Es gibt verschiedene Arten, sich für ein bestimmtes Kunstwerk zu entscheiden. Die Frage, wie er zum Kaufentschluss komme, beantwortete ein japanischer Grosssammler einem US-Kunstmagazin so: «Ich betrachte das Bild. Dann schliesse ich meine Augen und vergleiche es mit einem Stapel von 10 000 Yen-Noten. Schliesslich entscheide ich, was ich lieber habe. Meistens ist es das Bild.»

Kein Museumsdirektor wird nach diesem Prinzip verfahren können, wenn es darum geht, die Sammlung zu arrondieren. «Wir können es uns nicht leisten, auf Auktionen herumzusteigern oder auf Kunstmessen zu ‹shoppen›», sagt Bernhard Mendes Bürgi, Direktor des Kunstmuseums Basel. «Wir müssen vorher genau überlegen, was wir wollen. Es geht schliesslich um die unverkennbare Identität der Sammlung. Eine Museumssammlung ist auch der Museumsvergangenheit verpflichtet.»

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Das Erbe der Sammlung, mehrköpfige Kunstkommissionen, längere Entscheidungsprozesse und vergleichsweise limitierte Budgets sitzen den Museumsdirektoren im Nacken. Seit 1978 unverändert blieb der Sammlungsfonds des Kunsthauses Zürich (500 000 Franken); beim Kunstmusem Basel wurde das staatliche Ankaufsbudget für 2006 um 20 Prozent auf 800 000 Franken gekürzt. Spielraum erlauben die Zuwendungen, in Basel etwa aus einem mit Ernst Beyeler, René Theler, Esther Grether, Moritz Suter und Marcel Ospel illuster besetzten Patronatskomitee, das jedoch vor allem grosse Ausstellungen unterstützt, in Zürich Legate und Spenden einzelner Stiftungen.

Gefragt sind geschickte Strategien, Konzepte, von denen auch der im aktuellen Kunstboom vom Kauffieber erfasste Privatsammler lernen könnte. Bürgi setzt bewusst auf Schwerpunkte, also Werkgruppen statt Einzelpositionen. Damit knüpft er an eine glorreiche Vergangenheit in seinem Haus an, wo der Fokus früh auf innovative Positionen wie Barnett Newman und Bruce Nauman gelegt wurde. War vor Bürgis Antritt der Fotografieboom an der Sammlung praktisch spurlos vorbeigegangen, erwarb er nun Werkserien von Fotokünstlern wie Richard Prince, Louise Lawler und Sherrie Levine, Vertreter der so genannten «Pictures»-Generation der siebziger Jahre. Ein mutiges Statement im Hause von Holbein, Dürer und Picasso.

Inzwischen sind die Künstler der Nach-Warhol-Generation, die in postmoderner Manier Gehalt und Funktion von Bildern, Medien- und Konsumkultur thematisieren, als neue Meister im Kunstkanon der Nachkriegszeit nobilitiert worden – ablesbar auch an den explodierenden Preisen. Rund 120 000 US-Dollar zahlte das Kunstmuseum Basel für eine Werkgruppe von Richard Prince im Jahr 2002 – ein Kraftakt, der sich bewährt hat. Bereits heute würde sie ein Mehrfaches kosten.

Bilden neuere Kollektionen von Privatsammlern wie Friedrich Christian Flick mitunter verdächtig genau die aktuellen Moden des Kunstmarkts ab, so geht es bei der Museumssammlung darum, kunsthistorische Genealogien herzuleiten. «Wir kaufen primär vor dem Hintergrund unserer Sammlung und nicht des Kunstmarktes», meint Christoph Becker, Direktor am Kunsthaus Zürich.

Das grinsende Skelett – «Kuckuck backwards» – des Schweizer Künstlers Urs Fischer, 2004 für annähernd 50 000 Franken erworben, fügt sich zu einer Gruppe figurativer Plastiken junger, innovativer, viel diskutierter Künstler, die an Biennalen und Messen zu den Eyecatchern gehören, etwa Berlinde de Bruyckeres befremdlich geformter Pferdekörper und Rebecca Warrens zerfurchte Frauenfigur. Über sie liessen sich, so Becker, innerhalb der Sammlung Verbindungslinien zu Alberto Giacometti und Cy Twombly verfolgen.

Trotzdem täuscht nichts darüber hinweg, dass das Messekarussell, die Produktionsflut der Künstler und der teilweise absurde Preisanstieg junger Kunst die Arbeit der Museen nicht einfacher macht. Der Ansturm von Privatsammlern aufs internationale Kunstparkett hat dazu geführt, dass die Ateliers von Künstlern in der Mitte ihrer Karriere regelrecht geplündert werden. Ein Museum, das erst heute Werke des belgischen Malers Luc Tuymans anschaffen will, des virtuosen Befragers von Bildern und Medien, kommt zu spät. Es sei denn, man wolle an der Auktion kaufen und den Ankaufsetat eines ganzen Jahres für den «neuen Meister» hergeben.

Not macht aber auch erfinderisch: In einer Art Joint Venture mit der Londoner Tate Modern und dem Pariser Centre Pompidou erwarb das Kunstmuseum Basel 2003 «Mapping the Studio» von Bruce Nauman, eine monumentale Videoinstallation von becketthaft existenzieller Kraft. Entschliesst sich ein Museum, bei einem Künstler auf der Zeitachse zurückzukaufen, um eine Werkgruppe weiter auszubauen, wird dies zur Hängepartie. Vergleichsweise spät wurde in Zürich letztes Jahr die Video-Installation «Sichtbare Welt» von Peter Fischli / David Weiss aus dem Jahr 1997 erworben. Doch sie fügt sich gut zu andern Fotoserien des Künstlerduos, etwa «Airport», die bereits Ende der achtziger Jahre erworben wurde.

Es mache Sinn, «nach hinten» zu kaufen, so Bürgi, wenn die Werke als «Brückenpfeiler» zu bestehenden Werkgruppen dienen. Die sachlich-kühlen Aufnahmen von Hochöfen und Wassertürmen von Bernd und Hilla Becher etwa schaffen die Verbindung zu den in nüchterner Bildsprache komponierten Fototableaus ihrer Schüler Andreas Gursky und Thomas Ruff.

Das Museum ist noch immer Instanz und Wertmassstab, ein Trumpf, den es ausspielen kann. Preisdiscounts, sogar Geschenke sind daher keine Seltenheit. Wenn sich ein zeitgenössischer Künstler in die Ahnenreihe mit Picasso und Pollock stellen darf, wiegt der ideelle Wert mehr als ein Check. Als das Kunstmuseum Basel sich letztes Jahr dazu entschloss, eine monumentale Fotografieserie von Günther Förg zu erwerben, und ihm damit seine Rolle als Initiator des fotografischen Grossformats in den frühen achtziger Jahren zuerkannte, dankte es Förg dem Haus: Er machte ihm «Villa Malaparte» zum Geschenk.