Es ist der akute Schlafmangel, der den Japaner in den Kurzschlaf im öffentlichen Raum treibt. Auch statistisch ist die Müdigkeit belegt. Gemäss einer aktuellen Aushebung der OECD schlafen die Japaner pro Tag durchschnittlich 7 Stunden 43 Minuten. Der Durchschnittswert aller 26 erhobenen Länder liegt bei 8 Stunden 19 Minuten. Einzig die Südkoreaner schlafen mit 7 Stunden 41 Minuten noch weniger als die Japaner.
Eine Studie der Universität Stanford ergab vor ein paar Jahren sogar, dass die japanischen Büroarbeiter, die Salarymen, sich lediglich mit knapp 6 Stunden Schlaf begnügen und damit die Kollegen in den anderen Metropolen der Welt weit unterbieten (Asienspiegel berichtete). Das rührt daher, dass in Japans Büros die Präsenzzeit besonders lang ist. Zusätzlich erlaubt die obligate nächtliche Trinktour mit den Arbeitskollegen nur ungenügend Erholung.
Ein Mittagsschlaf am Bürotisch
Schlafmangel führt bekanntlich zu Ineffizienz und einer erhöhten Fehlerquote am Arbeitsplatz. Die Bearbeitung einer Aufgabe am Arbeitsplatz zieht sich durch die Unkonzentriertheit in die Länge. Das kostet Zeit und Geld. Immer mehr Arbeitgeber in Japan erkennen dieses Problem und beginnen, ihren Angestellten nach dem Mittag ein 10 bis 20-minütiges Nickerchen am Arbeitsplatz zu verordnen, wie die Asahi Shimbun berichtet. So dürfen sich beispielsweise die Angestellten der Architekturfirma Okuta nachmittags während 20 Minuten ungefragt ausruhen.
In Tokio hat sich derweil ein Café auf den Mittagsschlaf spezialisiert. Das Corne bietet Frauen gemütliche Liegeräume, wo sie ganz der Erholung widmen können. Selbst ein Pyjama darf sich die Kundin ausleihen. 10 Minuten kosten hier 160 Yen. Natürlich bietet die Lokalität auch ein Mittagsmenü, Kaffee und Tee an.
Schlafen in der Schule
Und weil der Schlafmangel in Japan bereits in der Kindheit beginnt, befassen sich auch die Schulen zunehmend mit diesem gesellschaftlichen Phänomen. In einer Schule in der Stadt Chikuzen in der Präfektur Fukuoka machen die Schüler seit April zu den Klängen Mozarts ein 10-minütiges Mittagsschläfchen, wie die Yomiuri Shimbun berichtet. Diese Massnahme wurde ergriffen, nachdem eine Umfrage ergeben hatte, dass sich 63 Prozent der Schüler während den Schulstunden müde fühlten.
Gewisse Universitäten beschreiten derweil andere Wege. Ihren Studenten bieten sie in den Kantinen in den Morgenstunden ein reichhaltiges, traditionelles japanisches Frühstück zum Minimalpreis an (Asienspiegel berichtete).
Fisch, Reis, Miso-Suppe und zahlreiche kleine Gemüsebeilagen sorgen für einen vollen Magen bis zur Mittagsstunde. Mit der morgendlichen Verpflegung steigert sich ganz natürlich die Konzentrationsfähigkeit und die Studenten gewöhnen sich ganz nebenbei an einen geregelten Tagesablauf, zu dem auch ausreichend Schlaf gehört.
Dieser Artikel erschien zuerst auf asienspiegel.ch - News aus Japan, China und Korea.