Eigentlich ist er in einem Alter, in dem er sich langsam in den Ruhestand verabschieden könnte. Um sich seinen Enkelkindern zu widmen oder seinem Hobby zu frönen, der philosophischen Literatur. Mit 62 Jahren hat Jürgen Dormannalles erreicht, was er sich erhofft hatte, als er nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften beim Chemiekonzern Hoechst einstieg. Schon als junger Trainee soll er ziemlich unverblümt Aspirationen auf den Konzernvorsitz geäussert haben. 1994, dreissig Jahre später, war es dann so weit: Dormann bezog das Chefbüro am Frankfurter Hauptsitz, wo er einen Totalumbau einleitete und sich schon ein Jahr später als Deutschlands Manager des Jahres feiern liess. 1999 initiierte er die Fusion von Hoechst mit der französischen Rhône-Poulenc, aus der Aventishervorging. Als er im Frühjahr die operative Leitung von Aventisabgab und sich auf das Verwaltungsratspräsidium zurückzog, glaubten viele, der Zeitpunkt zum Kürzertreten sei gekommen.
Weit gefehlt. Dormannsteigt nochmals in die Hosen. Sein Vorwärtsdrang und sein unbändiger Veränderungswille haben ihn wohl dazu getrieben, einen der schwierigsten Jobs anzunehmen, welche die Wirtschaft gegenwärtig zu bieten hat: den Technologiekonzern ABBwieder flottzumachen. Das überdurchschnittliche Pflichtbewusstsein, das er an den Tag legt, bekam er schon im Elternhaus mit. Dormannist zwar in Heidelberg aufgewachsen, doch als Kind Bremer Eltern ist seine hanseatisch-protestantische Grundhaltung unverkennbar. Bewunderer loben seine Gradlinigkeit und sein analytisches Vermögen. Weniger Wohlgesinnte beschreiben ihn als reserviert, unzugänglich und mitunter rücksichtslos. Viele Menschen, die seinen Weg gekreuzt haben, respektieren ihn, doch wirkliche Freunde sind im Umfeld des «Soft Rambo», wie die deutschen Medien ihn nennen, nur wenige auszumachen.
Die chemische Verbindung
Dormann durchlief fast die ganze Karriere beim Chemiekonzern Hoechst, darum stammen seine stärksten Verbindungen aus der Branche. Einer der wenigen Männer, denen das Attribut Freund gebührt, ist der Franzose Jean-René Fourtou, die Nummer zwei im Aventis-Konzern und früherer Chef von Rhône-Poulenc. Nicht nur geschäftliche Interessen verbinden den deutschen Asketen mit dem französischen Lebemann, sondern auch die Vorliebe für eine feine Flasche Bordeaux. Als Freund bezeichnet Dormann auch den im März 2002 verstorbenen Horst Waesche, ein treuer Gefährte aus Hoechst-Zeiten, den Dormann auch in den Aventis-Vorstand berief. Waesche galt als Dormanns Ausputzer; nicht selten hielt er jeweils auf Betriebsversammlungen für den Konzernchef den Kopf hin. Einen guten Draht pflegt Dormann auch zum Franzosen Michel de Rosen. Der ehemalige Rhône-Poulenc-Manager lenkt heute die amerikanische Viropharma und komplettiert seit Frühjahr die Dormann-Seilschaft im ABB-Verwaltungsrat, der auch IBM-Europachef Hans Ulrich Maerki und Allianz-Aufsichtsratskollege Bernd W. Voss angehören. An einer Veranstaltung des deutschen Unternehmensberaters Roland Berger in Zürich unterhielt sich Dormann kürzlich angeregt und ausgiebig mit Roche-Ehrenpräsident Fritz Gerber und Novartis-LenkerDaniel Vasella. Dormann wurde den Ruf nie los, er habe das Etikett Life-Science, das er dem Aventis-Konzern umhängte, von Novartis abgekupfert; heute ist das einst so wohl klingende Konzept hüben wie drüben Makulatur.
Mein Heidelberg
Ein Chauvinist ist Jürgen Dormann nicht, das hat er bei der Fusion von Hoechst mit Rhône-Poulenc bewiesen. Das Hauptquartier von Aventis wurde bewusst in Strassburg errichtet, einem unbelasteten Ort in der Grenzregion. Dennoch: Seiner Heimatstadt Heidelberg fühlt sich Dormann verbunden. Der Philosoph Karl Jaspers, der in Heidelberg lehrte, machte nachhaltigen Eindruck auf ihn. Dass ihm Heidelberg am Herzen liegt, bewies er im Frühjahr, als ihn Friedrich von Bohlen, Chef der Lion Bioscience, unbekannterweise in einem Brief das Verwaltungsratspräsidium anbot. Nach einigen Gesprächen sagte Dormann zu – zum einen, weil ihn das Gebiet der Bioinformatik interessierte, zum anderen, weil Lion in Heidelberg ansässig ist. Im Kontrollgremium der Lion trifft Dormann auf einen weiteren renommierten Heidelberger: SAP-Mitgründer Klaus Tschira.
Die Verstossenen
Als der langjährige Hoechst-Lenker Wolfgang Hilger ausschied, buhlten auch Utz-Hellmuth Felcht und Karl-Gerhard Seifert um den Posten. Dank dem Support der Banken ging Finanzspezialist Dormann als Sieger hervor. Felcht steht heute Degussa vor, Seifert leitete vorübergehend den Basler Spezialchemiekonzern Clariant. Auch mit dem heutigen Clariant-Chef Reinhard Handte ist Dormann wohlbekannt: Handte war eine treibende Kraft in der Task-Force «Aufbruch 94», der zum Totalumbau von Hoechst führte. Je länger Dormann bei ABB im Verwaltungsrat sass, desto länger wurde seine Abschussliste. Er war massgeblich daran beteiligt, dass die Abgangsentschädigungen von Percy Barnevik und Göran Lindahl öffentlich wurden. Beim Ausscheiden von Jörgen Centerman liess er durchblicken, dass sich das Verhältnis zu ihm abgekühlt habe. Als Dormann Ende 2001 das ABB-Präsidium übernahm, kritisierte er das Gremium offen. Dass danach die ABB-Strategen Robert Jeker und Edwin Somm den Hut nehmen mussten, erstaunte niemand.
Die Shareholder-Connection
Nachdem Dormann bei Hoechst Business-Units an Stelle der Länderorganisationen errichtet, die träge Buchhaltung in ein funktionierendes Accounting umgebaut und den Anlegern eine hohe Eigenkapitalrendite versprochen hatte, galt er als deutscher «Mr. Shareholder-Value». Kein Wunder, wurde Martin Ebner Dormann aufmerksam. Über seine Pharmavision beteiligte er sich an der Hoechst, später hielt er ein Paket an Aventis. ABB-Grossaktionär Ebner war massgeblich an der Berufung Jürgen Dormanns in den ABB-Verwaltungsrat beteiligt – und an dessen Installation an der Spitze des Gremiums. Martin Ebner hofft, dass Dormann mit bewährten Shareholder-Value-Mitteln die Wende schafft; die Erholung des Aktienkurses ist für ihn existenziell. Die Rochade an der ABB-Spitze ist auch eine Kulturrevolution: Zum ersten Mal wird der Konzern von einem Mann geführt, der nicht aus dem Reich der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg stammt. Unter dem Druck des Börsenkurses musste ABB-Verwaltungsrat und -Teilhaber Jacob Wallenberg nolens volens für Dormann stimmen.
Weit gefehlt. Dormannsteigt nochmals in die Hosen. Sein Vorwärtsdrang und sein unbändiger Veränderungswille haben ihn wohl dazu getrieben, einen der schwierigsten Jobs anzunehmen, welche die Wirtschaft gegenwärtig zu bieten hat: den Technologiekonzern ABBwieder flottzumachen. Das überdurchschnittliche Pflichtbewusstsein, das er an den Tag legt, bekam er schon im Elternhaus mit. Dormannist zwar in Heidelberg aufgewachsen, doch als Kind Bremer Eltern ist seine hanseatisch-protestantische Grundhaltung unverkennbar. Bewunderer loben seine Gradlinigkeit und sein analytisches Vermögen. Weniger Wohlgesinnte beschreiben ihn als reserviert, unzugänglich und mitunter rücksichtslos. Viele Menschen, die seinen Weg gekreuzt haben, respektieren ihn, doch wirkliche Freunde sind im Umfeld des «Soft Rambo», wie die deutschen Medien ihn nennen, nur wenige auszumachen.
Die chemische Verbindung
Dormann durchlief fast die ganze Karriere beim Chemiekonzern Hoechst, darum stammen seine stärksten Verbindungen aus der Branche. Einer der wenigen Männer, denen das Attribut Freund gebührt, ist der Franzose Jean-René Fourtou, die Nummer zwei im Aventis-Konzern und früherer Chef von Rhône-Poulenc. Nicht nur geschäftliche Interessen verbinden den deutschen Asketen mit dem französischen Lebemann, sondern auch die Vorliebe für eine feine Flasche Bordeaux. Als Freund bezeichnet Dormann auch den im März 2002 verstorbenen Horst Waesche, ein treuer Gefährte aus Hoechst-Zeiten, den Dormann auch in den Aventis-Vorstand berief. Waesche galt als Dormanns Ausputzer; nicht selten hielt er jeweils auf Betriebsversammlungen für den Konzernchef den Kopf hin. Einen guten Draht pflegt Dormann auch zum Franzosen Michel de Rosen. Der ehemalige Rhône-Poulenc-Manager lenkt heute die amerikanische Viropharma und komplettiert seit Frühjahr die Dormann-Seilschaft im ABB-Verwaltungsrat, der auch IBM-Europachef Hans Ulrich Maerki und Allianz-Aufsichtsratskollege Bernd W. Voss angehören. An einer Veranstaltung des deutschen Unternehmensberaters Roland Berger in Zürich unterhielt sich Dormann kürzlich angeregt und ausgiebig mit Roche-Ehrenpräsident Fritz Gerber und Novartis-LenkerDaniel Vasella. Dormann wurde den Ruf nie los, er habe das Etikett Life-Science, das er dem Aventis-Konzern umhängte, von Novartis abgekupfert; heute ist das einst so wohl klingende Konzept hüben wie drüben Makulatur.
Mein Heidelberg
Ein Chauvinist ist Jürgen Dormann nicht, das hat er bei der Fusion von Hoechst mit Rhône-Poulenc bewiesen. Das Hauptquartier von Aventis wurde bewusst in Strassburg errichtet, einem unbelasteten Ort in der Grenzregion. Dennoch: Seiner Heimatstadt Heidelberg fühlt sich Dormann verbunden. Der Philosoph Karl Jaspers, der in Heidelberg lehrte, machte nachhaltigen Eindruck auf ihn. Dass ihm Heidelberg am Herzen liegt, bewies er im Frühjahr, als ihn Friedrich von Bohlen, Chef der Lion Bioscience, unbekannterweise in einem Brief das Verwaltungsratspräsidium anbot. Nach einigen Gesprächen sagte Dormann zu – zum einen, weil ihn das Gebiet der Bioinformatik interessierte, zum anderen, weil Lion in Heidelberg ansässig ist. Im Kontrollgremium der Lion trifft Dormann auf einen weiteren renommierten Heidelberger: SAP-Mitgründer Klaus Tschira.
Die Verstossenen
Als der langjährige Hoechst-Lenker Wolfgang Hilger ausschied, buhlten auch Utz-Hellmuth Felcht und Karl-Gerhard Seifert um den Posten. Dank dem Support der Banken ging Finanzspezialist Dormann als Sieger hervor. Felcht steht heute Degussa vor, Seifert leitete vorübergehend den Basler Spezialchemiekonzern Clariant. Auch mit dem heutigen Clariant-Chef Reinhard Handte ist Dormann wohlbekannt: Handte war eine treibende Kraft in der Task-Force «Aufbruch 94», der zum Totalumbau von Hoechst führte. Je länger Dormann bei ABB im Verwaltungsrat sass, desto länger wurde seine Abschussliste. Er war massgeblich daran beteiligt, dass die Abgangsentschädigungen von Percy Barnevik und Göran Lindahl öffentlich wurden. Beim Ausscheiden von Jörgen Centerman liess er durchblicken, dass sich das Verhältnis zu ihm abgekühlt habe. Als Dormann Ende 2001 das ABB-Präsidium übernahm, kritisierte er das Gremium offen. Dass danach die ABB-Strategen Robert Jeker und Edwin Somm den Hut nehmen mussten, erstaunte niemand.
Die Shareholder-Connection
Nachdem Dormann bei Hoechst Business-Units an Stelle der Länderorganisationen errichtet, die träge Buchhaltung in ein funktionierendes Accounting umgebaut und den Anlegern eine hohe Eigenkapitalrendite versprochen hatte, galt er als deutscher «Mr. Shareholder-Value». Kein Wunder, wurde Martin Ebner Dormann aufmerksam. Über seine Pharmavision beteiligte er sich an der Hoechst, später hielt er ein Paket an Aventis. ABB-Grossaktionär Ebner war massgeblich an der Berufung Jürgen Dormanns in den ABB-Verwaltungsrat beteiligt – und an dessen Installation an der Spitze des Gremiums. Martin Ebner hofft, dass Dormann mit bewährten Shareholder-Value-Mitteln die Wende schafft; die Erholung des Aktienkurses ist für ihn existenziell. Die Rochade an der ABB-Spitze ist auch eine Kulturrevolution: Zum ersten Mal wird der Konzern von einem Mann geführt, der nicht aus dem Reich der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg stammt. Unter dem Druck des Börsenkurses musste ABB-Verwaltungsrat und -Teilhaber Jacob Wallenberg nolens volens für Dormann stimmen.
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