Der Krankenversicherer-Verband Santésuisse erachtet für 2023 einen Anstieg der Krankenkassenprämien um 10 Prozent für nötig angesichts steigender Kosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Die Kosten pro versicherte Personen seien 2021 um über 6 Prozent gestiegen. Für 2022 und 2023 werde ein weiterer Anstieg erwartet.
Ein durchschnittlicher Anstieg der Krankenkassenprämien um 10 Prozent im kommenden Jahr wäre zur Kostendeckung nötig, erklärte Santésuisse-Direktorin Verena Nold, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. In einzelnen Regionen dürften die Prämienzahlenden noch stärker zur Kasse gebeten werden. Der Verband wisse aber nicht, welchen Anstieg die Mitgliedskassen beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zur Genehmigung vorgelegt hätten.
Im laufenden Jahr waren die Krankenkassenprämien in der Schweiz im Durchschnitt um 0,2 Prozent gesunken, nach Erhöhungen um 0,5 Prozent im Jahr 2021 respektive 0,2 Prozent im Jahr 2020.
Kosten steigen weiter an
Santésuisse warnte am Dienstag vor den Medien in Bern vor den steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Neuste Auswertungen der Kosten für das Jahr 2021 hätten ergeben, dass die Kosten pro versicherte Person um 6,4 Prozent gestiegen seien. In den kommenden zwei Jahren rechne Santésuisse mit einem weiteren Anstieg der Kosten um jeweils rund 4 Prozent.
Vor allem bei den Kosten für ambulante Behandlungen (Abgeltung via Tarmed) und Medikamente ortet Santésuisse das Problem. Bei den Tarmed-Spitaltarifen stiegen gemäss ihren Berechnungen die Kosten 2021 um rund 10 Prozent, bei den Arzttarifen um rund 7 Prozent und bei den Medikamenten um fast 6 Prozent, wie Santésuisse-Ökonom Christoph Kilchenmann ausführte.
Die Kosten, die über den Einzelleistungstarif abgerechnet worden seien, hätten sich auf 12 Milliarden Franken belaufen. Das seien rund 9 Prozent mehr als im Vorjahr. Zum starken Kostenwachstum hätten auch Nachholeffekte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beigetragen. Der ambulante Sektor sei inzwischen für rund ein Drittel der Kosten im Gesundheitswesen verantwortlich.
Die Medikamentenkosten sind laut Kilchenmann mit einem jährlichen Wachstum zwischen 4 und 7 Prozent in den vergangenen zehn Jahren ein weiterer starker Kostentreiber.
Schnell umsetzbar Lösungen möglich
«Wir sehen keine Trendwende bei den Gesundheitskosten, aber wir können nicht weitermachen wie in der Vergangenheit», sagte Santésuisse-Direktorin Nold. Schnell umsetzbare Lösungen gebe es.
Die Schweiz sei ein Hochpreisland für Medikamente, bald 8 Milliarden Franken würden dafür aufgewendet. Generikapreise müssten darum jetzt gesenkt und die Vergütung von hochpreisigen Arzneien müsse an deren Wirkung geknüpft werden. Hundert von Millionen Franken könnten damit gespart werden.
Bei den ambulanten Leistungen müsse der Tarmed durch ambulante Pauschalen mit neuen Einzelleistungstarifen ersetzt werden. «Matchentscheidend» ist für Nold auch eine Beschränkung der Zahl der freipraktizierenden Ärzte. Bei der Ärztezahl stehe die Schweiz im internationalen Vergleich auf einem der vordersten Ränge. Pro Arztpraxis entstünden rund 500'000 Franken an Kosten.
Und schliesslich müssen laut Nold wirkungslose Therapien konsequent aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gestrichen werden.
Reserven um ein Drittel gesunken
Laut Nold sind die Krankenversicherer bereit, ihren Beitrag zur Kostensenkung zu leisten. Mit der Kontrolle von über 100 Millionen Rechnungen sorgten sie für Einsparungen von jährlich mindestens 3,5 Milliarden Franken zugunsten der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler.
Die Reserven der Krankenversicherer sind laut Nold im laufenden Jahr um 4 Milliarden Franken auf 8 Milliarden Franken gesunken. Sie nannte dafür drei Gründe: Im Jahr 2021 hätten die Versicherer Reserven aufgelöst zur Prämiendämpfung. Im laufenden Jahr seien zudem die Kosten stärker gestiegen als die Prämien und die Finanzmärkte seien schwach.
(SDA)