Knackig steht er da, kein Gramm zu viel auf den Hüften: Der jüngste Jaguar ist unverkennbar ein F-Type, aber einer mit festem Dach. So wurde die allererste Studie zu diesem Auto im Herbst 2011 präsentiert, und so kommt es im Mai nun auch auf die Strasse. Geschickt hat man den Wagen zwischen Porsche Cayman und 911 platziert. Dass der geschlossene F ein Erfolg wird, steht ausser Frage: Er sieht nicht nur besser aus als ein Aston Martin V8 Vantage, sondern ist auch moderner, effizienter, günstiger – und schneller. Ein Coupé ist per se sportiver als ein Cabriolet: Es geht weniger um Lust als um Leistung. Folglich ist das besonders steife F-Coupé in der Topversion auch satte 55 PS stärker als sein Softtop-Äquivalent.

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Tatsächlich gibt es nur wenige Zweisitzer unter 150'000 Franken, die derart vehement zur Sache gehen wie dieses bis zu 550 PS leistende «Fixed Head Coupé», geschweige denn so gut aussehen. Geschlossene Zweitürer haben bei Jaguar eine lange Tradition. Die Markengeschichte beginnt mit ihnen in den frühen 1930er Jahren. Damals vollzog Firmengründer William Lyons den Sprung vom Motorrad-Seitenwagen-Produzenten «SS» (Swallow Sidecars) zum Automobilhersteller. Er setzte eigene Karosserien auf Grossserienchassis der Marke Standard und realisierte so erste Kleinserien.

1931 ging Lyons einen Schritt weiter und wagte sich an einen komplett eigenen Entwurf. Dieser sollte mit rassiger Optik und günstigem Preis punkten. Die Gestaltung war Chefsache. Um die ganze Konstruktion möglichst niedrig zu halten, liess Lyons sogar ein «Underslung»-Chassis entwerfen, das unterhalb der Hinterachse verlief. Doch just als es um die finale Formgebung ging, musste Lyons mit Blinddarmentzündung ins Krankenhaus. Und so oblag es seinem Kompagnon William Walmsley, die Karosserie zu autorisieren.

Schadenbegrenzung

Als der frisch genesene Lyons das produktionsreife Ergebnis sah, soll er, sonst stets ganz britischer Gentleman, übel geflucht haben. Für Änderungen war es indessen zu spät. Lyons betrieb deshalb Schadenbegrenzung: Schon Ende 1932 wurde das Coupé von einer zweiten, wesentlich harmonischer geformten Serie II abgelöst. Auch Walmsley war bald Geschichte, und Lyons machte alleine weiter. Eleganz war ihm wichtig, eine Eigenschaft, die das Jaguar-Image bis heute prägt. Coupés zählten immer dazu, obwohl die geschlossene Variante des ruhmreichen Roadsters SS100 von 1938 ein Einzelstück blieb.

Das Markenmotto «Grace, Pace and Space» begeisterte ab Mitte der dreissiger Jahre trotzdem immer mehr Käufer, und das Unternehmen expandierte. Bereits 1928 war es von Blackpool nach Coventry umgezogen. Dann kamen Krieg und Zerstörung. Erst 1945 konnte die Fahrzeugfertigung wiederaufgenommen werden – unter dem neuen Markennamen Jaguar, der ab 1935 schon eine Modellbezeichnung gewesen war. Grund: Zum Kürzel «SS» gab es inzwischen unliebsame Assoziationen aus Deutschland.

Davon abgesehen machte Lyons dort weiter, wo man 1939 aufgehört hatte – mit Modellen, die schneller, schöner und dabei günstiger waren als vergleichbare Angebote. Der technische Anspruch des Autoproduzenten war dabei stets hoch; profane Sportwagen hat Jaguar nie gebaut. Der 1948 präsentierte XK 120 – die Ziffer bezog sich auf die mögliche Höchstgeschwindigkeit in Meilen – war mit über 190 Stundenkilometern das damals schnellste Serienfahrzeug der Welt und machte seinen Hersteller auf einen Schlag berühmt. Der Roadster-Version folgte 1951 ein formvollendetes Coupé, das es bis 1961 in drei Serien geben sollte, die letzte – ein Novum im Serienwagenbau – mit Scheibenbremsen.

Rennerfolge

Zahlreiche Sporteinsätze und Siege unterstrichen den dynamischen Anspruch. Zwischen 1951 und 1957 gewann Jaguar allein fünfmal in Le Mans. Die in den fünfziger Jahren eingesetzten Rennmodelle mündeten 1961 in das wohl berühmteste aller Jaguar-Modelle: den E-Type. Der von Flugzeugingenieur Malcolm Sayer mitentwickelte Zweisitzer kam zeitgleich als Roadster und Coupé, doch es war die Festdach-Variante mit ihrer seitlich angeschlagenen Kofferraum- klappe und ihrer unglaublichen Linienführung, welche die Weltöffentlichkeit begeisterte. Gekrönte Häupter und Prominente rissen sich um die ersten Exemplare, denn 1961 wurden nur wenige Autos ausgeliefert – junge Occasionen kosteten zeitweilig mehr als Neuwagen. Der E-Type wurde zur britischen Ikone der sechziger Jahre; nur der Porsche 911 oder ein Dino-Ferrari brachten es in jener Sportwagenepoche zu ähnlicher Berühmtheit. Anfang der siebziger Jahre folgte der nächste Paukenschlag – ein E-Type mit Zwölf-Zylinder-Motor in Serie.

Als Intermezzo der komfortablen Art ist der zwischen 1975 und 1977 gebaute XJC zu verstehen. Als zweitürige Variante der Luxus-Sportlimousine XJ sollte er jene Kunden anlocken, denen ein E-Type zu auffällig, der Citroën SM zu schräg und ein Mercedes-Coupé zu teutonisch waren. Mit sechs oder zwölf Zylindern war Leistung kein Thema; Automatikgetriebe, Klimaanlage, Connolly-Leder, Wurzelhölzer und das Fehlen von B-Säulen taten ein Übriges. Very stylish, indeed – und heute mit Abstand eine der exklusivsten Arten, Jaguar zu fahren.

Der E-Type war inzwischen in die Jahre gekommen. Doch wie soll man eine Legende ersetzen? 1975 war es so weit: Jaguar bewies Mut und brachte mit dem XJS ein völlig anderes, nicht unumstrittenes Auto. Vor allem der Wartungsaufwand trieb Mechaniker wie Eigner gleichermassen in die Verzweiflung. Optisch klar ein Engländer, wusste der neue Zweitürer mit mehr Komfort und Power zu überzeugen; rund 80’000 Exemplare mit Zwölf- und ab 1983 auch mit Sechszylindermotor wurden bis 1996 gebaut, immerhin. Und so gering der extravagante XJS zu Lebzeiten geschätzt wurde, so begehrenswert und selten ist er heute.

Einsteigermodell

Mit dem ab 1996 gebauten XK8 knüpfte Jaguar stilistisch wieder mehr am E-Type an: Erotische Rundungen und eine auch fahrdynamisch betonte Sportlichkeit machten die unter Ford-Regie entwickelte Baureihe trotz recht engem Innenraum schnell populär. Heute verkörpert der rund 30’000 Mal gebaute XK8 die günstigste Möglichkeit, in die einzigartige, damals bis zu 395 Kompressor-PS starke Coupé-Welt von Jaguar einzutauchen. Geld verliert man dabei kaum, denn die Preise für gute und frühe Exemplare ziehen langsam wieder an.

Der 2006 eingeführte und heute noch erhältliche XK ist stilistisch nicht allzu weit weg vom XK8. Technisch sind es allerdings Welten, denn der aktuelle Gentleman-Express ruht auf einem Monocoque aus miteinander vernieteten und verklebten Aluminiumblechen. Das spart Gewicht – ein XK wiegt über 100 Kilo weniger als sein Vorgänger und bietet doch mehr Platz. Die Motoren – zur Wahl stehen V8-Aggregate ohne und mit Aufladung (385 bis 550 PS) – sind effizienter und dabei noch seidiger geworden. Die Bedienung ist eine Lust, das Infotainment erstklassig und modern. Der XK empfiehlt sich also für Geniesser, zumal die Produktion noch in diesem Jahr endet, der Weg zum Klassiker steht offen. Wer nicht mehr jeder Mode nachrennt, ist mit diesem bis zu 300 km/h schnellen GT bestens bedient.

Ein Grund der vorzeitigen XK-Abdankung ist auch im eingangs erwähnten Neuwagen zu suchen: Die Jaguar-Zukunft gehört dem F-Type, und der wird dem Management bei dessen Plan helfen, die vor wenigen Jahren noch angestaubte Marke weiter zu verjüngen.