Was was bedeutet politische Macht in der Schweiz? Und wer verfügt heute weshalb über mehr oder weniger Macht in der Politik? Generalisierend lassen sich drei verschiedene Spielarten, Formen und Quellen politischer Macht unterscheiden: Vetomacht, Orientierungsmacht und Gestaltungsmacht. Ob das politische Führungspersonal unseres Landes seine Energien eher in die missionarische Propagierung ideologischer Visionen, eher in die pragmatische Entwicklung sachpolitischer Lösungen oder vorab in die populistische Verhinderung neuer Gebote und Verbote investiert, hängt von vielen Faktoren ab: vom jeweiligen in der politischen Arena tätigen Persönlichkeitstypus, von der jeweils aktuellen Stimmungslage im Wahl- und Stimmvolk und von der tatsächlichen Komplexität realer Problemlagen.

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Das diesjährige BILANZ-Rating spiegelt die aktuelle Konjunktur, die gegenwärtige Hierarchie der drei verschiedenen Spielarten und Quellen von politischer Macht in der Schweiz von heute recht eindrücklich. Im Kontext von ideologischer Polarisierung und parteipolitischer Bipolarisierung haben vorab starke Persönlichkeiten aus dem rot-grünen und dem nationalkonservativen Lager Aufwind, welche die hohe Kunst der Demagogie, der Vereinfachung, der Schuldzuweisung und der Kapitalisierung von Emotionen beherrschen. Ihre Macht beruht vorab auf Veto- und Verhinderungsmacht, auf Orientierungs- und auf Medienmacht. Auf die mittleren und hinteren Plätze verwiesen werden dagegen tendenziell all jene, die Politik als das langsame Durchbohren dicker Bretter betreiben und via mehrheitsfähige Kompromisslösungen realpolitische Gestaltungsmacht anstreben.

Name Vorname (Alter)
Funktion

1 - Maurer Ueli (53)
Präsident SVP Schweiz
Alles lachte seinerzeit, wenn Satiriker Viktor Giacobbo Ueli Maurer als willenloser Blocher-Knecht und Bauerntölpel karikierte. Heute hat er punkto Macht, so jedenfalls sieht es die BILANZ-Jury, Christoph Blocher überholt. Ueli Maurer gebietet über die bestorganisierte Partei der Schweiz. Er ist ein Krampfer, der minutiös vorbereitet und mit grosser Dossierkenntnis an die Öffentlichkeit tritt. Und vor allem: Er hat die gute Nase für Themen, die erst am Kommen sind. Wo andere noch reagieren, hat er längst den nächsten Schritt antizipiert. Note 8,66

2 - Blocher Christoph (63)
Bundesrat
Letztes Jahr stand er als SVP-Nationalrat und Präsident der SVP des Kantons Zürich an erster Stelle. Keiner spielte die Klaviatur der Macht so souverän wie der Volkstribun aus Herrliberg ZH. Doch mit der Wahl in den Bundesrat wurde der Pfarrersohn Blocher ins Kollegialitätsprinzip eingebunden – und das kostet naturgemäss Punkte auf der Machtskala. Derzeit tritt der frühere Volkstribun an Ort: in der Europapolitik, in der Asyl- und Ausländerpolitik. Ausgerechnet da also, wo man von ihm Lösungen erwartet. Nach wie vor ist Blocher aber ein Animal politique, das Menschen in der Schweiz bewegen kann wie sonst niemand – mit Blocher ist weiterhin zu rechnen. Note 8,05

3 - Calmy-Rey Micheline (58)
Bundesrätin
In der Deutschschweiz war sie sozusagen unbekannt. Doch kaum im Amt, fiel die vierte Frau in der Schweizer Regierung mächtig auf. Mit unglaublichem Tempo ging sie an die Dossiers heran – und handelte sich kiloweise Kritik ein. Vor allem ihr Bekenntnis zur «öffentlichen Diplomatie» gab zu reden, aber auch ihr Vorschlag für ein «Treffen der letzten Chance» zwischen den USA und dem Irak vor dem Krieg im Golf. Wirklich geschadet hat es ihr nicht: Calmy-Rey hat den moderaten Ton gefunden. Gerade den Einfluss innerhalb des Bundesrates stuft die Jury als hoch ein. Note 7,97

Plätze 13–32
13 Gutzwiller Felix (56)
Note 7,08
Nationalrat FDP


14 Zeltner Thomas (56)
Note 7,05
Direktor Bundesamt für Gesundheit


15 Fässler-Osterwalder Hildegard (52)
Note 7,00
Nationalrätin SP


16 Fetz Anita (47)
Note 6,97
Ständerätin SP


17 Schweiger Rolf (59)
Note 6,91
Ständerat und Präsident FDP


17 Triponez Pierre (60)
Note 6,91
Nationalrat FDP


19 Rechsteiner Paul (51)
Note 6,83
Nationalrat SP


20 Fust Walter (59)
Note 6,76
Chef Deza


21 Leuenberger Ernst (59)
Note 6,75
Ständerat SP


22 Schmid Samuel (57)
Note 6,72
Bundesrat


23 Brunner Christiane (57)
Note 6,69
Ständerätin SP


23 Cina Jean-Michel (40)
Note 6,69
Nationalrat CVP


25 Siegenthaler Peter (55)
Note 6,66
Direktor Eidgenössische Finanzverwaltung


26 Egerszegi-Obrist Christine (55)
Note 6,58
Nationalrätin FDP


27 Leutenegger Filippo (51)
Note 6,55
Nationalrat FDP


28 Binder Max (56)
Note 6,52
Nationalrat SVP


28 Theiler Georges (54)
Note 6,52
Nationalrat FDP


30 Merz Hans-Rudolf (61)
Note 6,47
Bundesrat


31 Gerber Jean-Daniel (57)
Note 6,43
Direktor Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco)


32 Friedli Max (58)
Note 6,41
Direktor Bundesamt für Verkehr

4 - Sommaruga Simonetta (43)
Ständerätin SP
Die Berner SP-Ständerätin, 1999 mit Glanzresultat ins Parlament gewählt, profilierte sich rasch als pragmatische Politikerin, die mit sicherem Politinstinkt Allianzen schmieden kann. Mit SP, CVP und den Bauern setzte sie im Rat ein fünfjähriges Gentech-Moratorium für die Landwirtschaft durch – das bisherige Glanzstück der prominenten Konsumentenschützerin. Sommaruga gilt als unpolemische Politikerin mit hoher Glaubwürdigkeit, die mehr als die meisten im Rat auch mit Politikern anderer Parteien anzutreffen ist. Vor allem bei den Wirtschaftsliberalen geniesst sie hohe Sympathie, hat aber auch in der SP Gewicht. Sommaruga sagt man Lust auf höhere Politweihen nach – einige sehen sie schon als Bundesrätin. Note 7,80

5 - Frick Bruno (50)
Ständerat CVP
Mit «Maria, breit den Mantel aus» müsse Schluss sein, verlangte Bruno Frick in der CVP. Damit positionierte er sich in der Partei definitiv am rechten Flügel. Frick, öfter mal in der «Arena» von SF DRS zu sehen, gilt als wertkonservativer Politiker und finanz-politischer Hardliner, der gelassen und bodenständig auftritt. Eine Arbeitsgruppe um den Schwyzer Ständerat und dezidierten EU-Gegner formulierte für die CVP neue Schwerpunkte. Das Zehnpunkteprogramm setzt bürgerliche und wertkonservative Akzente. Note 7,47

5 - Schmid-Sutter Carlo (54)
Ständerat CVP
Das Etikett bringt er nicht mehr los: «Politisches Urgestein aus Appenzell» nennt ihn die Presse immer wieder, mitunter deftig auch nur «Saftwurzel». Als Parteipräsident hatte er nicht wirklich Fortüne, nach dem Rücktritt stieg er wieder auf. Innerhalb der Partei hat er sich nicht sehr beliebt gemacht, als er einen Bundesratssitz für die CVP als ausreichend erklärte und damit Ruth Metzlers Position ins Wanken brachte – CVP-extern aber brachte ihm dies manche Sympathien ein. Note 7,47

7 - Spuhler Peter (45)
Nationalrat SVP
Der Senkrechtstarter im Bundeshaus. Peter Spuhler, im Wirtschaftsrating auf Platz 7, macht auch als Politiker gute Figur. Er brilliert mit hoher Durchsetzungskraft und gilt als Mann, der den Tarif durchgeben kann. Hohe Glaubwürdigkeit hat er dank dem Erfolg als Unternehmer, der aus einem kleinen Betrieb ein florierendes Waggonbau-Unternehmen machte. Spuhler kämpft gegen zu hohe Steuern, gegen Bürokratie und gegen zu viel Staat. Seine Message: Die Schweiz braucht wieder Wirtschaftswachstum. Er wurde auch schon als Beziehungsstratege bezeichnet und kommt mit seiner jovialen Art mit politisch Andersdenkenden gut zurecht. Note 7,33

7 - Strahm Rudolf (60)
Nationalrat SP
Er politisiert am rechten Rand der eigenen Partei und ist darum nicht bei allen Genossen gleich beliebt. Ausserhalb der Parteigrenzen aber hat sich der hyperaktive Politiker mit seinem fundierten Wissen in Wirtschafts- und Finanzfragen viel Respekt verdient – vorab bei den Bürgerlichen. Strahm ist Präsident des Mieterverbandes, Buchautor und hat eine eigene Beratungsfirma. Er ist breit vernetzt, hocherfahren und hat im Rat so etwas wie einen Weisheitsbonus: Wenn er redet, hört ihm Rechts und Links zu. Note 7,33

9 - Couchepin Pascal (62)
Bundesrat
Der machtbewusste und streitfreudige Walliser zeigte Anfang Jahr eine Formschwäche im neu besetzten Bundesrat – mit geschickten Zügen hat er sich aber bald wieder als Player ins Spiel gebracht. Zum Beispiel, als er die Rettung des Sozialziels zu seiner Sache machte. Als er kürzlich gar den Streit zwischen den Kantonen und dem Bund in der Frage des Steuerpakets als schädlich für den Föderalismus brandmarkte, hatte sich der gescheite Taktierer wieder in einer Rolle gefunden, die er besonders liebt: als Staatsmann, den er bereits als Regierungspräsident ganz besonders gerne gab. Note 7,27

10 - Roth Jean-Pierre (57)
Nationalbank-Präsident
Schon rein von seiner Funktion her sitzt er an den Hebeln der Macht. Als Präsident der Nationalbank ist er sozusagen oberster Zins- und Inflationshüter und mithin einer, der die Konjunkturpolitik direkt beeinflussen kann. Kein Wunder, hört man auf ihn – etwa wenn er, wie vor einem Jahr, die Erhöhung des Rentenalters fordert. Jean-Pierre Roth ist der einzige Mann aus der Unterkategorie Verwaltung, der es im Rating mit den PolitSchwergewichten aufnehmen kann. Note 7,22

11 - Leuthard Doris (41)
Nationalrätin CVP
Die Integrationsfigur aus dem Aargau bemüht sich derzeit nicht erfolglos, in der eigenen Partei die Reihen zu schliessen – als Interimspräsidentin der CVP. Mit sicherem Instinkt setzt sie auf die richtigen Themen, im Anschluss an das Swissair-Grounding hat sie rasch mit politischen Forderungen reagiert. Kommt hinzu, dass sie in der Öffentlichkeit gut wirkt. Tritt sie im Fernsehen auf, braucht sich die Partei ihrer nicht zu schämen. Familien- und Gesundheitspolitik sowie Konsumentenschutz nennt sie als CVP-Schwerpunkte der Zukunft, für sich selber kombiniert sie linke und rechte Positionen: härtere Asylpolitik zum Beispiel bei weicherer Drogenpolitik. Note 7,19

12 - Fehr Hans-Jürg (55)
Präsident und Nationalrat SP
Das dreibändige «Kapital» von Karl Marx hat er vom ersten bis zum letzten Buchstaben gelesen, radikale Töne indes sind seine Sache nicht. Der Altachtundsechziger Hans-Jürg Fehr fiel in der SP als Mediator auf, der pateiinterne Konflikte zu entschärfen weiss. Überdies brachte er als Vizepräsident die Parteifinanzen in Ordnung. Im März wurde er gegen den Glarner Werner Marti zum Präsidenten der SP gewählt – «Fehrplay» stand auf Flugzetteln derer, die ihn unterstützten. Passend sein Spruch, die Partei brauche keine «Verbal-Brutalos». Fehr hält für die SP an den grundsätzlichen Botschaften der Linken fest: Solidarität mit den Schwachen, Kampf dem Kapital. Note 7,13