Am 1. Mai braucht sich Hansueli Loosli auf keine Sitzung mit seinem Nachfolger einzustellen. Joos Sutter pflegt am Tag der Arbeit eine Auszeit zu nehmen: Der Naturbursche wirft in seiner Bündner Heimat die Angelschnur aus. Fliegenfischer Sutter ist dann in seiner eigenen Welt. In der Basler Konzernzentrale braucht er ähnliches Fingerspitzengefühl. Mit Loosli beaufsichtigt ihn sein Vorgänger. 15 Jahre hat der 55-Jährige den zweitgrössten nationalen Detailhändler operativ geleitet. Per 1. September 2011 tritt das Alphatier aus dem Rampenlicht und wird VR-Präsident. Loosli wird sich zurücknehmen müssen – gelingen wird ihm das nicht immer.

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Sutter (47), ein schneller Analytiker, aber bodenständig, ein «Berggrind» mit «Alpencharme», scheut die Konfrontation nicht. Er teilt aus und steckt ein – genau wie Loosli. Die beiden kennen und schätzen sich seit mehr als zehn Jahren. Das ist eine gute Basis. Doch die Konstellation hat sich geändert, nun führen die beiden die höchsten Coop-Ämter. Sutter ist im Non-Food-Bereich gross geworden, er hat das Retail-Kerngeschäft nie geleitet. Ein Novum an der Coop-Spitze. Loosli seinerseits gibt die Leitung für das Auslandgeschäft nicht ab – es ist das Wachstumsfeld in der Coop-Gruppe. Sutter bleibt der Schweizer Markt. Grosse Würfe sind hier kaum möglich.

Die Karriere

Der neue Coop-Chef ging ans Wirtschaftsgymnasium in Chur und schloss 1990 sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni St. Gallen mit dem Lizenziat ab. Noch während des Studiums heuerte er bei Ems-Inventa an, einer ehemaligen Tochter der Ems-Chemie-Gruppe, damals geführt von Christoph Blocher. Bei Sutter war eines seiner Hobbys auch in der Karriere Programm: Die Diplomarbeit schrieb er über «Die Zukunft der Schweizer Skischulen: Anpassungen an neue Entwicklungen». Sein Referent war Claude Kaspar, Dekan der betriebswirtschaftlichen Abteilung in St. Gallen. An der Skischule Flims leitete er parallel zum Studium das Büro, langjährige Mitarbeiter erinnern sich allerdings nicht an Sutter. Seine Sporen verdiente er als Wirtschaftsprüfer bei Coopers & Lybrand ab, bevor er 1996 als Finanz- und Personalchef bei Impo Import Parfümerien eintrat, Coop hielt damals 50 Prozent. Beim Sanierungsfall stapelten sich die Rechnungen. Sutter holte sich Studenten zu Hilfe und brachte das Geschäft mit dem damaligen Chef Johannes Trümpy auf Kurs. 1999 wechselte er zu Interdiscount, arbeitete sich bis zum Divisionsleiter hoch und war an der Integration von Radio TV Steiner beteiligt. Der Karrieresprung gelang 2010: Coop-Chef Hansueli Loosli beförderte ihn an die Spitze von Coop Trading und damit in die Geschäftsleitung. Sutter war fortan Chef der Coop-City-Warenhäuser und zahlreicher Fachmärkte (Interdiscount, Toptip/Lumimart, Christ, Fust etc.).

Die Gegner

Cüpli-Anlässe sind nicht Sutters Sache. Er meidet das Rampenlicht. Anders sein Zürcher Gegenpart: Migros-Chef Herbert Bolliger ist oft gesehener Premierengast. Auf dem roten Teppich werden sich die beiden kaum begegnen, sonst hingegen schon. Das Gezeter um die Preisführerschaft wird unter neuer Coop-Führung nicht abnehmen. Aktuell marschieren die beiden aber Seite an Seite. Gemeinsamer Feind: Promarca-Direktorin Anastasia Li-Treyer. Sie wirft Coop und Migros vor, Währungsgewinne einzubehalten, und betitelt den Produktboykott (Coop) und die Preissenkungen (Migros) als PR-Aktion. Wie Sutter seinen Stellvertreter Philipp Wyss bei Laune hält, wird interessant zu beobachten sein. Wyss gilt als integer und umgänglich, die beiden freuten sich auf die Zusammenarbeit, heisst es offiziell. Bloss: Wyss galt als Kronprinz für Looslis Nachfolge und kennt als Leiter der Direktion Retail das Kerngeschäft à fond. Dieses muss er nun an Sutter abtreten. Der Luzerner übernimmt per April 2012 die Direktion Marketing/Beschaffung. Aspirant auf den Chefsessel war bereits Christoph Clavadetscher. Dem machte die Integration der EPA-Warenhäuser aber zu schaffen. 2005 warf er das Handtuch und ging zur Dohle-Handelsgruppe.

Die Jungtürken

Der 47-jährige Sutter steht für den Generationenwechsel bei Coop. Er ist die Speerspitze einer Handvoll Coop-Getreuer, die sich über Jahre an die Toppositionen herangetastet haben. Roger Vogt (33) hat die Leitung der Verkaufsregion Zentralschweiz/Zürich von Philipp Wyss (45) übernommen, der den in Pension gehenden Jürg Peritz als Chef der Direktion Marketing/Beschaffung ablöst. Joos Sutters Nachfolger im Non-Food-Bereich ist Daniel Stucker (47). Andreas Frischknecht (50) wechselt an die Spitze der Division Import Parfumerie / Christ Uhren & Schmuck.

Die Familie

Noch ist Sutters Name wenig bekannt in der Öffentlichkeit. Das wird sich ändern, sein Privatleben aber hält er unter Verschluss. Niemand verliert ein schlechtes Wort über den charmanten Bündner. Blitzgescheit und humorvoll sei Sutter. Aufgewachsen ist er mit zwei Schwestern in Thusis als Sohn eines Kreisnotars. Er wohnt mit seiner Familie in Schüpfen BE. Sutter ist ein Familienmensch und verbringt die Zeit so häufig wie möglich mit seinen Kindern Jan,Elia und Noa und seiner Frau Daniela. Wann immer möglich geht der Heimwehbündner wandern, steigt auf Berge, geht zum Fliegenfischen, fährt Snowboard oder sammelt Pilze. Seine Frau ist Inhaberin einer Firma für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung.

Die Förderer

Ohne Rudolf Burger wäre Sutter nicht an die Coop-Spitze gelangt. Dieser arbeitete 40 Jahre für Coop, ehe er Ende 2009 in Pension ging. Die beiden trafen sich erstmals 2001 bei Interdiscount. Sutter war dort Finanzchef, Burger sein Vorgesetzter. Er beförderte den Bündner zum Verkaufschef, später zum Divisionschef, und 2010 beerbte Sutter Burger als Tradingchef (Non-Food). Darauf stiessen die beiden in der City Bar im Basler «Hilton» mit einem Glas Champagner an. Wichtig für Sutters Werdegang ist auch Hansueli Loosli. Dem abtretenden CEO imponierte Sutters Bodenständigkeit. Dieser konnte beim Besuch im Verkaufsladen schon mal den Kittel ausziehen und eine schlecht inszenierte Aktionspräsentation selbst herrichten. Sutter, der Händler und Verkäufer, kam gut an bei Loosli. So war das Rennen um Looslis Nachfolgeweit weniger eng als kolportiert. Loosli hat Sutter gegenüber Wyss schon lange favorisiert. Auch Coop-Finanzchef Hans Peter Schwarz stärkt Sutter den Rücken. Die beiden Finänzler können es gut miteinander.