Die weibliche Aufholjagd schreitet ja ungebremst voran, und es gibt nicht mehr allzu viele männliche Refugien, in die sich die Frauen nicht trauen. Sie interessieren sich für vieles, was lange nur Männern Spass machte, sie interessieren sich für Zigarren, sie interessieren sich für Oldtimer, für Stierkämpfe und Boxen.
Nur ein paar Dinge noch interessieren sie nicht. Frauen gehen nicht auf die Hochwildjagd, sie können keinen anständigen Grantchester-Krawattenknoten binden, und sie interessieren sich nicht fürs Fliegenfischen.
Erstaunlicherweise interessieren sie sich auch nicht für eine der populärsten Sportarten überhaupt. Sie interessieren sich nicht für Wein.
Ich kenne keine Frau, die sich für Wein interessiert.
Vielleicht wissen die Frauen ein bisschen was von Prosecco und Champagner, aber nichts von Wein. Ich kenne keine Frau, die auch nur so viel von Wein versteht, dass sie den Unterschied zwischen einem 86er Château Mouton-Rothschild und einem 86er Château Latour einigermassen plausibel erklären kann.
Gut, ich kenne die Chandra Kurt («Chandras Weintipps»), und ich habe einmal die famose Jancis Robinson getroffen («The Oxford Companion to Wine»). Beide Autorinnen schreiben zum Thema Wein ein Buch nach dem anderen. Sagen wir es also so: 99 Prozent der Frauen interessieren sich nicht für Wein. Die wenigen, die sich damit beschäftigen, werden gleich Profis. Dazwischen, im Feld der interessierten Amateure, gibt es nichts.
Bei uns Männern ist es genau umgekehrt. 99 Prozent sind interessierte Amateure. 99 Prozent der Männer können den Unterschied zwischen einem 86er Château Mouton-Rothschild und einem 86er Château Latour völlig plausibel erklären. Der Mouton, wie man weiss, ist fett, konzentriert, extraktreich, mit wuchtigem Körper, Schokoladetönen, kraftvollen Tanninen. Der Latour wiederum hat eine klassische Cabernet-Nase, fleischig, mineralisch, rote Beeren und etwas Cassis, mit fein ausgebildeten Tanninen.
Wir Männer können dies erklären, weil wir das gelernt haben. Wir haben es gelernt an unzähligen Weindegustationen, wo wir ausschliesslich unter uns Männern sind.
Wer noch nie auf einer Weindegustation war, dem wollen wir es kurz erklären. Wir sitzen im Saal an Pültchen, vor uns die Gläser, höchste Konzentration. Wir blähen die Nüstern, schnüffeln, schlürfen den Wein ein, kauen ihn, ziehen ihn durch die Zähne, runzeln die Stirn, gurgeln kurz und spucken ihn geräuschvoll in einen Napf. Dann tragen wir die Resultate auf Notentabellen ein. 94 Punkte, wuchtiger Körper, Cassis, fleischig, kraftvolle Tannine.
Besonders hart sind die so genannten Blinddegustationen, bei denen wir nicht wissen, was vor uns im Glase schwimmt. Hier können wir uns schrecklich verhauen und einen Château Mouton-Rothschild 1986 samt seinen Tanninen für einen Landwein aus dem Languedoc halten. Damit ist auch klar, warum die Frauen nichts von Wein verstehen und das Thema meiden. Weine kennen zu lernen, ist ein brutaler Wettkampfsport, Mann gegen Mann.
Das Ganze hat zudem etwas Unappetitliches. Man bläht die Nüstern, schnüffelt, schlürft, kaut den Wein, zieht ihn durch die Zähne, gurgelt und spuckt ihn geräuschvoll in einen Napf. Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die öffentlich in Näpfe spuckt.
Ich plädiere nicht nur deshalb für das Runterschlucken. Die meisten Weine, über die wir heute begeisterte Degustationsnotizen und Weinkritiken lesen, haben noch nie einen Magen von innen gesehen. Sie werden geschnüffelt, geschlürft, gegurgelt und ausgespuckt. Geschluckt werden sie nie. Dennoch bekommen sie von diesen famosen Weintestern wie Parker 94 oder 95 Punkte. Wenn man dann eine Flasche davon vertilgt und nicht nur den Mund damit spült, dann schmecken sie oftmals nicht. Es sind reine Degustationsweine, die zum echten Trinken nicht taugen.
Es ist seltsam, aber nirgendwo sonst in unserem Alltagsleben ist die Geschlechtersegregation noch so ausgeprägt wie rund um den Wein. Es ist eine der letzten grossen Männerdomänen dieses Planeten, und so wie es aussieht, können wir die Domäne noch lange Zeit verteidigen.
Ich bin in meinen Leben weiss Gott in vielen Restaurants gesessen, und ich habe dabei einiges erlebt. Eines habe ich noch nie erlebt – dass der Kellner die Weinkarte zuerst der Frau gegeben hätte.