Die Menschen wollen nicht mehr nur hinter verschlossenen Türen wohnen. Der Ort zum Leben hat sich nach draussen erweitert», sagt Barbara Costantini Rosi. Für die Römerin ist der Garten Rückzugsort und Begeg- nungsstätte in einem.
Zusammen mit ihrem Mann Francesco, einem Rechtsanwalt, und den drei gemeinsamen Kindern verbringt sie die Wochenenden und Ferien im südtoskanischen Capalbio – fernab vom hektischen Treiben Roms. Die landwirtschaftlich geprägte Maremma im Herzen der Toskana ist in erster Linie bekannt für den unter Landschaftsschutz stehenden Naturpark und die archäologischen Ausgrabungsstätten von Vulci. In zehn Kilometer Entfernung liegt die Küste mit oft menschen- leeren Stränden. «Wir wollten unbedingt ein Ferienhaus in dieser Gegend. Über eine Zeitungsanzeige haben wir dann einen alten Stall gefunden, den wir 2003 kauften und während vier Jahren restaurierten», erzählt Barbara Costantini Rosi. Ein absoluter Glückstreffer: Das 5000 Quadratmeter grosse Anwesen in schönster Panoramalage wird von einer sanften Hügelkette gesäumt und entzückt das Auge mit einer Weitsicht auf die umliegenden Felder, Laubwälder und Olivenhaine. Gemäss Barbara Costantini Rosi ist es einer von nur noch wenigen Orten, wo Menschen und mediterrane Macchia, die typische Flora der Gegend, in Harmonie zusammenleben, ohne jede Urbanisierung weit und breit.
Ökologische Achtsamkeit und Nachhaltigkeit waren denn auch die zentralen Motive der neuen Hausbesitzerin, die in einem ersten Schritt das Innere des heute 200 Quadratmeter grossen Hauses ausbaute. Beim Umbau waren gestalterische Disziplin und ein geschultes Auge fürs Detail gefragt. «Der Blick auf das Umfeld eines Gebäudes und der Respekt vor der regionalen Bautradition haben den Umbau geprägt», sagt sie. «Ich habe mich dabei vor allem mit der Raumgestaltung, der Einrichtung und der Auswahl der Materialien beschäftigt.» Dass es vor allem sie war, welche die Zügel in die Hand nahm, überrascht nicht, denn sie bewegt sich auch beruflich im Bereich Interior Design: Barbara Costantini Rosi vermarktet auf einem Online-Marktplatz Designobjekte, Schmuck und Accessoires von jungen Künstlern. «Es ist eine grosse Leidenschaft, die ich täglich ausleben darf.»
Künstlerische Inszenierung
Die ganze Familie war sich über das Ziel des Umbaus einig: «Wir wollten die ursprüngliche Anmu- tung wiederherstellen und die alte Bausubstanz so gut wie möglich beibehalten.» So wurde zum Beispiel der Boden aus Naturstein vom nahen Monte Amiata aufpoliert, der ehemalige Futtertrog für das Vieh wurde in eine gemütliche Sitznische in der Küche umfunktioniert. Aus Liebe zu antiken Gegenständen behielt der Einbauschrank im Wohnzimmer auch im restaurierten Zustand seine authentische Patina. «Ich wollte den alten Charme beibehalten und habe die Schranktüren bewusst nicht durch neue ersetzt.» Das Kastanienholz der Deckenbalken wurde lediglich ge- schliffen und neu lackiert. Im Rundgang durch die künstlerisch an- mutende Inszenierung richtet sich der Blick immer wieder auf ver- spielte Details wie Sprichwörter als Wandsticker, die eine inspirierende Wirkung auf die Bewohner haben. Des Weiteren zie- ren die Grossbuchstaben «B» und «F» die Wohnzimmerwand. Sie stehen für die Initialen von Barbara und Francesco.
Zur Nostalgie-Garnitur sollten ein paar schlichte, in zeitgenös- sischer Formensprache gestaltete Elemente einen Kontrapunkt setzen. Eine gute bauliche Qualität und ökologische Richtlinien waren das übergeordnete Ziel, was durch eine sorgfältige Auswahl der Handwerker gewährleistet werden konnte. So wurde der vorhandene Kamin schlichter und moderner gestaltet, und die zweckmässig eingerichteten Badezimmer zeichnen sich durch geometrische Formen und den Einsatz hochwertiger Materialien aus.
Ganz besonderes Augenmerk im Achtzimmerhaus erhielt die Küche. «Ich wollte unbedingt eine grosse Küche, um dort mit Familie und Freunden gemütliche Momente zu verbringen», so die passionierte Gastgeberin. «Der Raum der künftigen Küche war bereits grosszügig konzipiert, was uns Gestaltungsspielraum verlieh.» Barbara Costantini Rosi entschied sich für eine funktional durchdachte Landhausküche im toskanischen Stil mit Kamin, klassischem Gasherd und Arbeitsfläche aus Naturstein, dazu einem Wandregal aus Edelstahl, das normalerweise in den professionellen Restaurantküchen Einsatz findet. Passend zum rustikalen Ambiente setzte sie auf einen charmanten Vintage- Look: Ein alter Esstisch, den sie sorgfältig restaurierte und grau strich, begegnet nun Bürostühlen vom Flohmarkt. Für Farbtupfer sorgen Bilder des Römer Malers Piero Dorazio, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Gruppe Forma 1 zur Verteidigung der abstrakten Kunst mitgründete.
Reiche Flora
Die Hausherrin betont: «Der wohl schönste Aspekt der gesamten Renovation waren die Wiederherstellung von alten Objekten und Materialien und die dafür notwendige Recherche.» Doch auch die partnerschaftliche und lang anhaltende Zusammenarbeit mit den ausführenden Handwerksbetrieben habe sie
sehr geschätzt. Besonders lobt sie das gemeinsame Projekt mit dem Landschaftsarchitekten Ivan Gallo, einem persönlichen Freund, mit dem sie nach der Fertigstellung des Innenausbaus den Aussenbereich in Angriff nahm. Als Naturliebhaberin wollte sie das Potenzial der Liegenschaft angemessen und optimal nutzen. Viel gärtnerisches Geschick war gefordert, um die einst brachliegende Fläche in ein mediterranes Gartenparadies zu verwandeln. Wogende Gräser, zarter Blütenduft und verspielte Farben laden heute zur Besinnung und zum Verweilen ein.
Die Anlage birgt eine Vielfalt an für die Region typischen Gewürz- und Duftplanzen wie Knoblauch, Myrte, Wacholder und Agapanthus-Lilien. Auf einem Gartenspaziergang wird man durch Erdbeer- und Granatapfelbäume in Versuchung geführt. Aber auch Olivenbäume zieren die nähere Umgebung. «Mittlerweile bewirtschaften wir unseren eigenen Olivenhain und produzieren feinstes Öl nach biologischen Richtlinien.» Um die Grünflächen und Pflanzen sorgt sich fast ausschliesslich ein Gärtner. «Sehr gerne ernten wir dann das frische Gemüse und pflücken Obst von den Bäumen. Daraus machen wir Marmelade wie in den guten alten Zeiten.» Neben der reichhaltigen Flora dominiert die rote «Mutluluk»-Installation der italienischen Künstlerin Chiara Castria den Garten. Die Skulptur wurde bewusst so ausgerichtet, dass das Morgenrot, das in kräftigen Farbtönen über der weiten Landschaft sichtbar wird, wie in einem Rahmen eingefangen wird.
Lauschige Sitzplätze
Für die Familie ist der Garten ein Erlebnisraum im Wandel der Jahreszeiten. Wenn die toskanische Sonne an heissen Sommertagen vom Himmel brennt, dienen mächtige Bäume und lauschige Sitzplätzchen neben dem 120 Quadratmeter grossen Pool als willkommene Schattenspender. Besonders viel Zeit verbringt die Familie auf dem gedeckten Sitzplatz, der durch eine gut ausgestattete Aussenküche auffällt. «Der Garten ist die Erweiterung des Wohnzimmers ins Freie», sagt Barbara Costantini Rosi. Der Einbau eines traditionellen Holzofens, der den frisch zubereiteten Pizze ihren besonderen Geschmack verleiht, hatte für die geborene Gastgeberin höchste Priorität. «Hier wird mit der Familie und mit Freunden gekocht, gegessen und diskutiert.»
Im Winter hingegen lockt der «Punto di Vista», ein Aussichtspunkt, wo man bei gemütlicher Atmosphäre um die grosse Feuerstelle sitzt und das Essen am offenen Feuer zubereitet. «Hier geniessen wir die Ruhe und erfreuen uns an der Einfachheit der Dinge», sagt Barbara Costantini Rosi und lächelt zufrieden.