Diesen Angriff vergessen die Österreicher nicht. «Wir liefern Geld für den Konzern, und ihr macht Verluste», wies Harry Hohmeister den Verwaltungsrat der Austrian Airlines (AUA) voriges Jahr zurecht. Die Kritik schmerzt nun besonders. Denn der Swiss-Chef sitzt fortan nicht mehr nur im Kontrollgremium der Schwester-Airline, sondern wird sie als neuer Chef für die Verbund-Carrier der Lufthansa (wie Swiss, AUA, Germanwings) von ganz oben dirigieren – zugleich aber Swiss weiterführen. «Das ist eine Unvereinbarkeit, die seinesgleichen sucht», wehrt sich Karl Minhard, Betriebsratschef der österreichischen Airline. Hohmeister könnte die Swiss leicht bevorzugen.
Den Argwohn muss der neue Chefaufseher Hohmeister dort wie bei Germanwings wegstecken. Zumindest versteht er sich mit AUA-CEO Jaan Albrecht – beide werden vom Mutterkonzern Lufthansa und dessen Chef Christoph Franz am Gesamtresultat und nicht an dem einzelner Tochterfirmen gemessen. Franz, der Hohmeister an seine Seite holte, muss die Lufthansa flottkriegen. Rücksicht auf einzelne Airlines kann er nicht nehmen. Nur, auch die Swiss-Mitarbeiter sorgen sich: dass Hohmeister zu wenig Zeit für sie hat oder er ganz zum Konzernsitz nach Frankfurt wechselt. Er beteuert das Gegenteil. Von der erfolgreichen Swiss will er nicht lassen – zumindest vorläufig.
Die Freunde
Ein so enges Wirtschaftstandem ist selten: Als Lufthansa-Chef Christoph Franz auf den Chefsessel des Kranich-Konzerns stieg, beerbte Hohmeister ihn als Swiss-CEO. Nun zieht er in die Konzernführung ein. Franz braucht Verbündete, um der träge gewordenen Airline Schub zu geben – mit Hohmeister hat er einen Getreuen, dem sich so zugleich der Weg an die Spitze des Konzerns öffnet. In Frankfurt trifft der 49-Jährige auf Carsten Spohr, der als Leiter des Passagiergeschäfts der Lufthansa auch den Chefsessel anvisiert. Dennoch stehen sie sich nah aus alter Zeit, in der Hohmeister bei Lufthansa arbeitete, und laden sich noch heute gegenseitig ein.
Bei der Swiss hält ihm Rainer Hiltebrand als Verantwortlicher für das operative Geschäft den Rücken frei. Er arbeitet eng mit Hohmeister zusammen. Mit Roland Busch hat er gerade einen alten Vertrauten von der Lufthansa zu seinem Finanzchef ernannt. Währenddessen hilft ihm Gaudenz Ambühl bei Problemen mit Austrian Airlines, wo Hohmeister seinen früheren Manager positioniert hat.
In der Schweizer Wirtschaft steht Hohmeister UBS-CEO Sergio Ermotti zur Seite. Mit ihm, der sich bei der Darwin Airline engagierte, versteht sich Hohmeister sehr gut. Eng verdrahtet ist er auch mit Kudelski-Chef André Kudelski, beide ticken ähnlich. Ebenfalls dieselbe Wellenlänge eint den Swiss-Chef mit Zurich-Topmanager Axel Lehmann, der vom Typ und vom Stil her zu Hohmeister passt.
Die Gegner
Gegensätzlicher könnten Hohmeister und Flughafenchef Thomas Kern kaum sein. Just als der Swiss-Chef monierte, der Flughafen Zürich sei 25 Prozent teurer als vergleichbare Airports, verlangte Kern einen Gebührenanstieg um 25 Prozent. Dass Kern kein Aviatiker ist, erschwert das Verhältnis. Dabei haben beide beim Flughafenausbau gemeinsame Interessen. Das kann man vom Waldshuter Landrat Tilman Bollacher nicht behaupten. Im Fluglärmstreit zwischen der Schweiz und Deutschland gerät er mit Hohmeister regelmässig aneinander. An der geschäftlichen Flanke bekriegt sich Hohmeister mit EasyJet-Chefin Carolyn McCall, die über den «Dinosaurier Swiss» herzieht und der Airline in Genf kaum Luft zum Atmen lässt. Dort muss Hohmeister seine Strategie aufweichen und günstiger werden. Wegen seiner Sparpläne legt er sich mit Markus Grob an, dem Präsidenten der Pilotengewerkschaft Aeropers. Grob schätzt immerhin Hohmeisters offene Verhandlungsart, dagegen stellt Betriebsratschef Karl Minhard von Austrian Airlines die Stacheln auf und lehnt ihn als neuen Chef der Verbund-Airlines ab.
Der Touristik-Clan
Die Freundschaft mit Kuoni-Topmanager Stefan Leser trägt nicht nur die vielen Kooperationen zwischen Swiss und dem Reisekonzern. Mit Leser kann Hohmeister auch seine Erfahrungen als Deutscher in der Schweiz austauschen. Viel hält er von Edelweiss-CEO Karl «Charly» Kistler, dem er bei dessen erfolgreicher Arbeit gern freie Hand lässt. Mit Josef Felder weiss Hohmeister bei Edelweiss zudem einen Manager im Verwaltungsrat, den er schätzt. Noch aus Lufthansa-Zeiten kennt Hohmeister Aer-Lingus-CEO Christoph Müller, dem er genauso zugetan ist wie dem Genfer Flughafendirektor Robert Deillon, auf dessen Airport Hohmeister die Swiss verstärkt.
Die Karriere
Ein Mann hat Hohmeister stets unter die Flügel gegriffen: Ex-Lufthansa-Präsident Jürgen Weber war ihm stets ein wichtiger Mentor und Wegweiser. Bei Lufthansas Cateringtochter LSG Sky Chefs wirkt für Hohmeister ein weiterer wichtiger Ratgeber im Hintergrund: Mit Hilfe des Cateringchefs Walter Gehl hat er schon manche Tücke des Grosskonzerns bewältigt. Auf diesem Weg schaffte es der Norddeutsche nach dem Abitur über die Ausbildung zum Luftverkehrskaufmann bei der Lufthansa bis zum Vize-Netzwerkchef. Erst im Jahr 2000 brach Hohmeister beim Kranich-Konzern aus und erprobte sein Können beim Ferienflieger Condor – doch sein Aufstieg an die Firmenspitze misslang, ein anderer zog an ihm vorbei. Dafür holte ihn die Swiss 2005 als Netzwerkchef und vertraute ihm darauf auch den Vertrieb an. Hohmeister hat sich bewährt, wie sein Aufstieg auf den Chefposten vor vier Jahren zeigt. In Präsident Bruno Gehrig hat Hohmeister nun einen engen Förderer, mit dem er «ein Herz und eine Seele» sei, sagt ein früherer Swiss-Manager.
Die Familie
Der neue Doppeljob als Swiss-CEO und Verbund-Airline-Chef bei Lufthansa wird Hohmeisters liebstes Hobby abwürgen: die Fliegerei. Wenn es die karge Zeit erlaubt, jettet der Freizeitpilot in Ultraleichtflugzeugen wie der Skylark auch mal zu Fliegertreffen und erfreut die Fans als Teamleader einer Flugformation mit einer kleinen Show am Himmel. Das Faible für grosse Höhen stammt wohl vom Vater, der als Techniker bei der Lufthansa arbeitete.
Seine Ehefrau Anita sieht ihren Mann allerdings lieber am Boden, wenn er Zeit für sie hat. Beide leben zusammen in der Nähe des früheren Militärflughafens Dübendorf. Oft fliegt Hohmeister auch zu seinem Sohn Patrick, der in Berlin studiert und ihn bezüglich neuer Medien und Gadgets für das Smartphone up to date hält. In ruhigen Stunden beschäftigt sich Hohmeister mit der Historie. Europäische Geschichte ist sein Steckenpferd – etwa wie Europa zusammenfindet.