Alle Jahre wieder: Jacques Herzog und Pierre de Meuron sind die mächtigsten Kulturakteure der Schweiz. Ihr Erfolg in einer Branche, die Reputation und Umsatz fast schon idealtypisch vereinigt, liess der Jury keine andere Wahl. Auch auf den hinteren Rängen hat sich gegenüber 2004 wenig verändert. Mit einer Ausnahme: Erstmals ist das kulturelle Gewicht des Design-Unternehmers Rolf Fehlbaum gewürdigt worden.
Das Fazit? Erstens: Auch kulturelle Macht sucht Bestand. Und zweitens: Diese Macht ist ausserordentlich schillernd. Was verbindet etwa Maja Oeri mit Claude Nobs? Pascal Couchepin mit Samir? Alexander Pereira mit Viktor Giacobbo? Während die mächtigsten Schweizer Wirtschaftsköpfe bei aller Konkurrenz so etwas wie eine intime Schicksalsgemeinschaft zwischen Doldermeeting, Verwaltungsratssitzung und Golfplatz bilden, fällt es schwer, sich die Kulturmacht als Einheit vorzustellen.
Nun ist Heterogenität zwar seit je die Stärke der Kulturwelt. Zugleich bedeutet sie auch eine Schwäche. Denn vielleicht haben Amtsträger, Mäzene, Kulturmanager und die Abenteurer künstlerischer Kreativität mehr miteinander zu schaffen, als sie selbst vermuten.
Die Probe aufs Exempel bleibt aber noch zu leisten. Also ist den Kulturpotenzen sowohl zum Schulterschluss wie auch zum Networking in sämtlichen Vorgärten zu raten – im Interesse einer Kultur, die diesem Land sehr gut ansteht, aber durchaus mehr Lobbying vertragen könnte.
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Herzog Jacques und de Meuron Pierre (56/56, CH)
Architekten
Sie entwerfen «Kathedralen der Gegenwart» wie Museen, Musikpaläste und Fussballstadien. Und sie tun dies so gekonnt, dass ihre Bauten regelmässig zu städtebaulichen Ikonen mutieren. Seit Jacques Herzog und Pierre de Meuron 2001 mit dem renommierten Pritzker-Preis geehrt wurden, haben sich die Jugendfreunde aus Basel an der Spitze der internationalen Architekturszene etabliert. Rund um den Globus sind die «Weltmeister der effektvollen Fassadengestaltung» heute im Einsatz und hinterlassen ihre viel beachteten Wegmarken von Davos über Hamburg bis nach Peking. Auch für die Fussballweltmeisterschaft 2006, den wichtigsten Grossanlass des Jahres, haben die Schweizer Entwurfsprofis den passenden Rahmen geschaffen. Note 8,98
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von Matt Peter (69, CH)
Emeritierter Professor für neuere deutsche Literatur, Universität Zürich
Seit die Schweiz keine Literaturgiganten vom Format eines Friedrich Dürrenmatt oder Max Frisch mehr beherbergt, ist Peter von Matt zum nationalen Vorzeigeliteraten avanciert. Nicht nur der deutsche «Literaturpapst» Marcel Reich-Ranicki hält den emeritierten Literaturprofessor aus Zürich für den besten derzeit lebenden Schweizer Autor. «Ich sage einfach», so Reich-Ranicki, «dass ich keinen Schweizer Lyriker, Romancier, Dramatiker sehe, der auf der Höhe des Essayisten Peter von Matt ist.» Auch wenn er den Status eines literarischen Leuchtturms geniesst, verweist der Belobigte selbst gern auf die Basis: «Wir haben heute ein buntes Feld von Autorinnen und Autoren, die den Schatten der Mammuts losgeworden sind und lustvoll drauflosschreiben», sagt Peter von Matt und erfreut sich an dem, was hinter Dürrenmatt und seiner Wenigkeit nachwächst. Note 8,40
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Nobs Claude (70, CH)
Direktor Montreux Jazz Festival
Zum vierzigsten Mal in Serie lädt Claude Nobs diesen Sommer zu seinem Montreux Jazz Festival. Die Mega-Session am Genfersee ist längst zu einem Fixpunkt im internationalen Musikkalender geworden. Dass Nobs sich bei der Programmierung nicht an den Begriff des Jazz klammert, sondern auf eine lebendige Mischung aus Jazz, Rock, Soul, Blues und Reggae setzt, hat seinem Festival in all den Jahren die Frische bewahrt und dieses zu einem globalen Erfolgslabel heranwachsen lassen. Folgerichtig macht sich «Monsieur Montreux» jetzt daran, sein Konzept in alle Welt zu exportieren. Geplant sind Festivalableger an Orten wie Atlanta, Prag, Shanghai oder Marrakesch. Note 8,23
4 (3)
Pereira Alexander (58, A)
Direktor Opernhaus Zürich
Dass ein Intendant nicht nur Geld ausgeben darf, sondern auch befähigt sein muss, solches hereinzuholen, hat wohl keiner auf beeindruckendere Art bewiesen als der Direktor des Zürcher Opernhauses. Als Alexander Pereira vor zwölf Jahren nach Zürich kam, waren die privaten Zuschüsse an den Opernbetrieb kaum der Rede wert. Heute belaufen sich die Sponsoring-Einnahmen des Zürcher Operntempels auf über zehn Millionen Franken pro Jahr. Pereira, dessen Verkaufstalent den Geldsegen ermöglicht hat, revanchiert sich bei den Zürcher Sponsoren, indem er Weltstars wie Cecilia Bartoli oder Placido Domingo an die Limmat holt. Unter Pereiras Leitung hat sich das Zürcher Opernhaus in der Topliga etabliert. «Es mag nicht ganz das Niveau von Paris, Wien, London, Mailand oder New York erreichen», befand die «Financial Times». «Aber Zürich kommt gleich dahinter.» Note 8,03
5 (*)
Fehlbaum Rolf (65, CH)
VR-Präsident Vitra
Eines seiner Bücher heisst «Chairman» – ein Titel, der auf den Design-Papst der Schweiz gleich in zweifacher Hinsicht zutrifft. Als VR-Präsident, also Chairman, des Büromöbelherstellers Vitra in Birsfelden BL produziert und sammelt Rolf Fehlbaum vorab Sitzgelegenheiten, das heisst im Besonderen Stühle. Begonnen hat die Erfolgsstory mit einer Reise von Fehlbaums Vater nach New York. Im Jahr 1953 entdeckte dieser dort in einem Schaufenster einen Lounge Chair von Charles Eames und erwarb die Produktionslizenz für Europa. Sohn Rolf war zunächst als Dokumentarfilmer tätig, bevor er 1977 die Leitung von Vitra übernahm. Parallel zu seiner Laufbahn als Unternehmer begann Rolf Fehlbaum avantgardistische Möbel zu sammeln, was 1989 zur Gründung des inzwischen weltweit beachteten Vitra-Design-Museums in Weil am Rhein (D) führte. Für seine Verdienste wurde Rolf Fehlbaum voriges Jahr mit dem Design Preis Schweiz geehrt. Note 7,96
6 (5)
Couchepin Pascal (64, CH)
Bundesrat, Kulturminister
Nicht erst seit dem Streit um die Pariser Hirschhorn-Ausstellung wird um Sinn und Zweck staatlicher Kulturförderung gerungen. Für kulturelle Bestrebungen «von gesamtschweizerischem Interesse» ist in letzter Instanz Bundesrat Pascal Couchepin zuständig. Sein Engagement auf diesem Gebiet stellt der Schweizer Kulturminister unter Beweis, indem er persönlich an kulturellen Grossanlässen wie dem Filmfestival von Locarno oder der Kunstbiennale von Venedig teilnimmt. Auch hinter den Kulissen kommt Couchepin nicht umhin, sich des Öfteren über das Kulturdossier zu beugen – sei es mit Blick auf ein neues Kulturförderungsgesetz oder auf die künftige Ausrichtung des Landesmuseums. Unter dem Spardruck des Parlaments muss der welsche Kulturminister hier wie dort danach trachten, Doppelspurigkeiten zu eliminieren, ohne dass es zu einer bürokratischen Zentralisierung kommt. Ob ihm dieser Spagat gelingt? Note 7,83
7 (9)
Oeri Maja (51, CH)
Mäzenin, Kunstsammlerin
Maja Sacher, geborene Hoffmann, vermachte Basel das Museum für Gegenwartskunst. Ihre Enkelin, Maja Oeri, führt das Mäzenatentum der Grossmutter konsequent fort. Vor den Toren der Stadt liess die Roche-Erbin von den Stararchitekten Herzog & de Meuron eigens ein so genanntes Schaulager errichten, um die oftmals wohnzimmeruntauglichen Schätze aus ihrer ausufernden Kunstsammlung fachgerecht lagern zu können. Die zurückgezogen lebende Mäzenin und ihr Lebenspartner Hans Bodenmann zählen zu den einflussreichsten Kunstsammlern weltweit. Zu den Institutionen, die das kunstsinnige Paar unterstützt, gehören die Tate Modern in London und das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA). Note 7,65
8 (7)
Curiger Bice (57, CH)
Kuratorin Kunsthaus Zürich, Herausgeberin «Parkett»
Ihre Worte haben Gewicht. Wenn Bice Curiger einen Künstler für genial hält oder ein spezifisches Bild als Meisterwerk bezeichnet, so schlägt sich das nieder. Auch finanziell. Zur Meinungsmacherin auf dem Gebiet der Gegenwartskunst ist die Zürcherin durch die Herausgabe von «Parkett» geworden, einer Fachpublikation, die zweisprachig in Zürich und New York erscheint und schon so manche Künstlerkarriere befördert hat. Seit 1992 ist Curiger daneben als Kuratorin am Zürcher Kunsthaus tätig. Wie sie den deutschen Malerfürsten Sigmar Polke voriges Jahr dazu brachte, für eine Soloshow an der Limmat innert Wochen zig neue Bilder zu liefern, zeigt einmal mehr, welchen Einfluss Curiger in der Szene geniesst. Note 7,27
9 (11)
Keller Sam (40, CH)
Direktor «Art Basel»
Seinen Aufstieg zum «Robbie Williams der internationalen Kunstszene» hat der Direktor der Basler «Art» vorab seiner Geselligkeit zu verdanken. Sympathisch und unprätentiös verleiht Sam Keller zwei der wichtigsten Termine des Kunstjahres ein Gesicht. Zu Hause am Rheinknie genauso wie in Florida, wo seit ein paar Jahren die hippere Schwesterveranstaltung «Art Basel Miami Beach» über die Bühne geht, schüttelt der omnipräsente «Mister Art» jeweils Tausende von Sammlerhänden, begrüsst persönlich Aussteller und Künstler, hofiert kunstinteressierte Prominenz und leiht wichtigen Museumsleuten sein Ohr. Auf Grund des Netzwerks, das sich Keller auf diesem Weg geschaffen hat, zählt der 40-jährige Basler heute zu den prominentesten Figuren im internationalen Kunstzirkus. Note 7,26
10 (8)
Giacobbo Viktor (54, CH)
Satiriker, VR-Präsident Casinotheater Winterthur
Ob als verwahrloster Drögeler, als Obermacho aus Schwamendingen oder als Rajiv, der Inder: Viktor Giacobbos Figuren sind Kult. Der erfolgreiche Fernsehmoderator («Viktors Spätprogramm»), Filmschauspieler («Ernstfall in Havanna») und Kulturunternehmer (VR-Präsident Casinotheater Winterthur) setzt seiner Karriere heuer ein weiteres Glanzlicht auf – als professioneller Spassmacher beim Schweizer Nationalzirkus Knie. «Ich fahre im Zirkuswagen mit – und meine Auftritte kommen meiner Lust am Improvisieren entgegen», freut sich der Komödiant über sein jüngstes Engagement. In Sachen Humor und Politsatire bleibt Viktor Giacobbo eine Macht. Note 7,14
11 (6) Keel Daniel (75, CH)
Gründer Diogenes Verlag
Note 7,02
12 (20) Keller Pierre (61, CH)
Direktor Ecole cantonale d’art de Lausanne (Ecal)
Note 6,98
13 (13) Zumthor Peter (63, CH)
Architekt
Note 6,91
14 (10) Haefliger Michael (45, D)
Intendant Lucerne Festival
Note 6,80
15 (28) Samir Jamal Aladin (50, Irak-CH)
Filmautor und -produzent Dschoint Ventschr
Note 6,76
16 (16) Béjart Maurice (79, F)
Choreograf
Note 6,73
17 (21) Wirth Iwan (36, CH)
Kunsthändler
Note 6,65
18 (15) Burckhardt Jacqueline (58, CH)
Präsidentin Schweizer Kulturkommission, Chefredaktorin «Parkett»
Note 6,61
19 (18) Cohn Arthur (79, CH)
Filmproduzent
Note 6,58
20 (*) Frey Patrick (55, CH)
Kabarettist/Verleger
Note 6,56
20 (*) Knüsel Pius (48, CH)
Direktor Pro Helvetia
Note 6,56
22 (*) Müller Marco (53, I)
Direktor Filmfestival Venedig
Note 6,55
23 (25) Waldburger Ruth (55, CH)
Filmproduzentin
Note 6,50
24 (13) Botta Mario (63, CH)
Architekt
Note 6,47
25 (16) Béchir André (57, CH)
Geschäftsführer Good News und Hallenstadion AG
Note 6,44