Endlich ist Eveline Widmer-Schlumpf (54) dort angelangt, wohin sie schon immer zielte: im Finanzdepartement (EFD). Ermuntert zum abrupten Departementswechsel hat sie Doris Leuthard, die ins Infrastruktur-Departement Uvek weiterzieht. Die überaus ehrgeizige und detailversessene Widmer-Schlumpf war vor ihrer Bundesratskarriere während sieben Jahren Präsidentin der einflussreichen Finanzdirektorenkonferenz. Dort wird argwöhnisch darauf geachtet, dass der Bund nicht in kantonale Belange eingreift und die Subventionen aus Bern fristgerecht eintreffen. Als ausgeprägte «Kantonistin» bringt sie viel Verständnis für die Föderalisten im Land auf. Weniger happy sind EFD-Kaderleute. Sie zweifeln nicht an der Schaffenskraft der BDP-Politikerin. Befürchtet wird aber die totale Verpolitisierung ihrer Arbeit. Daran ist nicht nur das Wahljahr 2011 schuld. Auch der Rausschmiss von Christoph Blocher hallt nach: Die SVP-Fraktion, mit den FDP-Parlamentariern Verbündete beim Streben nach ausgeglichenen Finanzen, wird keine Gelegenheit auslassen, um der abtrünnigen Parteikollegin in die Parade zu fahren. Vorgänger Hans-Rudolf Merz – im Gegensatz zur Etatistin Widmer-Schlumpf ein passionierter Sparer – hatte es verstanden, das Querschnittsdepartement aus allen Politintrigen herauszuhalten.

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Die Freunde

Die neue Finanzministerin setzt auf einen kleinen Kreis von Vertrauten. Eng verbunden ist sie mit Jörg Gasser. Erst schickte sie ihn ins Bundesamt für Migration, wo er Blocher-Restanzen abarbeiten sollte. Vor zehn Monaten kürte sie ihn zum EJPD-Generalsekretär. Vermutlich wird der 40-Jährige auch ins EFD mitziehen und dort die Merz-Vertraute Elisabeth Meyerhans ersetzen. Nahe steht ihr Fachreferentin Beatrice Lüthi, die als Doorkeeper fungiert. Lüthi sitzt für die FDP in der Langenthaler Legislative. Zum Kernteam gehört auch Michael Widmer, früher «Berner Zeitung»-Journalist und seit 1. Oktober persönlicher Mitarbeiter der Bundesrätin.
Bestens versteht sie sich mit Duz-Kollege Philipp Hildebrand, dem Präsidenten der Nationalbank (SNB). Die beiden lernten sich kennen, als Widmer-Schlumpf 2004 dem Bankrat der SNB beitrat. 2007 intensivierte sich der Kontakt, als sie das Bankrat-Vizepräsidium übernahm. Als sie den erkrankten Merz ersetzte, arbeitete sie eng mit Hildebrand beim Aufgleisen des UBS-Rettungspakets zusammen. Die beiden teilen die Idee, die Politik müsse die Grossbanker stärker an die Kandare nehmen. Eng ist das Verhältnis zu Ex-CVP-Nationalrätin Rosmarie Zapfl und deren Frauenlobby Alliance  F. Gut versteht sie sich mit CVP-Präsident Christoph Darbellay. Möglich, dass die BDP-Politikerin unter das CVP-Dach flieht, um ihren Sitz zu retten. Aus der CVP ist auch ihre Pressefrau, Brigitte Hauser-Süess, die wohl ins EFD mitwechselt.

Die Gegner

Keine Schweizer Politikerin hat so viele Feinde wie sie. Dass die SVP-Granden Gift und Galle spucken, ist bekannt. Auch dass ihr früherer Bündner Regierungsratskollege Peter Aliesch (früher FDP, heute SVP) auf sie eindrischt, ist nicht neu. Doch die Finanzministerin sorgt sogar im eigenen Lager für rote Köpfe. Der Bündner Noch-Nationalrätin und BDP-Fraktionschefin Brigitta Gadient ist sie durch eine jahrelange Feindschaft verbunden. Stutenbissigkeit nennen es die einen, Machtkampf zweier Bündner Politclans andere.
Mit Aussenministerin Micheline Calmy-Rey lieferte sich die Justizministerin diverse Scharmützel (Roman Polanski, UBS). Ausserdem fühlen sich SP-Nationalrat Andrea Hämmerle und die gesamte SP-Fraktion düpiert. 2007 half man ihr generös in den Bundesrat, nun drängte sie SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga ins wenig glamouröse Justiz- und Polizeidepartement ab.

Die Finanz-Connection

Widmer-Schlumpf oblag in der Bündner Regierung das Finanz- und Militärdepartement. Zur Sanierung der Staatskasse forderte sie 2002 eine zehnprozentige Steuererhöhung, blitzte aber bei SVP, CVP und FDP ab. Schliesslich musste sie ein Sparpaket auflegen. In der Amtsführung duldete sie keinen Widerspruch. Eines ihrer ersten Opfer war Emilio Cottiati, Chef der Finanzkontrolle. Ein Muster, das sich wiederholt: Chefbeamte, die andere Meinungen vertreten, müssen gehen.
Als Bündner Regierungsrätin legte sie sich mit Finanzminister Merz an, der das Steuerpaket 2001 aufgelegt hatte, das den Kantonen Mehrbelastungen beschert hätte. In der Finanzdirektorenkonferenz (FDK) blies sie dagegen zum Widerstand – und bekam an der Urne recht. Mit ihr kämpften Christian Wanner (FDP, Solothurn) und der frühere Berner Regierungsrat Urs Gasche, der heute zum BDP-Kader gehört.

Die BDP-Seilschaft

Freundschaftlich ist die Bundesrätin mit der BDP-Vizepräsidentin Barbara Janom Steiner verbunden, die in Chur in die Kantonsregierung nachrutschte. Ein alter Bekannter ist Anwalt Hans Hatz, ebenfalls BDP, der als VR-Präsident der Graubündner Kantonalbank fungiert. Der 66-Jährige möchte sich 2011 nochmals für zwei Jahre wählen lassen. Gut möglich, dass er seiner BDP-Kollegin das mit 240 000 Franken dotierte Präsidium als Backup warm halten will, falls sie aus dem Bundesrat abgewählt wird. Eng verbunden ist Widmer-Schlumpf auch mit BDP-Präsident Hans Grunder. Das Verhältnis zum früheren Bundesrats- und BDP-Kollegen Samuel Schmid soll sich dagegen abgekühlt haben.

Die Familie

Der Clan aus Felsberg GR ist für die 54-jährige Politikerin ein Hort der Ruhe. Sie ist mit einem Bauingenieur verheiratet, den sie von Kindesbeinen an kennt; gemeinsam hat man drei Kinder. Eng verbunden ist sie mit ihrem Vater, Alt-Bundesrat Leon Schlumpf. Derzeit lässt sie sich ein Minergie-Ferienhaus in Flerden oberhalb von Thusis bauen, gerade mal einen Steinwurf vom Ferienhaus ihres Vaters entfernt.
Widmer-Schlumpf war Vizepräsidentin der SVP in Graubünden. Auf diesem Ticket wurde sie 1998 erste Regierungsrätin des Kantons.