Wie verklärt träumt man doch bisweilen nach anstrengenden Begegnungen mit der Haute Cuisine und ihren teuren und exklusiven Produkten den Traum vom schmucken Landgasthof – wo die Atmosphäre gleichsam weiss gestärkt ist und Gerichte aufgetragen werden, die aus der lokalen Tradition schöpfen und nicht auf die Virtuosität des Kochs verweisen, sondern auf sein Geschick, pragmatisch jeden Tag sein Bestes zu geben!

Im «Adler» in Ried, einem kleinen Weiler am Anfang des langen, stotzigen und kühlen Muotathals, geht dieser Traum in Erfüllung. Seit sieben Jahren wirten dort in einem auffälligen Haus aus dem 18. Jahrhundert und in behaglichen holzgetäferten Räumen Paula und Dani Jann, beide gegen Mitte dreissig, mit drei Töchtern, die zwischen Landammestubli, Küche und Spielzimmer aufwachsen, und dem noch rüstigen Vater, selber Metzger und Koch, der beherzt aushilft, wenn Not am Mann ist.

Die Janns können sich, Gott seis gedankt, über Arbeit nicht beklagen: Die acht Tische sind mittags und abends gut besetzt. Nicht bloss von September bis Mitte November, wenn der «Adler» erhöhte Temperatur zeigt und vom Jagdfieber geschüttelt wird. Die für ihre Treffsicherheit bekannten Muotathaler Jäger apportieren dann ihre Beute: Rehe, Hirsche, Gämsen und die im Losverfahren zugeteilten Steinböcke. Wie Flaggen oder Trophäen hängen danach die Felle an der Scheunenwand jenseits der Strasse und signalisieren dem Habitué, dass Dani Jann seinen viel gerühmten Pfeffer angesetzt hat, zu dem er nicht nur Rotkraut und Spätzli, sondern auch mal urchigen Hafechabis serviert.

Nein, der «Adler» ist auch ausserhalb der Wildsaison eine begehrte Adresse. Gerade im Winter, wenn das Angebot schmaler wird und Dani Jann seine Hausspezialitäten und Klassiker fast ausschliesslich aus lokalen Produkten zubereitet: die im Sud gekochte Regenbogenforelle mit brauner Butter aus der taleigenen, mit Quellwasser gespeisten Zucht (von April bis September gibt es zusätzlich Bachforellen aus der Muota). Oder die Fleischgerichte: die Kalbsleberli, das Kalbs-Cordon-bleu, das Wienerschnitzel, das Châteaubriand «General Suworow», die Landammeplatte mit dreierlei Filetmedaillons an drei verschiedenen Saucen. Jann kennt die Bauern, die ihm über einen Muotathaler Vertrauensmetzger die Tiere liefern.

Alle Teller werden frisch zubereitet, engagiert, exakt, ehrlich und schnörkellos. Die reichhaltige Gemüsegarnitur hat Geschmack und Biss bewahrt. Die Kartoffeln kommen als knusprige Rösti, Frites oder Pommes Berny auf den Tisch. Für Teigwarenliebhaber steht in der Küche eine Maschine. Der Service unter der Leitung von Paula Jann ist flink, kompetent und unaufdringllich warmherzig.

Der Gast ist im Paradies; einzig die Weinkarte wirkt vielleicht etwas farblos. Das Wirten liegt dem Paar im Blut: Paula und Dani haben sich vor Jahren bei der Arbeit kennen gelernt und die Begeisterung für ihren Beruf auch unter der erschwerten Bedingung einer wachsenden Familie bewahren können. Wer im «Adler» einkehrt, erlebt das stille Glück einer unspektakulären, familiären, kulinarischen Harmonie.

Landgasthof Adler
Paula und Daniel Jann-Annen
6436 Ried (Muotathal)
Tel. 041/830 11 37
Fax 041/830 27 13
Vier-Gang-Menü 43.50 Franken
14 «Gault Millau»-Punkte
montags und dienstags und 24. Februar bis 3. März 2002 geschlossen
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