Der Mann produzierte Zahnprothesen. Und um sie zu verkaufen, war ihm keine Reise zu weit. So bestieg César de Trey an einem Tag im Jahre 1930 ein Schiff nach Indien, das zu jener Zeit noch unter britischer Kolonialverwaltung stand.

Wie in allen britischen Kolonien waren die Engländer auch in Indien auf die Weiterführung des englischen Lebensstils bedacht. Entsprechend galt Polo als wichtige Sportart unter den Offizieren der britischen Armee und den sportlicheren Mitgliedern der königlichen Kolonialverwaltung. Polo ist eine der männlichsten Sportarten und erfordert neben einer kräftigen körperlichen Konstitution auch eine robuste und widerstandsfähige Ausrüstung. Und genau da lag bei den damaligen Armbanduhren das Problem: Wirklich widerstandsfähig waren sie nicht.

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César de Trey, privat ein grosser Uhrenfreund, war viel zu neugierig, um während des Polo-Spiels ruhig auf der Tribüne sitzen zu bleiben. Und so kam es, dass er von Spielern gefragt wurde, ob es denn nicht möglich sei, eine Uhr zu konstruieren, die einen Polo-Match ohne Schaden übersteht. Am häufigsten traten während des Spiels durch harte Schläge zerbrochene Uhrengläser auf.

César de Trey dachte darüber nach und kam auf die Idee, das Uhrenglas mit einem Deckel zu schützen. Doch einerseits war diese Technik bereits verwendet worden, und andererseits wurde dadurch die Uhr höher, weshalb er die Idee fallen liess. Dann durchzuckte ihn ein Geistesblitz: Um die Gefahr des Glasbruchs zu vermeiden, müsste einfach das Gehäuse gewendet werden können.

Damit war zwar im Geist des Geschäftsmannes eine geniale Idee geboren, die konkrete Umsetzung jedoch noch weit entfernt. César de Trey war dennoch überzeugt, dass das die Lösung war. Die Idee liess ihn nicht mehr los und kreiste ständig in seinem Kopf.

Da zur damaligen Zeit rechteckige Uhrengehäuse in Mode waren, war dem Mann auch klar, dass die Neuentwicklung rechteckig realisiert werden musste. Das war ohnehin nur von Vorteil, da die Form die Lösung technisch vereinfachte. Nach seiner Rückkehr nach Europa nahm César de Trey Kontakt mit Jacques-David LeCoultre auf, dem Chef der gleichnamigen Uhrenmanufaktur in Le Sentier im Vallée de Joux. Die beiden hatten schon früher viel zusammengearbeitet. Der Uhrenunternehmer hörte den Berichten des Gereisten mit grossem Interesse zu. Seinerseits angestachelt von der Idee einer solchen Entwicklung, setzte LeCoultre alles daran, dieser zum Durchbruch zu verhelfen.

Doch vorerst passierte konkret wenig. Das Vallée de Joux mag zwar als Wiege zahlreicher aussergewöhnlicher Uhrenkreationen gelten, doch die Reverso entstand nicht hier. Sie wurde am Ufer der Seine in Paris geboren.

Und das ging so: An einem Herbsttag im Jahr 1930 ging Jacques-David LeCoultre nach Vallorbe, von wo aus er im Zug nach Paris weiterreiste. Dort begab er sich, wie er es gewohnt war, in das Atelier der Uhrenabteilung von Jaeger. Geleitet wurde das Unternehmen damals von Edmond Jaeger. Der Mann war zwar schon 80 Jahre alt, punkto Wissen über den technischen Entwicklungsstand im Uhrensektor konnte ihm jedoch kein Junger das Wasser reichen. Mit Aufmerksamkeit verfolgte er die Erläuterungen von Jacques-David LeCoultre. Die Sache schien ihm dermassen interessant, dass er sofort alles stehen und liegen liess und LeCoultre mit einem Ingenieur namens René-Alfred Chauvot zusammenbrachte.

Ein paar Monate später, genauer am 4. März 1931 um 13.15 Uhr, wurde in Paris beim Ministerium für Handel und Industrie unter der Nummer 712.868 das Patentgesuch für eine Uhr eingereicht, «die sich in einer Schienenführung der Bodenplatte hin und her führen lässt und um die eigene Achse gewendet werden kann». Um einen guten Eindruck zu hinterlassen und das Projekt nicht zu gefährden, bezahlten die Gesuchsteller auch sofort die Einschreibegebühr von fünf Francs.

Das Patentgesuch enthielt 17 einfache Zeichnungen, die den Schutzmechanismus für das Uhrwerk illustrierten. Es handelt sich um eine Bodenplatte aus einem Guss, die durch ein Armband am Handgelenk gehalten wird. An beiden Enden ist sie nach oben gebogen und bildet dadurch Führungsrillen. In der Beschreibung der Uhr wurde weiter hervorgehoben, dass die Uhr «an ihrem oberen und unteren Rand zwei Stifte enthält, die sich in den Führungsrillen verschieben lassen». Der Erfinder hatte damit alle wichtigen Besonderheiten der Reverso beschrieben.

Weil ein Schutz gegen Schläge von der Seite bei geschlossener Position zwingend erforderlich war, hatte René Chauvot eine hervorstehende Lünette vorgesehen. Dementsprechend musste das offensichtliche Gegenstück in die Bodenplatte integriert werden. Nur wenig später erhielt die Lünette dank einer Modifizierung des Schwenkmechanismus eine rundere Form. Dadurch lag die Lünette wieder etwa auf gleicher Höhe wie das Gehäuse und kam bei geschlossener Position nicht mit der Bodenplatte in Kontakt.

Das definitive Patent wurde am 3. August 1931 ausgestellt und am 14. Oktober desselben Jahres unter der Nummer 712.868 veröffentlicht. Die Reverso war geboren, auch wenn dieser Name in den Verträgen der damaligen Zeit, die René Chauvot, César de Trey und Jacques-David LeCoultre unter sich abgeschlossen hatten, noch nicht auftauchte. Gemäss dem Vertragstext einigten sich die drei lediglich auf eine «weltweite Nutzung dieser Erfindung unter dem Patent Nr. 712.868».

Die Erfindung der Reverso stellte für die damalige Zeit einen schon fast revolutionären technischen Fortschritt dar. Das drehbare Uhrengehäuse weckte schnell das allgemeine Interesse. Es gab Anlass zu zahlreichen Gerüchten, als die ersten Reverso-Exemplare bei mondänen Abendgesellschaften getragen wurden und dort grosse Neugier weckten. Dank der Reverso konnte man mit anderen Menschen ins Gespräch kommen.

In dieser Zeit, der so genannten Belle Epoque, in der Art déco en vogue war, mauserte sich die markante Form der Reverso zur Ikone des damaligen Zeitgeistes. Später wurde sie in allen erdenklichen Varianten neu aufgelegt. Zweimal wurde sie vergrössert, dann aber einmal auch – passend für weibliche Handgelenke – wieder verkleinert. Sie wurde verziert, graviert, mit Edelsteinen besetzt, erhielt Komplikationen wie Minutenrepetition, Tourbillon, Kalender, Chronograph und eine zweite Zeitzone.

Heute ist die Uhr präzis 75 Jahre alt. Und damit ist das Jahr 2006 für Jaeger-LeCoultre das Jahr der Reverso. Sie präsentiert sich in raffiniertem Schmuck und mit bis anhin unerreichten Komplikationen.

Vor allem aber wird die Reverso – mit der ganz neuen Reverso Squadra im quadratischen Gehäuse – in einer neuen Form aufgelegt. Das Design vereint Kraft, Eleganz und Robustheit und ist auf eine männliche Klientel zugeschnitten. Und das muss man der Uhr lassen: Das aussergewöhnlich kraftvolle Design ist bestechend.

Die Reverso Squadra ist mit Werken der neuen Generation von Jaeger-LeCoultre ausgerüstet. Im Herzen des Uhrwerks befindet sich der Rotor, montiert auf Keramik- statt Edelstahlkugeln. Dieses System benötigt weder Wartung noch Schmierung. Eine weitere Besonderheit stellt die raffinierte Präzisionsregelung dar. Und die Spirale ist an beiden Enden mittels modernster Lasertechnik verschweisst.

Die Reverso Squadra gibt es in drei Modellen. In Stahl oder in 18-Karat-Rotgold sind die Reverso Squadra Hometime und die Reverso Squadra Chronograph GMT zu haben. Die in limitierter Zahl aufgelegte Reverso Squadra World Chronograph ist aus Titan.

Dazu kommt eine Referenz gegenüber alten uhrmacherischen Spezialitäten. Mit der Reverso à éclipses bringen die Uhrmacher aus Le Sentier eine Uhr, die an Traditionen anknüpft und Email-Kunst raffiniert in Szene setzt. Die Reverso à éclipses ermöglicht es nämlich ihrem Besitzer, ein Motiv auf seiner Uhr je nach Wahl entweder zu zeigen oder zu verbergen.

Das Interesse der Manufaktur an einem solchen Projekt bestand bereits 1910. Damals legte sie eine entsprechende Taschenuhr auf, allerdings in einem viel grösseren Gehäuse. Dank einem feinen Mechanismus reicht eine einfache Fingerbewegung, um ein magisches Schauspiel auszulösen: Ein Vorhang öffnet sich und gestattet einen Blick auf die kostbare Schönheit einer Email-Miniatur.

Das aktuelle Wunderwerk gibt es in Platin oder 18-karätigem Rotgold zu vier Themen: Motive aus dem Zeitalter der Entdeckungen, die chinesischen Tierkreiszeichen, berühmte Akte und – mit «émail grand feu» – ein ganz reduziertes Zifferblatt.

Eingelassen in der Gehäuseflanke, ermöglicht eine Krone das Öffnen und Schliessen des Vorhangs. Ein leichter Druck in Drehrichtung, und schon öffnen sich die Flügel unter dem Uhrenglas, um den Blick freizugeben auf die in Email gestaltete Szene. Die beiden Vorhanghälften gleiten dabei bis zu ihrem vollständigen Verschwinden im Gehäuse zur Seite.

Die Reverso gilt für viele Uhrenfreunde als perfekte Uhr, die man nicht mehr verbessern kann. Darüber lässt sich trefflich streiten. Mit den neuen Reversos beweist das Team um CEO Jerôme Lambert, dass man sie sehr wohl weiterentwickeln kann.