Früher hatte Medienmacht, wer eine Druckerpresse besass. Damit konnte man Zeitungen drucken und die öffentliche Meinung beeinflussen. Heute ist es nicht mehr ganz so einfach. Macht hat in den Medien, wer es versteht, mit Druck Kampagnen zu führen. Wenn also zum Beispiel der «Blick» und der «SonntagsBlick» gemeinsam zum Halali auf einen Politiker blasen, bleibt dies selten ohne Wirkung, auch wenn der Grund zur Aufregung vielleicht einer nüchternen Analyse nicht standzuhalten vermag.
Mediale Macht haben demnach nicht mehr in erster Linie die Verleger; Macht haben die Chefredaktoren. Vor allem wenn sie nicht nur das feine journalistische Kammerorchester dirigieren, sondern die mediale Kirchenorgel zum Donnern bringen. Das passiert auf dem journalistischen Boulevard, wenn die Macher, wie im Fall um den ehemaligen Botschafter Thomas Borer, eine Absurdität hochstilisieren. Das passiert aber auch am Sonntag, weil dann nur wenige Blätter erscheinen – wenn es leise ist, wird man schneller erhört.
Die NZZ ist ein Sonderfall. Ihr Einfluss nährt sich aus der Vergangenheit: Das Leibblatt des Schweizer Freisinns hat sich Respekt verdient.
Name Vorname (Alter)
Funktion Firma
1 - Bütler Hugo (59)
Chefredaktor NZZ, Zürich
Wenn Hugo Bütler, Kürzel bü., in die Tasten greift, wird das registriert. Weil der Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» noch immer ein gewisses publizistisches Gewicht hat in diesem Land. Und vielleicht auch, weil Bütler so selten davon Gebrauch macht. Der Einfluss der NZZ auf das inländische Politgeschehen ist abnehmend, und auch die Wirtschaftsberichterstattung ist nicht mehr das Mass aller Dinge. Man liest sie noch, die NZZ. Mehr nicht. Note 7,44
2 - De Schepper Werner (38)
Chefredaktor «Blick», Zürich
Der Chefredaktor des nationalen Boulevardblatts ist ein radikal denkender Mensch. Der Theologe Werner De Schepper steht «radikal auf der Seite der Konsumenten», wie er sagt, und zwar in jedem Fall: ob er eine «grosse Gier-Debatte» anzettelt oder den grossen Fischstäbli-Test ins Blatt rückt. Nur gross muss es sein, das ist wichtig und erzeugt Wirkung. Dies sind Stoffe, aus dem Kampagnen gestrickt werden. Kein Tag ohne Schlagzeile zum Thema, und kommt zufällig ein Sonntag dazwischen, wird der «SonntagsBlick» in die mediale Schlacht geworfen: ein banales, wirkungsvolles Rezept zur Skandalisierung von Themen, Unternehmen oder Menschen. Dies macht den «Blick» für Medienopfer unangreifbar – und dessen Chef einflussreich. Note 7,42
3 - Hartmeier Peter (51)
Chefredaktor «Tages-Anzeiger», Zürich
Wenn Peter Hartmeier von seiner Zeitung spricht, kennt er nur ein Wort: «Millionen-Zürich». Dort ortet der Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» das Bollwerk, das es publizistisch und kommerziell abzusichern gilt. Die Grossmachtträume, mit dem «Tagi» liesse es sich in die publizistische Liga etwa von «El País» oder «Liberación» aufsteigen, wurden im Hause Tamedia begraben. Der Einfluss ist weitgehend auf Zürich beschränkt – zu verachten ist dies nicht. Note 6,77
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4 - Haldimann Ueli (50)
Chefredaktor SF DRS, Zürich
Als Chefredaktor des Schweizer Fernsehens agiert Ueli Haldimann zwar nicht mehr an der journalistischen Front wie der Chef von «Tagesschau» oder «10 vor 10». Sein Einfluss resultiert daraus, dass er der grössten und wichtigsten Informationsmaschinerie des Landes vorsteht, die von jeder Schweizerin, jedem Schweizer genutzt wird. Damit sind die Info-Sendungen von SF DRS punkto politischer Meinungsbildung die bedeutendste Informationsquelle der Schweizer Bevölkerung. Note 6,76
5 - Rothenbühler Peter (55)
Chefredaktor «Le Matin», Lausanne
Peter Rothenbühler hatte während Jahren als Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» die inländische Cervelat-Prominenz ins Bild gerückt und ist dadurch selber in diese Liga avanciert. Davon profitiert er noch heute. Seit er dem Westschweizer Boulevardblatt aus dem Hause Edipresse vorsteht, gelangt immer wieder die Kunde nach Zürich, er mache dort einen guten Job. Das gibt ihm ein gewisses Gewicht in der Medienszene. Note 6,64
6 - Durisch Andreas (49)
Chefredaktor «SonntagsZeitung», Zürich
Andreas Durisch hat hier zu Lande den «midrisk journalism» erfunden. Will heissen: Wenn die Hälfte stimmt, ist eine Recherche druckfähig. Die sonntägliche Aufregung hat die «SonntagsZeitung» erfolgreich gemacht. Die Objekte der Berichterstattung müssen das Blatt gelesen haben, schliesslich diffundieren die Infos ungefiltert in die sonntags nach Stoff dürstenden Nachrichtenkanäle. Note 6,63
7 - Meyer Frank A. (60)
Ringier, Zürich
Mit dem Einfluss von Frank A. Meyer verhält es sich wie mit einer Black Box. Jeder weiss, da ist was drin, keiner weiss genau, was es ist. Alle, die den Chef-Einflüsterer im Hause Ringier nach der Borer-Affäre abgeschrieben haben, liegen falsch. Meyer ist noch immer da, übt Einfluss aus, lotst den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder an das Filmfestival Locarno oder Innenminister Otto Schily als Interviewpartner in den «SonntagsBlick». Note 6,61
8 - Leutenegger Filippo (51)
CEO Jean Frey AG, Zürich
Der ehemalige «Arena»-Dompteur Filippo Leutenegger ist umtriebig wie nie: als CEO des Jean Frey Verlags steht er Medienprodukten wie «Weltwoche» oder BILANZ vor, als neuer Nationalrat hat er unter der Bundeskuppel die Fronten gewechselt und politisiert bisweilen quer zur eigenen freisinnigen Partei. Das garantiert Leutenegger eine hohe mediale und politische Visibilität. Mediale Präsenz ist heute Voraussetzung für politischen Einfluss – und nicht Folge davon. Note 6,60
9 - Hoesli Eric (46)
Chefredaktor «Le Temps», Genf
«Le Temps» ist die einzige Tageszeitung der Westschweiz, die über den Röstigraben hinweg
eine gewisse publizistische Ausstrahlung hat. Allerdings: Politische Debatten, wie sie Vorgänger «Le Nouveau Quotidien» mit Jacques Pilet an der Spitze immer wieder zu befruchten vermochte, lanciert «Le Temps» kaum. Wohl deshalb ist deren Chefredaktor Eric Hoesli in der Deutschschweiz nicht annährend so präsent, wie das Pilet seinerzeit gewesen ist. Note 6,34
10 - Ringier Michael (55)
Ringier, Zürich
Michael Ringier ist mit seinen Massenpublikationen vom «Blick» bis zur «Schweizer Illustrierten» der gewichtigste Verleger im Land. Und dennoch sind es nicht mehr die Besitzer der Produktionsmittel, die heute punkto medialen Einflusses an der Spitze stehen, sondern die Chefredaktoren, die täglich oder wöchentlich ihr Blatt machen. Die Macht der Verleger beschränkt sich weitgehend darauf, die Personalpolitik in den Chefredaktionen zu bestimmen. Note 6,18