An den Solothurner Bike Days im Mai sorgte die Basler Firma Hilite für ein unerwartetes Highlight – jedenfalls bei den Freunden von Schweizer Qualität auf zwei Rädern. Das bisher vor allem für seine massgeschneiderten Titanräder bekannte Unternehmen zeigte nämlich neu ein Rennrad mit einem überraschenden Bauteil: einem Karbonrahmen, der vollständig in der Schweiz hergestellt wird.
Um die Tragweite dieser Nachricht ermessen zu können, muss man wissen, dass moderne Rennvelos der Oberklasse praktisch ausnahmslos über einen Rahmen aus Kohlefaser-Verbundstoff verfügen. Weil dessen Verarbeitung aber sehr viel Handarbeit erfordert, lassen alle grossen Hersteller in Asien produzieren.
Die Herausforderung wagen
In der Schweiz hat sich bisher allein die Marke BMC an die Herausforderung eines Karbonrahmens «made in Switzerland» gewagt – und ist damit gescheitert. Die sündhaft teuren Impec-Velos von BMC verkauften sich schlecht und waren technisch bereits überholt, als sie auf den Markt kamen. So wurde die Produktion im letzten Herbst definitiv eingestellt.
Wie kam es nun zu den neuen Rahmen aus der Schweiz? Hilite-Gründer Biagio Colletto: «Zu unseren eigenen Titankonstruktionen begannen wir vor fünf Jahren, Karbonrahmen aus Asien zu importieren, diese hier zu lackieren und auf Kundenwunsch individuell aufzubauen.» Einer der Kunden war Alexander Büch. Der Gründer des Basler Softwareherstellers E2E wollte nach dem Verkauf seiner Firmenanteile noch etwas ganz anderes tun. «Etwas mit den Händen», wie er selber sagt.
Inspiration von Formel 1 und Flugzeugen
Zusammen mit Colletto gründete er in Basel die Firma Bcab Composites, später stiess der Designer Florian Waser dazu. In der kleinen Manufaktur werden seit diesem Jahr Rahmen aus Kohlefaser-Verbundstoff nach neusten und modernsten Methoden hergestellt. Früher wurden einzelne Rohre aus Karbon hergestellt und dann zusammengeleimt. Bcab hat ein ganz neues System entwickelt, um den Rahmen in Monocoque-Bauweise zu fertigen. Ähnlich wie in der Formel 1 oder im Flugzeugbau entsteht aus einem Puzzle von 388 Kohlefasermatten-Teilchen ein ultraleichter Rahmen.
Die Verarbeitung der zum Teil nur wenige Quadratzentimeter kleinen Plätzchen geschieht ausschliesslich durch präzise und sorgfältige Frauenhände. Je nach Grösse und Kundenwunsch wiegt ein Rahmen zwischen 600 und 800 Gramm.
Den Käufer bei jedem Schritt beteiligen
Einzigartig ist bei der Herstellung, dass das Karbon quasi nach dem Zigarrenprinzip um einen Latexschlauch gerollt und in eine ebenfalls in der Schweiz hergestellte Form gelegt wird. In einem Industrie-Backofen wird dann Luft in den Schlauch gepresst, um die Kohlefasermatten perfekt in die Form zu drücken. Die Matten werden übrigens vom gleichen Zulieferer produziert, der auch Teile für Bertrand Piccards Solar Impulse oder das Formel-1-Team Sauber fertigt. Beides Unternehmen, die für Swissness stehen.
Worin liegt der Vorteil eines in der Schweiz gefertigten Velos? Da muss Colletto nicht lange studieren. «Bei uns redet der Kunde direkt mit dem Hersteller vor Ort. Im Gegensatz zu asiatischer Massenware ist der Käufer von der Planung über die Fertigung bis zur Lackierung an seinem persönlichen Rad beteiligt. Auch die Lieferfristen sind viel kürzer, und auf Trends kann schneller reagiert werden.»
Stolzer Preis für Swissness-Rad
Natürlich hat ein solches Velo seinen Preis. Die Rahmenpreise bewegen sich von 5000 Franken an aufwärts. Komplette Velos starten bei 8000 und enden bei etwa 20'000 Franken. Im Moment gibt es mit dem Hilite C01 ein einziges Modell. Doch Designer Waser arbeitet schon fleissig an einer Variante mit Scheibenbremsen und einem Cyclocross- beziehungsweise Gravel-Modell.
Und wer sind die Kunden, die sich ein solches Luxusbike kaufen? Zahnärzte, Rechtsanwälte und Unternehmer, die bereits einen oder mehrere Ferraris in der Garage stehen haben? «Ganz und gar nicht!», entgegnet Colletto. «Es sind Vielfahrer aus allen Schichten. Leute, die sich viel und lang mit dem Thema Rennrad auseinandergesetzt haben. Manche arbeiten ein Jahr, um sich ein solches Velo leisten zu können.» Dafür, immerhin, kriegen sie für den Rahmen auch eine Zehn-Jahres-Garantie. Swissness oblige.