Supermärkte werden geplündert, Lastwagen überfallen. In Venezuela sind Armut und Hunger vor allem in ländlichen Gebieten so gross, dass es der Opposition zufolge immer häufiger zu Übergriffen kommt. Die Hauptstadt Caracas aber blieb bisher weitgehend verschont vom Lebensmittelmangel. Gerade dort sind betuchte Venezolaner ansässig, die sich mit harten Devisen in Geschäften wie den früheren DDR-Intershops noch immer alles mehr oder weniger Nötige kaufen können – so auch Luxus-Schokolade.
Rund um die noblen Leckereien aus heimischem Kakao hat sich in dem Krisen-Staat zuletzt eine kleine Startup-Szene des Chocolatier-Handwerks entwickelt. Die Unternehmer sichern sich mit ihren Schokoladen den Lebensunterhalt und träumen vom Export ihrer Waren in die Gourmet-Geschäfte von Paris und Tokio.
«Das wahre Öl ist der Kakao»
«Unser wahres Öl ist der Kakao», sagt die Schoko-Produzentin Nancy Silva mit Blick auf die zwei wichtigen Rohstoffe des südamerikanischen Landes. In einem bescheidenen Appartment unweit eines Hauptstadt-Slums stellt sie mit vier Mitarbeitern ihre eigenen Kreationen her.
Während es bei vielen Produkten in Venezuela ständig Engpässe gibt, wird ihr der Kakao immer zuverlässig geliefert – und zwar von einem Bauernhof im Besitz ihrer Familie. Längst hat die Lebensmittelexpertin ihre eigene Edel-Marke, die auf der angesehenen Pariser Fachmesse «Salon du Chocolat» sogar schon einmal einen Preis abgeräumt hat.
Teure Edelschokolade
«In Europa reissen sie sich um diese Riegel», erklärt Silva, während sie Kakaomasse auf einem Stein-Tresen verteilt. Einmal gelang es ihr, in Frankreich ein einziges Kilo ihrer Schokolade für umgerechnet knapp 100 Dollar zu verkaufen. In Venezuela verdienen Millionen Menschen weniger als einen Dollar pro Woche. Ungefähr dieselbe Summe verlangt Silva in ihrer Heimat für ihre Schokolade, die damit schon für viele ihrer Mitbürger unerschwinglich ist. Nicht aber für die Oberschicht von Caracas, die sie in exklusiven Supermärkten und Delikatessenläden kauft.
Mit Einnahmen aus diesem Geschäft sichern sich inzwischen mehrere Klein-Chocolatiers ihren Lebensunterhalt, während die Wirtschaft um sie herum in die Knie geht und die gigantische Inflation den meisten Venezolanern die Kaufkraft raubt. Hunderte besuchten laut der Simon-Bolivar-Universität in den vergangenen zwei Jahren Kurse in Schokoladen-Herstellung. Erst kürzlich wagten sich rund 20 neue Manufakturen an den Markt. Viele wollen in den Export einsteigen.
Bürokratische Hürden
Doch dem stehen eine ganze Reihe von Genehmigungen im Weg, die in der Bürokratie des Landes Monate auf sich warten lassen. Eine Anfrage beim Informationsministerium zu dem Thema blieb unbeantwortet. Viele der Haus-Chocolatiers haben deshalb keine andere Chance, als ihre Ware in Koffern per Flugzeug ins Ausland zu bringen. Dort passt ihre Schokolade dann aber genau in den Edel-Trend «bean-to-bar», bei dem von der Kakaobohne bis zur fertigen Tafel alles in einer Hand liegt.
(reuters/mbü)