Als Ende April der brandneue Swiss-Airbus A330-300 erstmals von Zürich nach New York flog, servierte Harry Hohmeister den Passagieren persönlich die Drinks. Wie gewohnt wirbelte er an allen Ecken und Enden. Egal, ob es um die Beschaffung von neuen Flugzeugen geht, um Verhandlungen mit Lieferanten oder Gewerkschaften oder um sein Schlüsselressort, das Netzwerkmanagement: Hohmeister ist zur Stelle. Die Rolle des obersten Swiss-Lotsen hat er schon zwei Jahre vor seiner Ernennung mit vollem Einsatz angestrebt und ausgefüllt. Im Juli wird Hohmeister auch formell das Amt als CEO der nationalen Airline antreten, als Nachfolger von Christoph Franz. «Ohne Hohmeister wäre Franz nicht da, wo er heute ist», beschreibt ein Kadermann das Führungsduo.
Der 45-jährige Deutsche ist ein Schnelldenker und ein Schnellsprecher, direkt und forsch, superehrgeizig, durch seine fordernde Art oft unbequem, aber stets verlässlich. VR-Präsident Rolf Jetzer lobt seine «klare und strukturierte Denkweise». Während Hohmeister in der Flugindustrie hervorragend vernetzt ist, blieb ihm, dem Workaholic, bislang wenig Zeit, sich in der Schweiz auf gesellschaftlichem Parkett zu zeigen. Eine Ausnahme gab es Anfang März, als das ganze Swiss-Topmanagement mit Gattinnen am Zürcher Opernball tanzte.
SEINE VERBÜNDETEN
Es war der abtretende Swiss-Chef Christoph Franz, der Harry Hohmeister vor vier Jahren vom deutschen Ferienflieger Condor zur Swiss holte. Gemeinsam setzten sie zu einem eindrücklichen Steigflug an. Dank Franz, der im Sommer Stellvertreter von Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber wird, hat Hohmeister künftig einen direkten Draht zur Spitze der deutschen Airline. Ein wichtiger Kollege wird Stefan Lauer, der neu bei der Lufthansa für die Airline-Töchter verantwortlich wird. Hohmeisters wichtigster Vertrauensmann in der Schweiz ist Swiss-COO Gaudenz Ambühl. Die beiden haben das Büro gleich gegenüber und teilen sich ein Sekretariat. Einen regen Austausch unterhält Hohmeister auch mit Swiss-Präsident Rolf Jetzer, der wie etliche andere Kollegen den neuen starken Mann englisch prononciert («Härry»).
SEINE GEGENSPIELER
Dass ein Netzwerkchef Verhandlungen mit den Gewerkschaften führt, ist unüblich, aber Hohmeister nahm auch dieses Dossier an sich. Streiks gibt es seither keine mehr, wichtige Gesamtarbeitsverträge kamen unter Dach und Fach. Urs Eicher, Präsident des Kabinenpersonals Kapers, der mit Hohmeister mehrere Verhandlungsrunden führte, beschreibt ihn als «hart, aber fair». Ähnlich tönt es beim Pilotenverband Aeropers oder bei der Gewerkschaft Kommunikation, wo Hohmeister mit dem damaligen Zentralpräsidenten und heutigen SP-Präsidenten Christian Levrat völlig verfahrene Personalkonflikte löste. Auch mit Hans-Jörg Leuzinger vom Reisebüroverband einigte er sich am runden Tisch in einem Tarifstreit. Mittlerweile verteht Hohmeister sogar Schweizerdeutsch. Ringsum hat er sich Respekt verschafft, auch innerhalb der Swiss. Ein Antipode war Marketingchef Christoph Beckmann, aber der hat das Unternehmen kürzlich verlassen.
SEINE AUSSENPOSTEN
Nach mehreren schmerzhaften Einschnitten an den Flughäfen Genf und Basel baut die Swiss das Flugprogramm seit zwei Jahren wieder aus. Auch dafür sorgte Hohmeister. Von Jürg Rämi, Chef des Basler EuroAirport, bekommt er dickes Lob. Der Genfer Flughafendirektor Robert Deillon freut sich ebenfalls über den erheblichen Ausbau der internationalen Verbindungen von Swiss seit April. Auf den früheren Unique-Chef Josef Felder hält Hohmeister grosse Stücke und machte ihn zum VR des Ferienfliegers Edelweiss Air, den die Swiss letztes Jahr Kuoni abgekauft hat. Die Freundschaft von Kuoni-Schweiz-Chef Stefan Leser mit Hohmeister war dem Deal durchaus förderlich. Kuoni ist der grösste Swiss-Kunde, und seit einigen Wochen vermarktet die Swiss im Gegenzug das ganze Kuoni-Hotelangebot auf der eigenen Website.
SEIN WERDEGANG
Nach dem Abitur bildete sich Hohmeister bei der Lufthansa zum Luftverkehrskaufmann aus. Dem Unternehmen oder einer seiner Beteiligungsgesellschaften blieb er bis heute treu. Zu seinen Förderern gehört der frühere Lufthansa-Chef Jürgen Weber. Bevor er im Jahr 2005 zur Swiss wechselte, war er zusammen mit Rudolf Tewes der wichtigste Manager der zweiten Führungsebene beim Ferienflieger Condor, der zum Lufthansa-Imperium gehört. Als nicht er, sondern der Lufthanseat Ralf Teckentrup bei Condor den Steuerknüppel übernahm, kam Hohmeister der Ruf aus der Schweiz gerade recht.
SEIN PRIVATLEBEN
Harry Hohmeister wurde am 19. April 1964 in der Nähe von Bremen in eine Fliegerfamilie geboren. Sein Vater arbeitete als Techniker bei der Lufthansa, Hohmeister selber ist passionierter Privatpilot. In seiner Freizeit fliegt er einmotorige Zweisitzer. Mit Ehefrau Anita und Sohn Patrick lebt er in einem Einfamilienhaus in der Nähe des früheren Militärflughafens Dübendorf. Drei- oder viermal pro Woche joggt er ausgiebig und gilt als einer der fittesten Männer im Swiss-Management. Eines seiner Hobbys ist Slot-Racing, für die dringend benötigte Reparatur seiner defekten Carrera-Bahn findet er aber zu seinem Bedauern keine Zeit.