Das Internet wird für den Kunsthandel immer wichtiger. Auf dem Markt tummeln sich zahlreiche Startups. Und auch die traditionsreichen Kunst-Auktionshäuser wagen sich online immer weiter vor. Sind die Tage des klassischen Holzhammers gezählt?
Für das Auktionshaus Ketterer war es ein Experiment: Kunst im Internet versteigern, für einen Startpreis von jeweils nur einem Euro. 33 Werke aus den Jahren nach 1945 kamen auf diese Weise vor wenigen Wochen unter den Online-Hammer. Wie bei Ebay mussten sich die Käufer registrieren und konnten in einem bestimmten Zeitraum ihre Gebote per Mausklick abgeben. Umgerechnet knapp 12'600 Franken kamen so für ein Stillleben von David Hockney aus dem Jahre 1971 zusammen. Inhaber Robert Ketterer ist zufrieden: «Das hat unglaublich gut funktioniert.»
Enorme Kosten
Traditionelle Kunst-Auktionshäuser kommen um das Internet inzwischen kaum noch herum. Das hat mehrere Gründe. «Die Kosten bei traditionellen Auktionen sind enorm», sagt Hans Neuendorf, Gründer der börsennotierten Internet-Kunsthandelsplattform Artnet. «Sie entstehen dadurch, dass die Häuser die Objekte zum Auktions-Ort transportieren müssen. Finden sie keinen Käufer, gehen sie wieder zurück.» Im Internet liessen sich solche Kosten umgehen.
«Im Kontext der Auktionen kann ich heute von jedem Ort der Welt auf Kunstwerke zugreifen», fügt Daniel Hornuff hinzu, Kunstwissenschaftler an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. «Mit wenigen Klicks sind Millionen investiert, was letztlich zu einer allgemeinen Beschleunigung des Auktionsgeschehens führt.»
Hinzu kommt: Europäische Auktionshäuser setzten mit klassischen Auktionen im vergangenen Jahr umgerechnet mehr als fünf Milliarden Franken um. Das waren 13 Prozent weniger als noch 2015, wie aus dem neuesten Art Market Report der TEFAF hervorgeht, eine der weltweit wichtigsten Kunstmessen im niederländischen Maastricht. «Der Aufwand steigt, die Marge sinkt», sagt Auktionshaus-Inhaber Robert Ketterer.
Ambitioniertes Projekt gescheitert
Für sein Unternehmen bietet der Internethandel deshalb ein zusätzliches Standbein. Etwas mehr eine Million Euro hat das Münchner Auktionshaus vergangenes Jahr über den Online-Kanal umgesetzt - etwa zwei Prozent vom Gesamtumsatz. «In einigen Jahren wollen wir den Umsatz in diesem Bereich auf fünf bis acht Millionen Euro steigern», sagt Ketterer.
Doch der Online-Markt ist umkämpft. Zahlreiche Startups tummeln sich dort und versuchen, sich als reine Online-Auktionshäuser zu etablieren. «Es gibt eine Reihe von kleinen Versuchen, deren Zukunft ungewiss ist», sagt Artnet-Gründer Neuendorf. «Es gibt aber keine wirklich wichtigen oder grossen dieser Art.»
Eines der ambitioniertesten Projekte scheiterte erst kürzlich: Das Online-Auktionshaus Auctionata war vor fünf Jahren angetreten, um den Online-Kunsthandel salonfähig zu machen. Das Unternehmen streamte Auktionen ausschliesslich über das Internet. Ein weltweites Netzwerk von mehr als 200 Experten sollte für die Echtheit und die Provenienz der Objekte garantieren. Nun meldete Auctionata Insolvenz an.
Nicht alle gehen mit
Wichtige Akteure im Online-Kunsthandel sind ausser Artnet deshalb vor allem die traditionellen Auktionshäuser mit ihren lange gewachsenen Strukturen und Experten-Netzwerken. Sotheby's und Christie's gehören dazu, im deutschen Raum vor allem Ketterer und mit ersten Versuchen auch Van Ham in Köln. «Online-Auktionen funktionieren aber nicht, wenn man sie nur nebenher macht. Dafür ist der Aufwand zu hoch», sagt Robert Ketterer. «Wenn man das verstanden hat, sind sie eine ganz grossartige Sache.»
Doch das sehen nicht alle so. «Für viele Sammler lebt die Kunst im Analogen, sie ist mit Originalität und Einzigartigkeit verbunden», sagt Kunstwissenschaftler Hornuff. Diesem Anspruch kämen traditionelle Auktionen noch am besten nach. Viele der Häuser pflegten zum Internet deshalb ein gespaltenes Verhältnis.
«Der Reiz an der Beziehung zwischen einem Sammler und dem Kunstwerk im Original, die persönliche Teilnahme an Vorbesichtigung und Auktion scheint uns immer noch als ein erfolgreiches und zeitgemässes Modell», sagt etwa Anna Ballestrem, Sprecherin beim Berliner Auktionshaus Grisebach. Das Unternehmen bietet zwar auch die Möglichkeit, über einen Internetstream den Saalauktionen beizuwohnen und mitzubieten. Reine Online-Auktionen wie bei Ketterer und zunehmend auch bei Van Ham seien derzeit aber nicht vorgesehen. «Wir beobachten unsere Wettbewerber in diesem Segment aber sehr genau», sagt Ballestrem.
Artnet-Gründer Neuendorf widerspricht: «Auch bei den Saal-Auktionen kaufen die meisten Leute fast nur nach Katalog. Und eine Überprüfung auf Echtheit kann auch per Mail oder per Foto erfolgen.» Die Frage ist deshalb, wie lange sich manche der traditionellen Häuser ihre Internet-Skepsis noch leisten können.
(sda/ccr)
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