch Stereoton auf, egal, wie es gehalten wird.
Das neue iPad Pro zeigt auch, was Apple mit dem Lightning-Anschluss vorhat: begraben. Apple setzt nun auf einen USB-C-Anschluss, der schlichtweg leistungsfähiger ist. So kann das iPad mit seinem grossen Akku sogar andere Geräte laden, die angeschlossen werden. Ein iPhone zum Beispiel. Oder eine Kamera, um Fotos und Videos zu übertragen. Oder ein externes Display, das allerdings bei den mit Abstand meisten Apps lediglich das Bild vom iPad spiegelt.
Tastatur kann mit Laptops mithalten
Apple bietet für das neue iPad Pro auch einen neuen Apple Pencil an, der dieses Mal per Magnet einfach an das iPad gesteckt werden kann und auf diese Weise gekoppelt und drahtlos geladen wird. Das ist eine gute Idee, denn beim Vorgängermodell konnte der Stift nirgendwo zur Aufbewahrung angesteckt werden. Er war damit meist nicht zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Allerdings kommt das auch nicht allzu häufig vor, es sei denn, man zeichnet gern oder möchte sich auf einer Glasscheibe handschriftliche Notizen machen. Leider lässt sich der alte Stift nicht am neuen iPad und der neue Stift nicht am alten iPad nutzen.
Um ein Notebook zu sein, braucht das iPad Pro natürlich eine Tastatur, die Apple ebenfalls anbietet. Sie ist zugleich eine Schutzhülle für das Gerät. Wir haben das Smart Keyboard Folio gleich mitgetestet. Im Unterschied zur Vorgängertastatur, die übrigens nicht mit dem neuen iPad genutzt werden kann, gibt es nun zwei Neigungswinkel, was sehr praktisch ist. Die Ausbalancierung ist geglückt, das iPad steht mit der Tastatur sogar stabil auf dem Schoss. Sie muss weder gekoppelt noch geladen werden. Einmal angesteckt, ist sie gebrauchsfertig. Wir konnten auf der Tastatur genauso schnell und gut schreiben wie auf einer normalen Computertastatur.
Das beste und teuerste Tablet auf dem Markt
Fazit: Das iPad Pro ist das beste Tablet, das wir bisher in die Hand bekommen haben. Allerdings ist es mit einem Terabyte Speicher und Mobilfunkempfang auch das teuerste Tablet. Es kostet 2099 Euro. Ohne Stift und Tastatur. Mit dem kleinsten Speicher von 64 Gigabyte und ohne Mobilfunk sind es dann «nur noch» 1099 Euro. Die kleinere Version mit einem elf Zoll grossen Display gibt es ab 879 Euro.
Egal in welcher Ausführung, das iPad Pro eignet sich nicht als vollwertiger Notebook-Ersatz. Dazu ist es schlichtweg zu ichbezogen. Das gilt zum einen für die neue USB-C-Schnittstelle. Wird über einen Adapter ein USB-Speicherstick mit PDFs oder Word-Dokumenten angeschlossen, ignoriert ihn das iPad. Apple war mit seinen iPhones und iPads noch nie ein Freund offener Systeme. Das gilt leider auch für das aktuelle Gerät.
Das grösste Hindernis ist aber nicht die Hardware. iOS 12, das mobile Betriebssystem, kann es schlichtweg nicht mit einem Computer aufnehmen. Das parallele Arbeiten mit Anwendungen, die nebeneinander dargestellt werden, funktioniert nur mit den wenigsten Apps. Wer gern auf einem Computer mit verschiedenen Fenstern und offenen Programmen arbeitet, verzweifelt am iPad. Multitasking gibt es hier nur in Minimalform.
Schon beim Arbeiten mit Texten ist der Nutzer eingeschränkt. Sätze zu markieren ist mit dem Zeigefinger schon fast eine feinmotorische Herausforderung. Man möchte unweigerlich zur Maus greifen, die es aber nicht gibt. Somit bleibt das iPad das, was es ist. Ein iPad. Aber ein sehr gutes, schönes und sehr teures.
*Dieser Artikel ist unter dem Titel «Das neueste iPad Pro beschwört das Ende des Notebooks» zuerst in der «Welt» erschienen.