Im Streit um die Einfuhr von Kunstwerken durch Urs Schwarzenbach ist ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergangen. Die St. Galler Juristen stützten mehrheitlich die Sicht der Oberzolldirektion, wonach der Milliardär und Dolder-Besitzer Schwarzenbach ein System zur Umgehung der Mehrwertsteuer auf die Beine gestellt habe.
Das Urteil stammt vom 23. Januar 2019 und umfasst 126 Seiten. Die Richter haben rund zwei Dutzend Verträge en détail analysiert. In 13 von 86 Fällen kommen sie zum Schluss, dass die Nachforderung der Steuern zu Unrecht erfolgt sei. Sie verfügen daher eine Verringerung der Steuernachforderung. Die ursprüngliche Streitsumme belief sich auf 14 Millionen Franken. Nun reduziert sie sich auf 10 Millionen Franken plus Verzugszinsen.
Schwarzenbach wurde unter anderem ein Memo seines früheren Anwalts zum Verhängnis. Die Notiz stammt aus dem Jahr 2007 und soll eine Blaupause zur Steueroptimierung sein, wie die Oberzolldirektion und das Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend festhalten.
Systematische Steuerumgehung
Konkret geht es in diesem Memorandum um die Absicht, «Kunstwerke im Dolder (...) oder anderswo permanent auszustellen». Das Bundesverwaltungsgericht fokussiert sich in seinem Urteil insbesondere auf das Wort «permanent». Und auf die Intention, Kunst auszustellen.
«Von einer konkreten Verkaufsabsicht wird nicht gesprochen», heisst es im Urteil, das am Freitag in anonymisierter Form publiziert wurde. Schwarzenbach-Sprecher Sacha Wigdorovits bestätgit aber, dass es sich im Fall um den Dolder-Besitzer handelt.
Das Urteil zitiert Schwarzenbach an verschiedenen Stellen. Der ehemalige Devisenhändler bestreitet die Darstellung, wonach er bewusst Steuern umgangen haben soll. Gleichzeitig sind gegenteilige Aussagen aktenkundig.
«Aufhänger» für das Dolder
So antwortet Schwarzenbach auf die Frage, weswegen er sich für das sogenannte Verlagerungsverfahren entschieden habe: «Für das Dolder brauchte ich einen Aufhänger. Ich habe seit [...] Jahren mit Kunst zu tun und deshalb beabsichtigt, als Aufhänger Kunst im Dolder auszustellen. Deshalb habe ich bereits vor dem Umbau [des Hotels] mit verschiedenen befreundeten Galerien Kontakt aufgenommen und diese gefragt, wie die das machen, wenn sie Kunst in der Schweiz ausstellen wollen.»
Die Galerien hätten früher Kunstwerke mit Freipass importiert, gibt Schwarzenbach zu Protokoll, was heute aber nicht mehr möglich sei. «Heute würden Kunstwerke im Verlagerungsverfahren eingeführt. Ich habe daraufhin entschieden, dass ich Kunstwerke auch im Verlagerungsverfahren einführen will, zum Ausstellen und Verkauf (...).»
«Wichtig ist nur, dass es zolltechnisch korrekt abläuft und ich bin von der Voraussetzung ausgegangen, dass das der Fall ist.»
Urs Schwarzenbach, Kunsthändler und Dolder-Besitzer
Im Protokoll steht auch, dass Schwarzenbach davon ausging, dass er rechtens handeln würde. «Ich fragte eine Galerie, wie diese ihre Ausstellungsware in die Schweiz zum Verkauf bringen, ohne diese verzollen zu müssen. Dann haben diese Experten das ausgehandelt und mir mitgeteilt und ich habe es meinen Leuten mitgeteilt. Das Ganze, also der Ablauf im Detail, interessiert mich nämlich überhaupt nicht. Wichtig ist nur, dass es zolltechnisch korrekt abläuft und ich bin von der Voraussetzung ausgegangen, dass das der Fall ist.»
«Jenseits wirtschaftlicher Vernunft»
Offenbar lag Schwarzenbach aber falsch. Und ganz offensichtlich hatte Schwarzenbach zum Teil auch nachlässige Mitstreiter. Die Verträge, mit denen er nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine Kaufabsicht fingierte, waren teilweise dilettantisch ausgearbeitet und umgesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht spricht im Urteil von vertraglich festgehaltenen Verkaufspreisen, die «jenseits wirtschaftlicher Vernunft» seien.
Die Richter sprechen von einer «absonderlichen Preisgestaltung» und listen diverse Beispiele dafür auf. So sind diverse vermeintliche Verkaufspreise tiefer angesetzt als die Erwerbspreise – laut Bundesverwaltungsgericht ein Indiz dafür, dass «sowohl auf eine Berücksichtigung der bereits angefallenen Kosten als auch auf eine nähere Prüfung der bei einem Verkauf erzielbaren sog. Mindestverkaufspreise verzichtet wurde, weil von Anfang an kein wirklicher Verkaufswille bestand.» Schwarzenbach hält dagegen, er könne keine «Fantasiepreise» vereinbaren.
Teilweise grotesk wird es, wenn das Bundesverwaltungsgericht nachzeichnet, wie ein 34 Millionen Franken teures Werk von Andy Warhol unter Umgehung der Steuerpflicht im Dolder landete. Demnach hat Schwarzenbach «in der ersten Hälfte des Jahres 2011» entschieden, dass das Gemälde ins Dolder zu liefern sei. Anschliessend teilte ein Galerist seinem «Administrativbüro» mit, dass das Kunstwerk «noch zolltechnisch entsprechend versorgt werden müsse».
Urteil wird weitergezogen
In der Folge wurde das elf Meter lange Meisterwerk mit dem Titel «Big Retrospective Painting» zur Ausfuhr nach Grossbritannien angemeldet, tatsächlich aber nach Deutschland gebracht (mit dem Vermerk: «Aus [...] ESTV-Konto heraus gelöst») und am Folgetag wieder zurück in die Schweiz transportiert. Die Oberzolldirektion und das Bundesverwaltungsgericht sprechen von «Täuschung».
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Schwarzenbach-Sprecher Wigdorovits sagt, der Milliardär werde das Verdikt nun genau prüfen und ans Bundesgericht weiterziehen.
Am Bundesgericht sind einige Fälle noch hängig, die Juristen haben aber auch schon diverse Urteil gesprochen, zuletzt im Dezember. Schwarzenbach forderte, dass das Zürcher Betreibungsamt Wertpapiere in der Höhe von 200 Millionen Franken freigeben solle. Diese Wertpapiere wurden 2016 von den Behörden aufgrund von Schwarzenbachs grossen Steuerrückständen blockiert. Der Kunstsammler blitzte mit seinen Beschwerden aber ab.