Sobald die zweimotorige Maschine von Air Tahiti auf dem Flugfeld von Bora Bora zur Landung ansetzt, ertönt unweigerlich ein vielstimmiges «Wow». Das berühmteste aller polynesischen Eilande liegt in einer von Palmeninselchen begrenzten Lagune – schöner als sämtliche Reisekataloge es verheissen. Die Strände leuchten schneeweiss, die Vulkanberge türmen sich zur mystischen Silhouette und das Wasser schimmert hellgrün und azurblau. Die Spuren des Tourismus sind zwar unübersehbar, doch sie sind schonungsvoller als in vielen anderen Feriendestinationen.
Kleine Pensionen schmiegen sich in die Palmenhaine am Fuss der Berge, fächerartige Pfahlbausiedlungen wachsen in respektvollem Abstand zueinander in die Lagune hinaus. Oft haben die Überwasser-Bungalows private kleine Riffe, die durch eine Luke unter dem gläsernen Salontisch betrachtet werden können. Und wenn von den Cocktailhäppchen etwas übrig bleibt, schiebt man die Glasplatte zur Seite und füttert damit die Fische. Das luxuriöseste Hotel ist derzeit «The St. Regis Bora Bora Resort», das über eine Lagunenlandschaft mit separater Wellnessinsel verfügt. Das Nonplusultra: Ein Körperpeeling mit echten (zerquetschten) Südseeperlen im «Miri Miri Spa by Clarins». Wer Bora Bora sah, hat indessen noch lange nicht Französisch-Polynesien gesehen.
Das Überseedepartement Frankreichs mit seinen 300 000 Einwohnern umfasst eine Meeresfläche von 4 Millionen Quadratkilometern, auf der fünf Archipele mit insgesamt 118 Inseln und Atollen verstreut sind. Kein Eiland ist wie das andere. Viele werden mehrmals pro Woche durch Kleinflugzeuge bedient, manche sind aber nur mit dem Schiff erreichbar. Touristisch am besten erschlossen ist der Archipel de la Société (Gesellschaftsinseln), zu dem Tahiti mit der Hauptstadt Papeete sowie Bora Bora gehören. Besonders beliebt ist Tahitis Nachbarinsel Moorea, die von Papeete aus in einer halben Stunde per Fähre oder in wenigen Minuten per Flieger erreicht werden kann. Tief eingeschnittene Buchten, wildromantische Berglandschaften und malerische Strände prägen das Bild. Die Unterkünfte lassen keine Wünsche offen. Vom einfachen Gästehaus bis zum Fünfsterneresort mit exquisitem Spa, Gourmetküche und Wassersportzentrum ist alles zu haben.
Dramatische Marquesas
Gäste, die Erholung in unverfälschter Umgebung suchen, ziehen sich mit Vorteil auf eine abgelegene Insel wie Maupiti zurück. Die kleine Schwester von Bora Bora ziert eine wunderschöne Lagune und ein verfallener Vulkan. Statt im Überwasser-Bungalow wohnt man aber im bescheidenen Strand-Cottage, Fare genannt, ohne Klimaanlage, Fernseher, Telefon und Minibar. Dafür ist Familienanschluss garantiert.
Trauminseln wie aus dem Bilderbuch sind ebenfalls auf dem Tuamotu-Archipel zu finden. 76 Atolle, von riesigen Lagunen umgeben, locken dort zum Schwimmen, Tauchen, Schnorcheln und süssen Nichtstun. Die Sehenswürdigkeiten beschränken sich auf hübsche Kirchen und eigenartig geformte Palmen. Dafür ist die Unterwassershow umso spektakulärer. Neben mehr als 300 Arten von Fischen und Meerestieren, darunter Mantarochen und Riffhaie, beherbergt das jadegrüne, planktonreiche Meer noch ganz besondere Schätze. Hier befinden sich 250 Farmen, die die edlen dunklen Südseeperlen kultivieren. Auf Rangiroa, das sich der weltgrössten Lagune rühmt, können die Touristen eine örtliche Perlenfarm besichtigen und sich zu verhältnismässig günstigen Preisen mit den verführerischen Kostbarkeiten eindecken.
Noch mehr Abgeschiedenheit gefällig? Dann empfiehlt sich die Erkundung des Marquesas-Archipels, 1400 Kilometer von Tahiti entfernt. Die isolierteste Inselgruppe der Welt wirkt wie ein Phantasiegebilde aus Nadeln, Pfeilern, Türmen, Zacken, Schlünden und Fjorden. Die beste Möglichkeit, alle sechs Eilande zu besuchen, ist eine zweiwöchige Fahrt mit dem kombinierten Fracht- und Passagierschiff «Aranui 3», das den Archipel das ganze Jahr über in festem Turnus bedient. Während die Fracht gelöscht wird, unternehmen die Passagiere gut organisierte Landgänge zu Fuss, per Jeep und mit örtlichen Schulbussen. Auf Nuku Hiva werden geheimnisvolle archäologische Fundstätten besichtigt, auf Hiva Oa geht es zu den Gräbern und Museen von Paul Gaugin und Jacques Brel, die dort ihre letzten Jahre verbrachten. Ua Huka wartet mit einem reizvollen botanischen Garten auf. Ua Pou, Fatu Hiva sowie Tahuata verheissen kürzere und längere Wanderungen zu versteckten Buchten und phantastischen Aussichtspunkten. Allerdings machen Regengüsse, Hitze, hohe Wellen an schwarzsandigen Stränden sowie Stechmücken und bisswütige Nono-Fliegen den Besuchern das Leben schwer. Doch die Unannehmlichkeiten sind bald vergessen. Hingegen bleibt noch lange nach der Rückkehr in heimatliche Gefilde ein seltsames Ziehen in der Brust. Es ist die ewige Sehnsucht nach der Südsee.
Insider-Tipp: Wie der Aufenthalt richtig unter die Haut geht
Marquesas
Hansjörg Hinrichs, Inhaber des auf die Südsee spezialisierten Reiseunternehmens The Pacific Society in Appenzell, nennt die nördlichste Inselgruppe Französisch- Polynesiens «eigenwillig» und dennoch «typisch» für die gesamte Südsee. «Die Besuche werden leider zu oft auf den Trip mit der ‹Aranui 3› reduziert». Die Seefahrt sei zwar schön, aber die Stippvisiten an Land zu kurz und mit wenig Bezug zu den Leuten, «die dann oftmals nur Kulisse für Südseeshows sind und wirtschaftlich wenig davon profitieren ». Dabei seien auch Inselaufenthalte möglich, «die erfahrungsgemäss unter die Haut gehen und authentische Impressionen vermitteln». Es sei eine Alternative für Leute, die mehr Tiefe und Echtheit suchten, aber auch Zeit und Mittel dazu hätten. «Wir bieten solche Erlebnisse seit 20 Jahren an und sie sind ein Dauerbrenner», sagt Hinrichs.